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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

Kopfes in enge Schraubstöcke von Hauben, eine nur unnöthige Spielerei, bei der höchstens die Garnitur und Häkelei bewundert werden soll.

Wichtiger ist die Frage, wie man sich mit der Reinigung der betreffenden Stelle zu verhalten habe. Während die eine Mutter sie auf gleiche Weise abrumpelt und kämmt wie die übrigen Theile, kennzeichnet die etwas verdächtige dunkle Färbung darauf die übergroße Vorsicht einer anderen. Die Methode jener Bauerfrau, durch ein darauf gelegtes Mutterpflaster den bedenklichen Fleck ihren mütterlichen Blicken zu entziehen, dürfte kaum als Allgemeinsitte einzuführen sein. Wie sich schon aus der obigen Entwickelung ergiebt, muß gerade hier ein Mittelweg eingeschlagen werden. Durch leichtes Darüberstreichen mit einem Schwamm kann man auf die einfachste Weise den dunkeln Punkt vermeiden, ohne die darunterliegenden Theile zu reizen. Eine fortdauernde zu starke Reibung hat vermehrten Blutzufluß zur Folge, wodurch wiederum eine vorschnelle Verknöcherung bewirkt werden könnte. Dies wäre als ein krankhafter Proceß zu betrachten, welcher dem raschen Schädel- und Gehirnwachsthum ein zu frühes Ziel steckte. Hand in Hand geht aber die normale Schädel- und Gehirnvergrößerung mit der Zunahme der geistigen Thätigkeit; mithin ist die offene Stelle nur die Vorgängerin eines offenen Kopfes.

Dr.a
Corona Schröter.
Von Rudolf Gottschall.

Aus der Genie-Epoche der deutschen Literatur tritt das Bild einer anmuthigen und begabten Künstlerin jetzt mit erneuter Frische und schärferen Zügen hervor, einer Künstlerin, die unserem großen Goethe in der Epoche seiner jugendlichen Leidenschaft nahe stand und einige seiner schönsten dichterischen Gestalten zuerst auf der Bühne in’s Leben rief. Ein wehmüthiger Reiz schwebt um die liebenswürdige Erscheinung; denn, wie so viele gefeierte Künstlerinnen, schied sie nach einer Glanzepoche des Ruhms und der Liebe in Einsamkeit und Vergessenheit.

Keinem, der sich mit dem Leben Goethe’s und der classischen Zeit Weimar’s beschäftigt hat, wird der Name Corona Schröter unbekannt sein. Doch ein zusammenhängendes Lebensbild der Künstlerin hat uns erst Robert Keil neuerdings in seiner interessanten Schrift „Vor hundert Jahren“ gegeben, und zwar aus neuen und vervollständigten Quellen. Namentlich sind es die Tagebücher Goethe’s selbst, vom 11. März 1776 bis 5. März 1782, aus denen auf das Verhältniß des Dichters zu der schönen Künstlerin ein volles Licht fällt. Diese Tagebücher hat Keil zum ersten Male im Zusammenhange herausgegeben. Es sind sehr wichtige Actenstücke für die Charakteristik jener tollen Weimar’schen Genie-Epoche, in welcher der junge Fürst mit dem jungen Dichter und einem lebenslustigen Hofe in einer wilden, doch künstlerisch geadelten Genußsucht dahinstürmte. Ohne Frage nimmt Corona Schröter in der reichen Schönheitsgalerie der Frauen und Mädchen, denen der Dichter leidenschaftlicher Neigung ergeben war, einen hervorragenderen Platz ein, als ihr bisher eingeräumt wurde; aber auch in der Geschichte deutscher Kunst bleibt ihr als der ersten und unübertroffenen Darstellerin der Iphigenie eine ehrenvolle Erinnerung gesichert. Robert Keil nennt sie „die vielleicht reizendste, anmuthigste und geistvollste Künstlerin, die in Deutschland jemals die Bühne betraten hat.“

Corona Schröter war die Tochter eines untergeordneten Musikers, des Hautboisten Johann Friedrich Schröter, und wurde im Jahre 1751 in Guben geboren. Der Vater zog nach Auflösung des gräflich Brühl’schen Regiments nach Warschau. Hier entwickelte sich früh ihre schöne Gestalt, ihr Talent für Zeichnen und Gesang. Der Vater war ihr Gesanglehrer, strengte sie aber beim Unterrichte zu sehr an, sodaß ihre Stimme zwar einen bedeutenden Umfang erhielt, aber geschwächt und etwas bedeckt wurde. Als der Vater im Vertrauen auf die Freundschaft des Schöpfers des deutschen Singspiels, Johann Adam Hiller’s, mit seiner Familie nach Leipzig gezogen war, wurde Corona die Schülerin Hiller’s und machte unter dessen Leitung glänzende Fortschritte. Schon im Jahre 1765 sang sie als ein vierzehnjähriges Mädchen im Leipziger Großen Concert. Nach wenigen Jahren, in denen sie durch unermüdliches Studium sich weiter ausgebildet hatte, wurde sie der erklärte Liebling des gebildeten Leipziger Publicums.

In der Blüthe ihrer Jugend, gefeiert als Künstlerin, gepriesen wegen ihrer Reize, der junonischen Gestalt, des vollendeten Ebenmaßes der Formen, der anmuthigen Gesichtszüge, der leuchtenden geistvollen Augen, war Corona auch vielumworben. Zu ihren Verehrern gehörte Dr. Karl Wilhelm Müller, später Bürgermeister von Leipzig und hochverdient um die Stadt, ihre Anlagen, und Kunstinstitute, der Gründer des Leipziger Gewandhauses; er hielt um die Hand Corona’s an, doch sie lehnte die Werbung des angesehenen Rathsherrn ab. Dagegen ließ sie sich in einen abenteuerlichen Liebeshandel mit einem Grafen ein, der sie unter trügerischen Eheversprechungen nach Dresden lockte; sie riß sich von ihm los, nachdem sie den Verführer durchschaut hatte, doch sie sollte nicht nur den Schmerz der ersten Täuschung erfahren, sondern auch ihr Leben mit einem Makel behaftet sehen, da die Meinung Robert Keil’s, daß sie auch hierbei ihre fleckenlose Reinheit bewahrt habe, wohl kaum die Ansicht der Zeitgenossen gewesen ist.

Der junge Patriciersohn Goethe war 1765, sechszehn Jahre alt, nach Leipzig gekommen, um sich hier den Universitätsstudien zu widmen. Ebenso genial wie stolz und übermüthig, suchte er Aufsehen zu erregen; seine Kleider waren von einem so närrischen Geschmack, daß sie ihn auf der ganzen Universität auszeichneten. Er sah und hörte Corona im Concerte und war sehr entzückt über „ihre schöne Gestalt, ihr vollkommen sittliches Betragen und ihren ernsten anmuthigen Vortrag“. Er trat ihr auch selbst näher und veranstaltete mit ihr und der ihm befreundeten Breitkopf’schen Familie theatralische Aufführungen. Wie er selbst erzählt, machten ihn verschiedene ihrer Anbeter zum Vertrauten und erbaten sich seine poetischen Dienste, wenn sie irgend ein Gedicht zu Ehren ihrer Angebeteten heimlich wollten drucken und ausstreuen lassen. Es ist wahrscheinlich, daß der junge Dichter auch auf eigene Hand die Sängerin poetisch verherrlicht hat. Im Jahre 1768 ging Goethe von Leipzig nach Frankfurt zurück; doch sollte diese erste Begegnung sich später folgenreich erweisen.

Inzwischen fand Corona einen anderen glühenden Anbeter in Johann Friedrich Reichardt, dem späteren vielgenannten Componisten der Goethe’schen Lieder. Im Frühlinge 1771 war dieser nach Leipzig gekommen, ebenfalls wie Goethe zum Besuche der Universität, wie dieser ein stattlicher Jüngling mit einem Gesichte wie Milch und Blut, und wie dieser auf gewählte, auffallende Toilette bedacht, stutzerhaft in der Wahl himmelblauer und rosarother Farben für das Futter seiner Tuchröcke. Er sah die schöne herrliche Sängerin und empfand für sie eine Leidenschaft, die ihn während seines Leipziger Aufenthaltes ausschließlich beherrschte. Tag für Tag war er in ihrer Gartenwohnung im Richterschen Garten mit ihr zusammen; die Nächte hindurch componirte er Lieder, die sie am nächsten Tage ihm vortrug, obgleich ihre Freundschaft nicht so weit ging, sie in einem öffentlichen Concerte zu singen. Aus Reichardt’s Tagebuchblättern geht hervor, welchen tiefen Eindruck ihr Gesang auf ihn machte, wenn sie namentlich die Hasse’schen Meisterscenen unübertrefflich vortrug: „Besonders eine große Scene aus Hasse’s Artemisia, die mit der Arie schließt: ,Rendetemi il mio ben, numi tiranni,’ konnte man gar nicht oft genug von ihr hören, und es verging selten ein Tag, wo ich sie nicht von ihr mir erbat, aber auch nie habe ich ihr ohne die tiefste Herzensbewegung gelauscht. Dieser hohe Genuß hat mich vielleicht allein zu dem Künstler gemacht, der ich geworden bin.“

Reichardt erfreute die Künstlerin durch sein ausdrucksvolles Clavierspiel, doch erwiderte sie seine Neigung nicht. Als er einmal im Garten wagte, ihr einen Kuß zu rauben, wies sie

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 688. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_688.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)