Seite:Die Gartenlaube (1875) 530.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


wird sein Gesang vor dem Frühjahre nicht wieder beginnen. Nach unseren Erfahrungen schlägt der Araponga während fünf bis sechs Monaten, vom 15. April bis zu Anfang oder Mitte October.

Wie wir vernehmen, sind in der letzten Zeit mehrere Glockenvögel von derselben Species, aus Brasilien stammend, lebend in Europa angekommen, und zwar über Bordeaux. Außer dem unsrigen ist der zoologische Garten in London, sowie der Berliner Garten in den Besitz einiger Exemplare gekommen. Es wäre wünschenswerth, wenn die Einfuhr dieses interessanten Vogels nicht bei diesen wenigen Exemplaren stehen bliebe, und noch wünschenswerther wäre es in wissenschaftlicher Hinsicht, wenn die anderen bereits beschriebenen Species ebenfalls lebend eingeführt werden könnten, denn nicht nur fehlen die nöthigen Anhaltspunkte zu sicherer Bestimmung der verschiedenen Arten, die vergleichende Anatomie hat zur Zeit auch nur bescheidene Notizen über das Genus der Glockenvögel.

N. Funk, Director des zoologischen Gartens zu Köln.




Die Bettlerin mit dem Schleier.
Ein Bild aus der Residenz.
(Schluß.)


„Schnell ergriff Frau von Saremba das Licht, als sie uns bemerkte, und verlöschte dasselbe,“ fuhr Persin in seiner Erzählung fort. „Einen Augenblick umgab uns tiefe Dunkelheit, da ich die Klappen meiner Laterne geschlossen hatte, in der Absicht, meine alte Freundin im Dunkeln zu überraschen. Bald jedoch erleuchtete das blendende Licht das Zimmer und fiel auf die Dame, welche mittlerweile sich tief zusammengeduckt und dadurch die Gestalt meiner alten Freundin angenommen hatte. Ihr Gesicht war schneebleich, und angstvoll ruhte ihr Blick auf uns. Jetzt bemerkte ich auch, daß auf ihrem Haupte eine weiße Lockenperrücke ruhte. Auf dem Tische lag der Augenschirm und der schwarze Schleier, auf dem Bette der seidene Mantel und ein elegantes Tuch.

Ich muß gestehen, daß ich im ersten Augenblicke vollständig unfähig war, das zu erfassen, was sich meinem Blicke darbot. Mein Auge wendete sich instinctiv auf Else, und es war ein beinahe fröhliches Jauchzen, welches meinen Lippen sich entrang, als ich in ihren holden Zügen einen Ausdruck bemerkte, der mich völlig von ihrer Schuldlosigkeit überzeugte. Ich merkte wohl, daß man mit mir eine Komödie gespielt hatte, und – verzeih’ mir Gott! – für einen Augenblick hatte ich Else für die Mitschuldige gehalten. Aber nur für einen Augenblick: die reinen Züge der Geliebten konnten nicht lügen.

Ein peinliches Stillschweigen herrschte. Frau von Saremba fand zuerst den Muth, es zu brechen.

‚Herr von Persin – es scheint – es ist ein Mißverständniß – meine eigenthümliche Lage –‘

Sie sagte das abgebrochen und verlegen erröthend. Mein strenger, vorwurfsvoll fragender Blick unterbrach sie. Sie beugte ihr Haupt und faltete in demüthiger Geberde die Hände über ihre Brust. Mir war noch immer der Zweck dieses Doppelspiels unklar. Hätte meine Liebe zu Else mich nicht zurückgehalten, so würde ich vielleicht das Zimmer wortlos verlassen haben. Aber das junge Mädchen hielt zitternd meinen Arm fest, und ihr bekümmerter und erstaunter Blick irrte unablässig zwischen der Mutter, die ihm scheu auszuweichen suchte, und mir.

Plötzlich trat Frau von Saremba, indem sie hastig die falschen Locken abwarf, auf mich zu. Sie streckte mir beide Hände entgegen.

‚Lassen Sie uns dieser unerquicklichen Situation ein Ende machen!‘ sagte sie ernst und bittend. ‚Ich will Ihnen Aufklärung geben, und dann – mögen Sie von mir denken, was Sie wollen.‘

Sie warf bei diesen Worten stolz ihr Haupt zurück, wie sie es gewöhnlich zu thun pflegte, wenn sie ihrer Rede einen gewissen Nachdruck geben wollte. Es lag aber etwas in dieser Geberde, was stark an die ehemalige Schauspielerin gemahnte.

‚Wie kommst aber Du hierher, Else?‘ wendete sie sich dann an ihre Tochter. ‚Zu dieser Abendstunde, und in der Begleitung eines jungen Herrn? Hab’ ich Dich dazu erzogen? – Wo trafst Du Herrn von Persin?‘

Sie sagte das in streng tadelndem Tone. Else, die der ganzen Scene mit stummem Schrecken zugesehen hatte, warf sich schluchzend und ohne Worte der Mutter in die Arme.

Wie hold und lieb sie war in ihrer süßen Verlegenheit! Einen scheuen bangen Blick warf sie dabei auf mich: Wenn ihr kaum gewonnenes Glück sie jäh wieder verlassen sollte! –

‚Ja,‘ sagte ich, diesen Blick mit Innigkeit erwidernd, ‚ich habe Else gesagt, daß ich sie liebe, daß ich sie mein Eigen nennen möchte für immer –‘

Frau von Saremba richtete auf uns Beide einen heißen, glänzenden Blick innigster Befriedigung.

‚Das ist ein großes Glück für Else und auch für – mich,‘ sagte sie dann ernst und leise, indem sie die Hände wie segnend auf das Haupt ihres Kindes legte. ‚Ich habe das erhofft, frei will ich’s eingestehen, denn ich habe Sie herzlich liebgewonnen, Herr von Persin. Aber,‘ unterbrach sie sich, einen scheuen Blick auf ihre Umgebung werfend, ‚in meinem Glücke hab’ ich vergessen, daß Sie – nach dem Vorhergegangenen – jedem meiner Worte eine andere, von mir nicht beabsichtigte Bedeutung unterlegen werden. Ich will mich zu rechtfertigen versuchen. Kommen Sie fort von hier!‘ sie ergriff heftig meinen Arm; ‚kommen Sie heim! Und Du auch, Else! Es war nur ein Traum, ein wüster, wahnwitziger, und nun ist alles Leid zu Ende – Glück und Friede werden einziehen in Euch und auch in mein Herz vielleicht –‘

Sie erbleichte und wankte. Schnell sprang ich herbei, um sie vor dem Hinsinken zu bewahren. Sanft geleitete ich sie zum Bette. Doch sie raffte sich auf, noch ehe sie das elende Lager berührte. Ihre Augen rollten; ihre Wange glühte.

‚Fort – fort von hier!‘ rief sie athemlos. ‚Bin ich eine Bettlerin? Bin ich nicht Frau von Saremba? Nicht die gefeierte Biedefeld? – Schauspielerin!‘ unterbrach sie sich mit wegwerfender Geberde. ‚Eine Königin bin ich – Elisabeth, die jungfräuliche, und meine Else – ha, ha, ha! – soll reich und mächtig werden. Irdischer Glanz soll Dich umgeben, meine holde, geliebte, einzige Else. Für Dich bettelte ich – für Dich that ich Alles – nun aber ist alles Leid vorbei.‘

Sie ergriff Else und mich bei den Händen und zog uns zur Thür hinaus. Ich mußte die beiden Frauen stützen, denn kraftlos schwankten sie hin und her.

Glücklich traf es sich, daß an dem nahen Halteplatze noch eine Droschke stand. Auf dem Heimwege sprach Frau von Saremba nicht zu uns, nur rang sie die Hände, wie in Verzweiflung, und unverständliche Ausrufe drängten sich auf ihre Lippen.

Als wir endlich im traulichen und hellerleuchteten Wohnzimmer saßen, athmete sie tief und beruhigter auf. Sie sah uns mit einem unbeschreiblich glücklichen Lächeln an. ‚Ist’s denn wirklich wahr, meine Kinder?‘ sagte sie leise. ‚Soll mein stolzer Traum in Erfüllung gehen? Du wirst Baronin von Persin – eine vornehme, reiche Dame?‘ Sie ergriff schnell meine Hand und führte sie, ehe ich es verhindern konnte, an ihre Lippen.

‚O, ich danke Ihnen, Sie guter, edler Mann,‘ rief sie dabei innig. ‚Gott wird Ihnen reichen Lohn geben in Else, die rein ist wie ein Engel.‘ Sie starrte eine Weile schweigend vor sich hin. ‚Wo sahen wir uns zum ersten Male?‘ fuhr sie dann, fast wild, aus ihrem Dahinbrüten empor. ‚War’s nicht in einem stolzen Königsschloß, mit Lichterglanz und Blumenpracht? Ha, ich weiß es jetzt – ein Maskenball war’s, und als Bettlerin hatte ich mich verkleidet. Als Bettlerin! – Und ich führte meine Rolle täuschend durch – war ich doch Schauspielerin! – Ich krümmte den Rücken und hing mir falsche Locken um und belegte das Gesicht mit grauer und weißer Schminke und setzte einen Augenschirm auf, und darüber hing ein Schleier. Ha, ha, ha! Die Bettlerin mit dem Schleier! Ist das nicht komisch? Und

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 530. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_530.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)