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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

sind doch immer nur zwei bis vier zusammen, sie kommen von verschiedenen Richtungen und trennen sich nach der Zusammenkunft eben so nach allen Seiten, während die Elephanten bekanntlich in Heerden bleiben. Nach Sonnenuntergang fängt erst das active Leben des Rhinocerosses an; dieses ist seine Fütterungszeit, denn am Tage schläft es oder wälzt sich im dicksten Schlamm. Wenn es seinen Magen gefüllt hat, wird es ungeheuer faul, und es ist schwierig, es auf die Beine zu bringen.

Im Jahre 1866 schiffte ich auf einem Segelschiffe zwei Rhinocerosse ein, wovon das Männchen sechs Fuß, das Weibchen fünf Fuß sieben Zoll hoch war. Das Schiff hatte schlechtes Wetter und mußte in Penang einlaufen, wo es drei Wochen blieb, dann ging es nach Mauritius mit wieder drei Wochen Aufenthalt, alsdann lief es in der Capstadt ein, um Proviant und Futter einzunehmen, von da sehr langsam nach Sanct Helena. Hier waren keine Nahrungsmittel für die Thiere zu finden, und wurden dieselben mit Sägespähnen und Holzsplittern acht Tage lang erhalten, bis sie vor Hunger umkamen. Diese Reise dauerte bis London sieben und einen halben Monat; hätte es damals einen Suezcanal gegeben, so hätte Europa zwei Thiere gesehen, welche Erstaunen erregt hätten, denn so etwas Kolossales habe ich vorher und seitdem noch nie gesehen. Der Einkaufspreis nebst Unkosten betrug sechshundertzwanzig Pfund. Jetzt werden wenige oder gar keine indischen Rhinocerosse mehr importirt, da es sich nicht rentirt; die Unkosten sind zu groß, und da die zoologischen Gärten fast alle ein[1] indisches Rhinoceros besitzen, der Berliner deren sogar zwei, so ist keine Abnahme mehr zu erzielen. Unsere besten Abnehmer waren die Amerikaner, was auch bezüglich aller anderen großen Thiere gilt; sie haben uns die größte Unternehmungslust gegeben. Alle zoologischen Gärten, welche bis jetzt das Selbstimportiren versucht haben, haben Geld zugesetzt, und als ich mich vor einigen Tagen über das Heruntergehen der Preise beklagte, erhielt ich zur Antwort; das müsse so sein. Zwanzig Reisen habe ich nach Indien gemacht und mache noch zwanzig weitere, wenn Gott es will. Wünschen die Herren Zoologen aber seltene Thiere zu besitzen, so müssen sie tiefer in die Taschen greifen und den allmächtigen Thaler nicht dreimal herumdrehen, ehe sie denselben ausgeben. Basta!“

Ich habe nicht den Muth, diesen durchweg neuen und am Schlusse sehr charakteristischen Mittheilungen des Herrn Jamrach noch Etwas hinzuzufügen. Hervorheben muß ich aber, daß der genannte Herr sich dadurch allerdings Verdienste um die Zoologie erworben hat, daß er nicht blos die meisten indischen Rhinocerosse, welche sich in Europa befinden, sondern auch andere Arten, z. B. das javanische, das sumatranische und, irre ich nicht, noch weitere zuerst lebend hierhergebracht hat. Die in Deutschland befindlichen sind wohl alle von ihm transportirt: das sumatranische und das indische in Hamburg, die zwei indischen und das javanische in Berlin, das indische in Dresden, ebenso, glaube ich, das indische in Köln, sowie Exemplare dieser Art in der Daggesell’schen und in der Kallenberg’schen Menagerie. Nur die zwei afrikanischen, eines in London, eines in Berlin, jedes mit zwei gewaltigen Hörnern, sind von Casanova aus ihrer Heimath gebracht worden und durch Hagenbeck an ihren jetzigen Aufenthalt gekommen.

L.


Blätter und Blüthen

Die historischen Silberlinge. Pater Faber, der Wallfahrer von Nürnberg, erzählt uns folgende seltsame Wanderung der dreißig Silberlinge, mit welchen nach der heiligen Schrift Judas, der Verräther, für seine Unthat bezahlt wurde.

Nach einer uralten Tradition hat Tharah, Abraham’s Vater, dieselben nebst andern Münzen im Auftrage des Königs Ninus prägen lassen. Nach Tharah’s Tode gelangten sie in den Besitz Abraham’s. Von diesem empfing sie Ismael, von dessen Nachkommen sie, sorgfältig aufbewahrt, endlich in die Hände der Söhne Jakob’s übergingen, als diese ihren Bruder Joseph verkauften. Sie bezahlten damit den Weizen, welchen sie zur Zeit der Hungersnoth in Aegypten kauften. Von hier wanderten dieselben Silberlinge nach dem Lande Saba zum Einkaufe von Waaren. Die Königin von Saba verehrte sie dem Könige Salomo nebst anderen werthvollen Geschenken, und dieser legte sie als geweihte Gabe in den Gottestempel nieder. Von hier entführte sie Nebukadnezar nebst anderen Schätzen und sandte sie Godolias (Gedalja) als Rarität nach Nubien. Nach der Geburt Christi in Bethlehem legte sie Melchior, König von Nubien, zu Füßen des heiligen Kindes nieder, wonach dessen Eltern sie auf der Flucht in der Wüste verloren. Hier fand sie ein Schäfer und bewahrte sie, ihren Werth erkennend, dreißig Jahre lang heimlich auf.

Als derselbe nach dieser Zeit von den Wundern Jesu hörte, kam er nach Jerusalem, um bei ihm Hülfe gegen seine Krankheit zu suchen, und verehrte ihm, als er ihm geholfen, jene dreißig Silberlinge. Jesus aber, der keinen Lohn annahm, gab sie den Priestern des Tempels, die sie in den Gotteskasten legten.

Als Judas Jesum verrathen hatte und die Priester ihm jene Silberlinge als versprochenen Sold gaben, warf er sie in den Tempel zurück. Sie hoben sie auf und kauften dafür einen Begräbnißplatz.

Nach dieser Verwendung sind sie nie mehr beisammen angetroffen worden. Pater Faber will ein Exemplar davon auf Rhodus gesehen haben, von welchem Johann Tücher aus Nürnberg einen Abdruck genommen. Er prägte im Jahre 1485 ähnliche Münzen in Silber. Da die Aufschrift der alten Silberlinge gänzlich verlöscht war, unterschied man auf einer Seite nur noch die Gestalt eines Mannes und auf der andern die einer Lilie.




„Unsere Zeit, deutsche Revue der Gegenwart“, herausgegeben von Rudolf Gottschall (Leipzig, F. A. Brockhaus), gehört seit den achtzehn Jahren ihres Bestehens zu den bestgeleiteten deutschen Zeitschriften, so daß ein längst beabsichtigtes, wenn auch nur flüchtiges Wort der Empfehlung derselben hier an seinem Platze sein dürfte. Ursprünglich eine Ergänzung des Brockhaus’schen Conversations-Lexicons in Form eines Jahrbuches, hat sich das Unternehmen längst Ziele gesteckt, welche über diese seine anfängliche Bestimmung weit hinaus gehen. „Unsere Zeit“ will in des Wortes eigentlichem Sinne eine Rundschau der Gegenwart sein und erfüllt diese Aufgabe in vollem Maße. Sie zieht das Gesammtgebiet der Cultur und der Politik in den Kreis der Betrachtung, indem sie ihren Lesern aus allen Bereichen menschlichen Denkens und Schaffens regelmäßig wiederkehrende und erschöpfende Uebersichten bietet und so ein werthvolles Nachschlagebuch für die Zeitgeschichte bildet. Möge die Aufmerksamkeit des lesenden Publicums sich immer mehr dieser in halbmonatlichen Heften erscheinenden Zeitschrift zuwenden!




Was in Amerika Alles möglich ist. Tweed, der die Stadt New-York um Millionen bestohlen hat, und der im Zuchthause wie ein Fürst lebte, ist, bevor nur ein Jahr seiner Verurtheilung abgelaufen war, wieder frei geworden. Tweed’s Advocaten haben bereits eine halbe Million Geld von ihrem Clienten erhalten. Sie sagen aber, daß sie hiervon den kleinsten Theil für sich eingenommen und behalten hätten. Die einzige Auslegung dieser Ausrede aber ist nicht sehr ehrenhaft für den amerikanischen Richterstand.

Dann Beecher, dieses würdige Seitenstück zu Tweed, mit dessen Scandalproceß sich die Presse fast ein halbes Jahr auf das Ekelhafteste beschäftigte – Beecher, der einer Verurtheilung entging, weil die Geschworenen sich nicht einigen konnten, wurde von jener Kirchengemeinde als ein „Heiliger“ wieder aufgenommen und erhält von ihr dieses Jahr einen Predigergehalt von einhunderttausend Dollars.

Der fast ein halbes Jahr dauernde Scandalproceß dieses Predigers hat dem County Brooklyn an Geld nahezu 80,000 Dollars gekostet, und die verschiedenen Advocaten erhielten: einer 25,000 Dollars, ein Anderer 10,000 Dollars, zwei weitere je 5000 Dollars und drei weitere je 2500 Dollars. Demnach erhielten sämmtliche Advocaten zusammen 52,000 Dollars, und der mit keinem Resultate endende, fast ein halbes Jahr andauernde Proceß hat alles in allem weiter über 10,0000 Dollars gekostet.

D.




Berichtigung. In dem letzten Artikel von Otto Glagau „Die große Zeit und die großen Dinge“ sind folgende Druckfehler zu verbessern: Der Vorläufer und Mitbegründer der „Flora“ ist Rittergutsbesitzer Ludwig Ebers (nicht Ellers). Ferner muß es heißen: Berliner Spediteurverein. Das eingebrachte Inventar (nicht Mobiliar) wurde besonders vergütet.

Admiralsgartenbad. Wenn die Einnahmen nicht noch ganz erheblich wachsen, kann auf eine angemessene Dividende nicht gerechnet werden.

Flora. Der Prospekt wurde nicht nur durch die Zeitungen veröffentlicht, sondern auch couvertirt und den Leuten in’s Haus geschickt.




Kleiner Briefkasten.


Lehrer J. B. in Burtscheid. Die beste Composition von Friedrich Rückert’s Lied „Aus der Jugendzeit etc.“ ist die von Hauptmann, erschienen bei Breitkopf und Härtel.

Elise S., Anna D., Pauline P. in Rostock. Wenden Sie sich an die unter dem Protectorate der Kronprinzessin von Deutschland und Preußen begründete „Allgemeine deutsche Pensionsanstalt für Lehrerinnen und Erzieherinnen“ und lassen Sie sich das Statut derselben einsenden!

C. E. K. Beide Manuscripte sind nicht zu verwenden und stehen zu Ihrer Verfügung.

R. B. in Berlin. Ungeeignet. Verfügen Sie gefälligst über Ihre Arbeit!

W. H. in Köpenick. Feuchtersleben lebt allerdings noch, aber nur in der Erinnerung seiner Leser und Anhänger, die seine „Diätetik der Seele“ als eines der fruchtbringendsten Bücher verehren. Er selbst ruht seit 1849 unter dem grünen Rasen.

L. Andrae in New-York. Der Betrag von fünf Dollars ist richtig eingegangen, wurde aber fälschlicher Weise als aus Köln eingesandt in Nr. 27 quittirt.

  1. WS: Fehlendes e ergänzt.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 628. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_628.jpg&oldid=- (Version vom 30.12.2019)