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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

Anderes, als ich durch den Gewaltact erreichen möchte. – Was willst Du? Was führt Dich jetzt hierher?“

Die letzten Fragen richtete der Präsident an seine Tochter, welche unerwartet aus dem Seitenwege an ihn herangetreten war.

„Ich habe in der Laube gesessen und Dein Gespräch mit dem Förster gehört,“ erklärte Hulda in einem Tone, der noch um einige Grade eisiger klang als gewöhnlich.

„Das heißt, Du hast gehorcht.“

Das Fräulein antwortete auf diesen Vorwurf durch einen Blick, der Alles, nur nicht kindliche Ehrerbietung ausdrückte.

„Ich wollte im Gegentheil, ich wäre heute etwas schwerhöriger,“ sagte sie dann mit einer leisen Neigung des schönen Hauptes nach dem Gartenhause hinüber. „Aber Du behandelst heute alle Fragen so ungewöhnlich öffentlich –“

„Was soll das Geschwätz? Was willst Du?“

„Dich nochmals warnen. Du betrittst eine gefährliche Bahn.“

„Ich habe schon einmal Deinen gütigen Rath höflich dankend ablehnen müssen,“ erwiderte Herr von Straff mit kaltem Hohne. „Auch ich bin ein Arzt meiner Ehre und liebe kräftige Mittel. Der Graf, die Comtesse, der ganze Hof glauben nun einmal, daß Dir der Junker zu Gunsten dieser Mamsell Hartmann das Wort gebrochen hat. Bist Du ein solcher Eisball, um die Nothwendigkeit einer genügenden Rache nicht zu empfinden, so will ich an Deiner Stelle –“

Die junge Dame unterbrach ihren Vater.

„Halt ein!“ rief sie. „Du wirst mir erlauben, an dieses Possenspiel nicht mehr zu glauben. Du verschwendest nunmehr vergeblich Deine Worte.“

„Was soll das heißen?“

Hulda zog aus ihrer Tasche den bewußten rosenrothen Briefbogen. „Kennst Du diesen Brief?“ fragte sie dann. „Willst Du noch bestreiten, daß alle diese Ränke aus einem ganz anderen Grunde angesponnen werden, als Du angiebst? Willst Du leugnen, daß Du nicht um meinetwillen, sondern aus Eifersucht Rache brütest?“

Der Präsident schwieg nur einen Augenblick betroffen.

„Woher hast Du diesen Brief?“ rief er dann. „Durchwühlt man auch meine Papiere? Her das Papier, sag’ ich!“

Hulda reichte den Brief gelassen ihrem Vater hin, der ihn sofort zerriß.

„Wozu die Leidenschaft?“ bemerkte das Fräulein. „Daß wenigstens ich ruhig bin, siehst Du wohl klar daraus, daß ich dieses Schriftstück, das ich übrigens ganz zufällig unter Deinen Zeitungen fand, seit einer Woche in der Tasche trage, ohne es Dir gegenüber zu benutzen. Nun hat es seinen Zweck erfüllt und –“

„Welchen Zweck?“

„Mich über Deine rücksichtsvolle väterliche Zärtlichkeit vollends aufzuklären.“

„Wenn ich Dir nun aber sage, daß dieses Papier nur einen Scherz, gewissermaßen nur eine Stylprobe enthalte, daß nie ein Brief dieses Inhalts an diese Adresse abgegangen sei?“

„Das wirst Du nicht sagen wollen, denn ich weiß auch ganz zufällig, aber völlig sicher von der Comtesse selbst das Gegentheil, und ihr glaube ich in diesem Punkte mehr als Dir.“

Der Präsident stampfte ingrimmig mit dem Fuße und wandte sich dann schweigend dem Ausgange des Gartens zu.

„Noch ein Wort,“ rief ihm Hulda nach. „Ich möchte Dir sagen, daß ich fest entschlossen bin, keine weiteren Beeinträchtigungen meiner Ehre zu dulden. Es soll Niemand glauben, daß diese abscheulichen Ränke gesponnen werden, weil ich das Glück der Mamsell Hartmann eifersüchtig beneide. Ich bin fest entschlossen, Vater. Täusche Dich nicht!“

„Was heißt das?“

„Wenn Du mir nicht hier auf der Stelle versprichst, jede feindselige Maßnahme gegen den Domänenrath und seine Tochter sofort einzustellen, so schwöre ich Dir bei meiner Ehre, daß ich noch in dieser Stunde die Comtesse und dann den Grafen selbst über die ganze Sachlage aufklären werde.“

In den Augen des Präsidenten leuchtete ein gefährliches Feuer auf, aber er bezwang gewaltsam seinen Grimm.

„Hier ist wohl nicht der Platz, diese wichtige Frage zu behandeln,“ sagte er dann scheinbar ruhig. „Wir haben vielleicht auch feinhörige Nachbarn, die ich nicht zu Zeugen unseres Gesprächs machen möchte. Ist es Dir also gefällig, so besprechen wir das Weitere oben im Zimmer.“

Hulda verneigte sich zustimmend und verließ mit ihrem Vater den Garten. Schweigend gingen beide durch den Hausflur und die Treppe hinauf. Dort öffnete der Präsident die Thür eines kleinen Hinterzimmers und lud seine Tochter durch eine Bewegung ein, näher zu treten.

„Warum hier?“ fragte die junge Dame kurz.

„Weil ich diesen Platz für den sichersten halte,“ entgegnete der Alte bestimmt.

Hätte das Fräulein ihren Vater bei diesen Worten angesehen, so würde der tückische Blick seiner grau-grünen Augen sie vielleicht gewarnt haben. Aber sie dachte an keine Gefahr und merkte daher erst, als die Thür hinter ihr zugeschlagen und verschlossen wurde, daß sie eine Gefangene sei.

„Nun gehe zur Comtesse und zum Grafen!“ rief ihr der Alte höhnisch zu. „Merkst Du nun, daß man meine Pläne nicht ungestraft durchkreuzt? Nur fein ruhig, meine Tochter! Ich werde sorgen, daß Du Deiner Haft entlassen wirst, sobald Du mir nicht mehr schaden kannst. Adieu!“

Der Präsident zog den Schlüssel des Zimmers ab und stieg dann die Treppe wieder hinab, um in seinem Zimmer Toilette zu machen und das Haus zu verlassen.

(Schluß folgt.)




Plaudereien aus Rom.
von Hermann Oelschläger.
II.
Uebergangsstadien. – Der römische Adel. – Der Fürst Borghese und Beatrice Cenci. – Die Fleischtöpfe der päpstlichen Regierung. – Die Bettelei. – Die Wohnungsnoth. – Religiöser Trieb. – Die Bauernflora der römischen Campagna. – Die Bretter von der Jesuskrippe. – Reliquien um Reliquien. – Moderner Götzendienst. – Der Römer als Bummler. – Das Wesen des Römers. – Classische Reminiscenzen. – Die Lebensbehaglichkeit in Rom.

Daß Victor Emanuel in Rom noch gar manche Schwierigkeiten zu überwinden hat, vermag man leicht zu erkennen, und wenn auch die vielen und umfassenden Neubauten auf dem Terrain des Quirinals den höchst erfreulichen Beweis davon ablegen, wie der König von hier aus seine Wohnung gewiß nicht mehr zu verlassen gedenke, sondern sich vielmehr in derselben so häuslich wie möglich einzurichten bestrebt sei, so mag er doch auch – wie sein Volk – nicht wenig unter den Bitterkeiten und Verdrießlichkeiten leiden, mit welchen ein Uebergangsstadium noch immer verknüpft gewesen ist.

Der römische Adel, die römischen „Fürsten“ sind zum größten Theile päpstlich gesinnt und halten sich vom königlichen Hofe und seinen Festen mit nur wenigen Ausnahmen fern. Einige haben sich sogar von ihrer Abneigung gegen den neuen Zustand der Dinge so weit hinreißen lassen, daß sie, seit die Buzurri, wie der Römer spottweise die Piemontesen nennt, in Rom sind, ihre Paläste und selbst ihre Gärten geschlossen haben, die sonst dem Fremden wie dem Einheimischen zum Besuche und Genusse gleich bereitwillig geöffnet waren. Eine ergötzliche Geschichte erzählt man sich dabei von dem Fürsten Borghese, der sich seiner Zeit gleichfalls ganz unwiderstehlich von der Lust angewandelt fühlte, eine ähnliche papstfreundliche Demonstration in Scene zu setzen und seine berühmte Galerie, nach dem Vatican die bedeutendste in Rom, sowie die nach ihm benannte Villa vor der Porta del Popolo fortan geschlossen zu halten. Die italienische Regierung aber bekam zur rechten Zeit Wind davon und erinnerte sich auch ebenso rasch daran, auf welche eigenthümliche Weise, wie männiglich bekannt, das Haus Borghese seiner Zeit in den Besitz eben dieser Kostbarkeiten, um die es sich hier handelte und deren Genuß fortan dem Publicum neidvoll entzogen werden sollte, gekommen sei.

Das vor dem Thore del Popolo gelegene, über eine

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 414. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_414.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)