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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

Moment stehen, und dann zog es gemessenen, elastischen Schrittes weiter, seinen vorangegangenen Gefährten nach.

Das letzte der Thiere war verschwunden; ich hatte mein Skizzenbuch hervorgezogen und war beschäftigt, das schöne Bild auf dem Papiere zu fixiren. Der Mond, welcher schon lange bleich am Horizonte gestanden, fing bereits an zu leuchten und seltsame Lichter zuckten über die weite Wüste und über das Skelet eines seiner schweren Pflicht erlegenen Kameels. Ich bestieg mein liebes Thier, und als ob es wüßte, daß ich heute eile, jagte es in wilder Flucht durch die todtenstille Ebene, Sidi Akba zu.

Albert Richter.




Seelenwanderung, wie se mei Nachber Traugott sich denkt.[VL 1]

Völmals ha ech schonn gedacht:
Was werd aus d’r Seele ware[1],
Wenn se kömmt, de gruße Nacht,
Un se muß von hinnen fahre?

5
Denn das stiht doch bombenfest,

Wenn se hier ’n Leib verläßt,
Muß se a änn neien arbe[2],
Denn was labt, das kann nech[3] starbe.

Un wo werd se nachen[4] sei?
In dar Walt ös se nech merre[5],
Un se kann doch meiner Trei’
Nech in’s Blaue komm su erre,
Un das ös ju a gewöß,
Daß se noch nech fertig ös,
’s muß doch wo ä Flackchen gabe,
Wo se weiter fort kann labe.

No, es göbt ju Walten satt,[6]
All die klänn un grußen Starne;
Jeder Platz de Menge hat,
Un ech denk’ mir’sch gar zu garne:
Miß mer[7] von d’r Arde fort,
Kriech’ mer salt[8] änn annern Ort,
Bis mer alle met’n Jahren
Oemmer haller, besser waren[9].

Sim mer[10] aber fertig erscht[11],
Nachen giht es off de Sonne,
Wo De Dich verwonn’re werscht[12],
Da ös lauter Licht un Wonne,
Da ös alle Nuth vorbei,
A vorbei de Starberei,
Nachen in änn schönnern Leibe
Warn mer höbsch beisammen bleibe.





Der Schwindel vor Gericht. In Nr. 12 der Gartenlaube rügten wir den Schwindel, welcher von Guben aus mit einem angeblichen Mittel gegen die Trunksucht getrieben werde. Die Verfertiger und Verkäufer dieses Mittels, welche der Volkswitz „Saufdoctoren“ genannt hatte, sind vom königl. Kreisgericht zu Guben wegen unbefugten Arzneimittelverkaufs in Untersuchung und Strafe genommen worden. Dabei hat sich herausgestellt, daß von den sieben Angeklagten nicht ein einziger Droguist ist, daß aber von dreien derselben einer wegen Hehlerei und unbefugten Arzneiverkaufs, der Andere wegen Diebstahls und der Dritte wegen Betrugs Geld-, Gefängniß- und Ehrverlustsstrafen erhalten haben. Alle Angeschuldigten sind zu einer bis fünf Wochen Haft verurtheilt worden. Ihr Mittel, das nicht blos die Trunksucht, sondern auch die Lungenschwindsucht vertreibt, besteht lediglich aus Enzianpulver oder -Extract, ist in jeder Apotheke für wenige Groschen zu haben und hilft weder gegen Trunk- noch Schwindsucht. Aber der Aufwand von 2000 Thalern Insertionskosten in einem Vierteljahre lockte so viel Dumme herbei, daß nur vom 1. bis 10. März das kaiserl. Postamt zu Guben an die Beklagten für 900 Arzneisendungen gegen 3000 Thaler Postvorschuß auszuzahlen hatte; eine ganze Jahreseinnahme derselben würde demnach weit über 100,000 Thaler betragen haben.




Drei theure Wochen. Man schreibt uns: „In Ihrem Blatte Nr. 30 veröffentlichen Sie den ‚rügenswerthen Usus‘, daß in klimatischen Curorten Südtirols die Wirthe für Betten, auf welchen ein Curgast gestorben, unverhältnißmäßige Entschädigungen beanspruchten. Dem dort Aufgeführten reiht sich folgende Rechnung an:

F. W. von B. wohnte vom 21. Juni an in einem Hôtel Creuznachs, das wir vorläufig noch nicht nennen wollen, und starb dort am 12. Juli. Für diese circa drei Wochen wurde von dem Hotelbesitzer folgende Rechnung präsentirt:

1
Bettstelle
Thlr.
60 –. –.
1
Sprungrahmen
15. –. –.
1
Matratze
30. –. –.
19
Bettücher à 3 Thaler
57. –. –.
8
kleine Tücher à 1 Thaler
8. –. –.
Tapeten
60. –. –.
Anstrich
20. –. –.
1
Waschtisch
30. –. –.
1
Nachtschrank mit Geschirr
20. –. –.
1
Plumeau
20. –. –.
Teppiche
34. –. –.
Entschädigung für Nichtvermiethbarkeit des Zimmers
1500. –. –.
1
Rechnung für Beköstigung und Logis vom 21. Juni bis 13. Juli
214. –. –.
Rechnung für Auslagen
18. 16. 6.
zusammen Thlr      2087. 12. 6.

Die Hinterbliebenen weigerten sich natürlich, diese übertriebene Forderung zu zahlen, und einigten sich schließlich mit dem Wirthe, indem sie 800 Thaler boten, die dieser annahm.“




Marlitt. Ueber die von uns bereits angekündigte „namenlose Geschichte“ der genannten Dichterin empfingen wir gestern von Marlitt’s Bruder nachfolgende Mittheilung, die wir wörtlich und als Antwort auf die vielen Anfragen zur Kenntniß unserer Leser bringen:

„Meine Schwester beklagt es tief, ihr Ihnen gegebenes Wort auch jetzt noch nicht einlösen zu können, weil ihr Kranksein während des Sommers sie gezwungen hat, ihre Feder oft monatelang feiern zu lassen. Die bisher namenlose Geschichte, welche nunmehr ihren eigentlichen Titel: ,Im Hause des Commerzienraths erhalten noch nicht so weit vorgeschritten, daß die Verfasserin mit Ruhe den Druck sofort beginnen lassen könnte; indeß darf ich Ihnen doch mittheilen, daß die Erzählung nunmehr ihrer alsbaldigen Vollendung entgegengeht.

Mit bestem Gruß                  Ihr

Alfred John.“


Kleiner Briefkasten.

J. H. in Tondern. African von Spir ist am 15. November 1837 im Gouvernement Cherson (Südrußland) geboren, studirte in Odessa, diente dann in der Marine als Officier. Seit 1867 in Deutschland, studirte er in Heidelberg und gab in Leipzig sein erstes philosophisches Werk, „die Wahrheit“, unter dem Namen Prais heraus, dem später mehrere kleine Schriften folgten. Sein Hauptwerk ist „Denken und Wirklichkeit“, dem sich neuerdings „Moralität und Religion“ anreihte. Spir lebt jetzt (verheirathet) in Stuttgart.



Nicht zu übersehen!

Mit dieser Nummer schließt das dritte Quartal. Wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das vierte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.

Außer der Fortsetzung der im dritten Quartal begonnenen Erzählung „Helene“. Tagebuchblätter aus dem russischen Salonleben, liegen für das vierte Quartal noch an Novellen vor: „Der Doppelgänger“ von Levin Schücking und „Vineta“ von E. Werner, Verfasser von „Am Altar“ und „Glück auf“.

Mit Bezug auf die in der heutigen Nummer abgedruckte Mittheilung dürfen wir wohl zugleich die Hoffnung aussprechen, daß unsere verehrte Mitarbeiterin Marlitt noch im Laufe des kommenden Quartals uns und unsere Leser mit Anlieferung der neuen Erzählung überraschen wird. “Im Hause des Commerzienrathes“.

Außerdem eine Reihe interessanter, belehrender und unterhaltender Artikel, deren Titelanzeige wir heute unterlassen.

Die Postabonnenten machen wir noch besonders auf eine Verordnung des kaiserlichen General-Postamts aufmerksam, laut welcher der Preis bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahrs aufgegeben werden, sich pro Quartal um 10 Pfennige erhöht (das Exemplar kostet also in diesem Falle 1 Mark 70 Pfennige anstatt 1 Mark 60 Pfennige). Auch wird bei derartigen verspäteten Bestellungen die Nachlieferung der bereits erschienenen Nummern eine unsichere.

Die Verlagshandlung.
  1. werden;
  2. erben;
  3. nicht;
  4. nachher;
  5. mehr;
  6. genug;
  7. müssen wir;
  8. dort;
  9. werden;
  10. sind wir;
  11. erst;
  12. wirst.

Anmerkungen der Vorlage

  1. Probe aus dem in diesem Jahre erscheinenden sechsten Hefte der „Bilder und Klänge aus Rudolstadt“ von A. Sommer.

    Worterklärungen: 1) werden; 2) erben; 3) nicht; 4) nachher; 5) mehr; 6) genug; 7) müssen wir; 8) dort; 9) werden; 10) sind wir; 11) erst; 12) wirst.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 660. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_660.jpg&oldid=- (Version vom 30.12.2019)