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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


Thema: Hoffnung und Erinnerung, und vom Kaiser: Die Gedanken Rüdiger Starhemberg’s, als er auf dem Stephansthurme das Herannahen der Hülfstruppen sehnlichst erwartet und endlich die Raketen steigen sieht, die ihr Kommen verkünden. Später spielte Servais, ebenfalls ein Belgier, entzückend auf seinem Instrumente. Mit ihm zugleich war damals Bohrer aus Stuttgart in Wien, und beide Künstler hatten stets volle Häuser. Zu jener Zeit sprach man in der Kaiserstadt noch nicht von Politik; Börsenspiel und Gründungen kannte man nicht, und mit dem größten Ernste, ja sogar mit Erbitterung, stritten sich die Wiener, wer größer sei, Servais oder Bohrer, während die Kenner jedem der großen Virtuosen seine eigenthümlichen Vorzüge gestanden.

Jetzt wurde Anton Rubinstein aufgefordert, sich hören zu lassen. So viel ich mich erinnere, trug er noch die damals übliche Knabentracht, nämlich eine feine Tuchjacke, über welcher ein breiter, weißer Kragen von Jaconnet geschlagen war. Reiche, natürliche Locken schmückten den Kopf des genialen Kunstjüngers, und ein blitzendes Augenpaar belebte die rosigen, kindlichen Züge. „Das Kind ist der Vater des Mannes“, sagt das Sprüchwort. Es ließ sich auf Anton Rubinstein’s schönes Spiel damals anwenden. Der Kaiser, selbst ein guter Pianist, widmete Rubinstein viele Aufmerksamkeit und redete später längere Zeit eingehend über seinen Vortrag.

Jeder der anwesenden Künstler erntete reichen Beifall. Während Erfrischungen herumgereicht wurden, sprachen die Herrschaften mit den Anwesenden. Der Kaiser bediente sich den Ausländern gegenüber der französischen Sprache; zu mir sagte er mit einem Anfluge von Wiener Dialect: „Das könnt’ ich nit, und gefreut hat es mich, daß Sie, als Sie über die Blume sprachen, gerade eine meiner Lieblingsblumen gewählt hatten, den Agapanthus. Lieben Sie die Blumen?“

Ich bejahte; der Kaiser fuhr fort: „Blumen sind auch etwas Schönes, Blumen und Musik.“

„Und Poesie,“ fügte die Kaiserin-Mutter hinzu.

Die Herrschaften sagten noch viel Liebenswürdiges, und gerade der Wiener Dialect ließ jedes Wort sehr gemüthlich klingen.

Bevor ich heimfuhr, sagte Herr Servais zu mir: „Verkaufen Sie mir das Blatt, auf welches Ihnen die Herrschaften Worte geschrieben haben.“ Das that ich aber nicht. Die Grafen Amadé und Dietrichstein unterhielten sich, als wir durch die Vorgemächer gingen, noch mit uns Künstlern. Herr Servais sagte etwas unbedacht: „Ich bin erstaunt über des Kaisers vortreffliches Französisch,“ worauf Graf Dietrichstein entgegnete: „Seine Majestät sprechen ebenso geläufig Italienisch und überhaupt die Sprachen seiner Lande, nur nicht viel Polnisch.“ Oft hörte ich von Personen, die es wissen und beurtheilen konnten, daß Kaiser Ferdinand schöne Kenntnisse in den Naturwissenschaften besitze. Leider kennen selbst die geistvollsten, strebsamsten Aerzte bisjetzt noch kein Mittel gegen die Krankheit, welche im Jahre 1848 eine der Hauptursachen war, weshalb der Kaiser Ferdinand abdankte und sich später immer seltener öffentlich zeigte.

Zum Feldherrn und Gesetzgeber war Ferdinand der Fünfte nicht geboren, aber von dem schönsten Vorrechte des Regenten, von dem, Gnade walten zu lassen, machte er so oft wie möglich Gebrauch. Als vor seiner Thronbesteigung in Preßburg ein Mordversuch auf ihn gemacht wurde, waren des damaligen Kronprinzen erste Worte: „Man verfahre mild mit dem Manne! Es ist mir ja nichts Uebles geschehen.“ Ein hoher Officier sagte mir einst, daß auf ausdrücklichen Wunsch des Kaisers die vierzehnjährige Dienstzeit der Soldaten auf acht Jahre herabgesetzt worden sei, und gewiß werden andere Schriftsteller noch viel von der Herzengüte des Kaisers erzählen, der wie sein Ahnherr Rudolph der Zweite auch Jahre lang das Schloß auf dem Hradschin bewohnte, aber nicht, wie dieser, von Astrologen und Gauklern umgeben und erfüllt von Mißtrauen, sondern an der Seite einer edlen frommen Gemahlin, allen Menschen das Beste gönnend, Wohlthaten spendend bis zum letzten Athemzuge.

Karoline Pierson.




Das Vaterlandsfest in der Schule. Die von Friedrich Hofmann gedichteten, von Julius Otto Musik gesetzten „Kinderfeste“ („Schulfest“, „Pfingstfest“, „Weihnachtsfest“) sind einem großen Theile unserer Leser hinlänglich durch die zahlreichen gelungenen Aufführungen bekannt, die sie seit zwanzig Jahren weit und breit in Stadt und Dorf gefunden haben. Ueberall hat sich der Erfolg dieser musikalisch-declamatorischen Festspiele als ein vortrefflicher gezeigt. Da aber eine allzugroße Häufung solcher Veranstaltungen ihrem eigentlichen Zwecke nicht entsprechen würde, hätten sicher die Verfasser an den drei von ihnen bearbeiteten Festmomenten sich genügen lassen, wenn nicht mit dem inzwischen erfolgten Umschwunge unserer vaterländischen Verhältnisse ein neues Bedürfniß sich ihnen gezeigt, eine neue und unzweifelhaft ernste Verpflichtung an sie herangetreten wäre. Nun handelte es sich darum, eine zugkräftig in die Herzen greifende, dramatisch abgerundete Schöpfung auch jenen Festen zu bieten, die jetzt an besonderen Gedenktagen (Sedanfest etc.) zur Erinnerung an die letzten Großthaten des deutschen Heeres und an die Wiederaufrichtung des Reiches in den deutschen Schulen gefeiert werden. So entstand die poesiewarme, in Wort und Ton von edler Vaterlandsliebe durchwehete Dichtung „Das Vaterlandsfest“ von Friedrich Hofmann, Composition von Julius Otto. Es ist Kraft, Bewegung und Begeisterung in der ganzen Entfaltung, und wir sind überzeugt, daß die Aufführungen überall einen guten Erfolg haben werden. Das binnen Kurzem (bei Glaser in Schleusingen) im Druck erscheinende „Vaterlandsfest“ ist also unbedingt den Eltern und Lehrern zu empfehlen, denen es um eine wirklich erhebende und wahrhaft patriotische Feier der Nationalfeste in den Schulen zu thun ist.




Zwei Cabinetsordres Friedrich’s des Großen. Im Jahre 1755 ward auf Befehl König Friedrich des Zweiten, der deshalb eine eigene Cabinetsordre, d. d. Potsdam, den 25. October, an den jüngeren Franke (Sohn des Stifters des Halleschen Waisenhauses August Hermann Franke), als damaligen Director des königlichen Pädagogii (innerhalb jener Stiftungen) erließ, ein eigener Tanzmeister angestellt, und der Commandeur des zu Halle garnisonirenden Anhalt-Dessauischen Regiments, Oberst von Pritzen, bekam zugleich die Ordre, von Zeit zu Zeit bei den Tanzlectionen gegenwärtig zu sein und nachzusehen, wie der Unterricht von statten gehe. Als hierauf Letzterer unter dem 1. November dem König berichtete, „er habe den Professor Franke billig und bereit gefunden, alle dem Folge zu leisten, was Se. Majestät befohlen, es sei auch ein guter Tanzmeister, Namens Greiß, angestellt worden, er habe den Lectionen selbst zugesehen und gefunden, daß er die Leute gut dressire, ihnen anfänglich eine gute Stellung, Reverence und Pas, auch Tours weise, und ihm aufgegeben, nun seine Schüler auch Menuets zu lehren, damit sie nach seiner Rückkunft vor ihm tanzen könnten,“ – erließ der König eine zweite Cabinetsordre, worin es unter Anderem heißt: „Es ist mir sehr lieb gewesen, daß auf dem dortigen Pädagogio ein Tanzmeister zur Information der jungen Edelleute aus meinem Lande bestellt ist. Im Uebrigen declarire ich hierdurch, daß dieses Tanzen auf dem Pädagogio nur pur (rein, ausschließlich) für die Edelleute aus meinem Lande sein soll; denn was die anderen und die ausländischen Edelleute anbetrifft, da stehet solchen frei, nach eigenem Gefallen das Tanzen zu lernen oder nicht, als wonach, ob solches geschehe oder nicht, ich gar nicht frage.

     Potsdam, den 5. November 1755.

Friedrich.




Zwei Herrgottshändler.
Mit Abbildung.

     Er ißt ein hartes Stücklein Brod,
Ach, lauter dürre Rinde,
Der Herrgottshändler in der Noth
Mit seinem Weib und Kinde.

     Er zieht, sie schiebt den Wagen fort
Im heißen Straßenstaube, –
Gottlob! ein Wirthshaus winket dort
Mit schmucker Erkerlaube.

     Und lustig ist’s im Schatten kühl;
Wo froh die Leute scherzen,
Da regt auf menschlich Mitgefühl
Die Hoffnung sich im Herzen.

     Der Wagen hält – das arme Weib,
Ihr schreiend Kind zu stillen
Zwingt sie den kraftberaubten Leib
Mit ihrem Mutterwillen.

     Wie nah’ sich wähnt der Mann am Ziel!
Da sitzen vor dem „Besten“
Zwei höhere Kutten beim Kartenspiel
Am Tisch mit Bauerngästen.

     Mit Fleh’n und Bitten beut er dar,
Mit ehrfurchtsvollen Knixen
Den hohen Herren seine Waar’
An Bildern und Crucifixen.

     Doch mit empörten Stolzes Sturm,
Im Spiel gestört zu werden,
Spricht Pfaffenmund herab zum Wurm,
Der knieet auf der Erden:

     „Laßt mich in Ruhe, Bettelzeug!
Ihr seid so dumm wie Kälber!
Den Herrgott kauf’ ich nicht von Euch,
Verkauf ich ihn doch selber.“




Die Mythologie als Bilderspiel. Die Nürnberger Kunst- und Spielwaarenverlagshandlung von G. Maar, welche bei der Wiener Weltausstellung für ihre Leistungen sich ein Anerkennungsdiplom erworben, bietet der Kinderwelt auch die Figuren und Gruppen der Götterlehre der Alten in bunten Lithographien, zum Aufstellen und beliebigen Gruppiren eingerichtet, als Spielwerk dar. Eltern können mit einer Auswahl aus dem sehr reichen Vorrathe ihren größeren Kindern die Einprägung der wichtigsten mythologischen Namen durch dieses Bilderspiel erleichtern; wenn die Großen sie weglegen, bleibt für die Kleinen immer noch ein farbenbelebtes Spielzeug übrig.




Kleiner Briefkasten.

A. M. in Charkow. Zur Vertreibung der Ameisen, auch der rothen (Formica rufa), die Ihre Hauptplage ist, dienen ganz sicher todte, schon übelriechende Fische, welche die Ameisen wie die Pest fliehen, die aber freilich die Menschen ebenso geschwind vertreiben würden; gute Dienste thun in dieser Beziehung aber auch Petersilie und Kerbel. Schon ein oft gebrauchtes Fischnetz, oder auch nur Lumpen, die mit Schuppen oder Eingeweiden von Fischen durchmengt und wieder getrocknet sind, reichen hin, einen Ort von Ameisen zu säubern. Nicht weniger sind denselben Theer, Thran, Spieköl, Hollunderblüthen, frisch wie getrocknet, zuwider.

A. v. T. in Dresden. Ihr ebenso liebenswürdiger wie bescheidener Brief veranlaßt uns, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß unsere Ablehnung Ihrer Novelle durchaus nicht ein Mißtrauensvotum gegen Ihre literarische Leistungsfähigkeit sein sollte. Wir bitten Sie im Gegentheile, Ihr hübsches Talent nicht unbenützt zu lassen und uns gelegentlich eine neue Probe desselben zu unterbreiten.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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