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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


schönen Schlosse und setzten die ererbten Traditionen von wohlthuendster Gastfreundlichkeit, feinster Geselligkeit, wahrster Höflichkeit und echtestem Kunstsinne pietätvoll fort. Am eifrigsten aber pflegten sie die Wohlthätigkeit; das Palais Radziwill war eine Freistätte der Armuth. Die Fürsten waren beide Bürger von Berlin, haben auch als solche öffentliche Aemter übernommen und viel Gutes gewirkt.

Bemerkenswerth ist noch, daß die Einwilligung des Kaisers nöthig war, damit zum Verkaufe des Palais geschritten werden konnte; er hatte als Familienoberhaupt noch die Interessen seiner verstorbenen Cousine, der Tochter des Prinzen Ferdinand von Preußen, wahrzunehmen. Nach den Ehepacten war ihr das Eigenthumsrecht an dem Palais zugesprochen.

Als die Möbelwagen auf dem Schloßhofe standen, war es uns vergönnt, noch einmal die ehrwürdigen schönen Räume zu sehen und einen wehmüthigen Abschiedsblick hinein zu werfen. Uns fesselten besonders die Familienbilder: Louis Ferdinand, der Unvergeßliche, der schöne Prinz August, sein jüngerer Bruder, die stattliche Prinzessin Ferdinand, Beider Mutter, und vor Allem die Marmorbüste des Fürsten Anton. Das schönste Familiengemälde ist aber ein lebensgroßes Bild dieses edlen Mannes und seiner Lieblingstochter Elisa. Er hält die zarte Gestalt zärtlich umschlungen, als wolle er sie vor den Stürmen des Lebens schützen. Die Aehnlichkeit der beiden schönen Gesichter ist auffallend und rührend. Ganz dieselbe feine Adlernase, die blauen sanften Augen und die kühne geniale Stirn! Wie sie hier im Leben vereint waren, verband sie auch bald der Tod. Fürst Anton starb 1833 und Prinzessin Elisa 1834.

Aus dem kirchenhohen schönen Treppenhause eilten wir noch einmal in den Garten, seine Felder von Maiblumen, seine Epheumauern, seine blumigen Wiesen, die kühlen Schatten seiner uralten Baumriesen, die grüne Wildniß, wo Nachtigallen und wilde Tauben nisteten, das alles noch einmal zu sehen; wir redeten wie mit lebenden Wesen mit den bemoosten Steinbildern, den Ruheplätzen voll Erinnerungen und nahmen feierlichen Abschied von ihnen.

Schon ist die Mauer gefallen, die den Garten von dem Bismarck’schen Parke trennt. Aus der Zusammenschmelzung der beiden Grundstücke wird bald die großartigste Parkanlage Berlins entstehen, und es ist allerdings als ein Glück zu betrachten, daß dem organisatorischen Talent unseres Reichskanzlers die Bestimmung hierüber zugefallen ist. Er wird die Schönheit des Palais Radziwill gewiß so vollkommen erhalten, daß es der Residenz des Kaisers noch immer zum Schmucke gereicht.




Die Bettlerin mit dem Schleier.
Ein Bild aus der Residenz.
(Fortsetzung.)


Nach einer Pause fuhr Persin in seiner Erzählung fort:

„Ein niedliches Dienstmädchen öffnete auf mein Schellen die Thür und sagte mir, nachdem sie mich den Damen angemeldet, es werde der gnädigen Frau sehr angenehm sein, mich zu empfangen. Dann geleitete mich das hübsche Kind in ein Zimmer, wo sich Niemand befand, sodaß ich hinlängliche Muße hatte, die freundliche, doch immerhin etwas verbrauchte, von entschwundenem Glanz zeugende Einrichtung des Gemaches, an welches sich noch ein kleineres Stübchen schloß, in Augenschein zu nehmen.

Da wurde eine Thür in diesem Nebenzimmer geöffnet, und eine Dame näherte sich mir langsam. Es war Frau von Saremba. Sie begrüßte mich höflich, wenngleich ein wenig zurückhaltend, doch jede Vorschrift des feinsten Tones wahrend. Nachdem sie mir einen Sessel angeboten, nahm sie auf einem Divan Platz. Diese Frau von Saremba war eine Dame von etwa vierzig Jahren, mit feinen, durchgeistigten Zügen, tiefschwarzem Haar und dunkelblauen Augen, von mittelgroßer, schlanker Gestalt, genug, eine nicht mehr junge, doch überaus anmuthende und vornehme Erscheinung.

Unsere Conversation war anfangs etwas nichtssagend, da Frau von Saremba meinen Besuch nur als einen pflichtschuldigen Zoll, welchen ich dem guten Ton abzutragen hatte, aufzunehmen schien, während ich in Gedanken damit beschäftigt war, den besten Weg zu suchen, mich meinem Ziele zu nähern, das heißt das Gespräch auf meine Bekanntschaft in der A.-straße zu bringen. Aber es wollte mir dies durchaus nicht gelingen. Frau von Saremba hielt hartnäckig an jener leichten Unterhaltung fest, welche eigentlich nur unsere Sprechorgane in Anspruch nimmt, mit dem Denkvermögen aber nichts zu thun hat. Auch die Tochter hätte ich gern gesehen, doch sie erschien nicht. Ich hatte eigentlich meinen Besuch schon über die herkömmliche Zeitdauer ausgedehnt, und es war die höchste Zeit, mich endlich zu erheben, wenn ich nicht tactlos erscheinen wollte. Unwillkürlich richtete ich dabei meinen Blick auf die Thür, durch welche die Dame eingetreten war, doch sie blieb jetzt geschlossen. Frau von Saremba hatte – das sah ich wohl – meinen Blick bemerkt, aber ihre Miene wurde noch kühler.

Es kam mir Alles in diesem Hause so unnahbar vor, daß ich anzunehmen versucht war, meine Mühe sei eine vergebliche gewesen. Mit den conventionellen Redensarten begann ich nun mich zu verabschieden, da sagte die Dame: ‚Else, das heißt meine Tochter, wird bedauern, den neuen Hausgenossen heute nicht kennen gelernt zu haben; sie ist auf einem kleinen Spaziergange mit einer Freundin. – Ich kann Ihnen leider nicht die Aussicht auf größere Gesellschaften in meinem Hause geben, Herr von Persin, aber ich sehe bisweilen einige bewährte, ältere Freunde bei mir; wenn Ihnen ein solcher Kreis nicht ganz unlohnend erscheint, so hoffe ich, Sie bisweilen bei mir zu sehen. Wir wollen‘ – es lag viel Verbindliches in ihren Worten – ‚gute Nachbarschaft halten.‘ Damit war ich entlassen.

Nachdenkend ging ich in meinem Zimmer auf und ab. Von dieser Frau war für meine alte Freundin wenig zu hoffen. Da war viel äußerer Schliff, aber – so schien es mir – wenig Herz. Am Abend ging ich nach der A.-straße. Ich überlegte, ob ich der alten Frau meine Erlebnisse mittheilen sollte, kam aber zu dem Resultate, daß es besser sei, dies zu unterlassen. Wozu in dem ohnehin von Gram gepreßten Herzen Hoffnungen wecken, die sich vielleicht nicht erfüllen würden!

Die Dachkammerthür war geschlossen. Ich klopfte und hörte ein leises Rauschen seidener Stoffe. Endlich öffnete meine Freundin. Es war dunkel in dem Zimmer; das Rauschen wurde durch den alten seidenen Mantel verursacht, in welchen meine Freundin, um sich gegen die Kälte zu schützen, sich gehüllt hatte. Ich wollte Licht machen, doch sie bat mich, dies zu unterlassen, da sie heftige Augenschmerzen habe, auch sonst sich nicht recht wohl fühle. Ich erklärte, einen Arzt holen zu wollen, doch auch daran verhinderte sie mich. Es werde schon so wieder besser werden, meinte sie. Ein Armer dürfe sich nicht verwöhnen. Da sie sich recht schwach zu fühlen schien, wollte ich nicht lästig fallen und zog mich bald zurück, was ihr heute nicht unangenehm zu sein schien.

Meine Hausgenossin sah ich in den nächsten Tagen nicht, obgleich ich absichtlich häufig meine Wohnung verließ und wieder dahin zurückkehrte. Eines Morgens brachte mir mein alter Diener Albrecht einen Brief. Als ich ihn geöffnet hatte, fiel eine zierliche Karte heraus, mit folgender Inschrift: ‚Frau von Saremba, geborene Biedefeld, giebt sich die Ehre, Herrn Baron von Persin zu einer Tasse Thee für heute Abend, sieben Uhr, ergebenst einzuladen.‘

Das war die Handschrift einer jungen Dame – der Tochter wohl. Erstaunt und auch erfreut las ich diese Zeilen. Ich hatte gefürchtet, daß Frau von Saremba nur aus Höflichkeit von einer Einladung gesprochen, daß sie den näheren Verkehr mit einem jungen Manne nicht wünsche.

‚Frau von Saremba, geborene Biedefeld‘, stand auf der Karte. Wo hatte ich den letzteren Namen doch schon gehört? Halt! Hatte meine alte Freundin mir nicht gesagt, sie sei eine geborene von – von Biede – feld – berg oder so etwas Aehnliches? Merkwürdige Uebereinstimmung der Namen, wenn ich mich nicht irrte. Fast räthselhaft war’s zu nennen. Nun, ich konnte mir

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 513. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_513.jpg&oldid=- (Version vom 23.7.2019)