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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


No. 25.   1875.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennige. – In Heften à 50 Pfennige.



Zwei Diener.
Eine Hofgeschichte aus der Patriarchalzeit.
(Fortsetzung.)


„Komm einmal hier neben mich, Oberlandjägermeister!“ fuhr der Graf fort. „Will Dir etwas im Vertrauen sagen. Nicht wahr, wenn man mit dem Landesherrn reitet, so zieht man eigentlich seine besten Kleider an?“

„Errrlaucht befehlen?“ stotterte der Oberlandjägermeister verlegen, da er den nahe liegenden Sinn der Rede gleichwohl nicht zu verstehen schien.

„Befehle jetzt gar nichts, meine aber, daß Du heute wohl Deine bessere Uniform hättest anziehen können.“

„Aberrr halten zu Gnaden, Errrlaucht, das ist meine allerrrbeste Uniform, und wenn sie jetzt nicht mehrrr gut ist, so ist nurr das letzte Gewitterrr daran schuld, Errrlaucht.“

„Bah, mach’ mir nichts weis, Holderbusch! Echtes Gold leidet vom Regen nicht.“

„Aberrr vom Blitze, Errrlaucht. Verrrgangenen Donnerrrstag errrwischt mich das Gewitterrr rrrichtig im Forrrste. Errrlaucht, das warrr ein Rrregen, als ob die Fische und Frrrösche darrrin nach den Wolken hinauf schwimmen sollten, und Hagelkörrrner gab’s, wahrrrhaftig fast wie die Kegelkugeln, Errrlaucht, und ein Sturrrm blies, daß er die Felsblöcke wie die Kegel überreinanderrr herrrumkollerrte.“

„Und dieser schauderhafte Orkan hat Dich nicht fortgeweht, Holderbusch?“ fragte der Graf mit erzwungenem Ernste.

„Ja, wie das zugegangen ist, weiß ich selbst nicht. Wenn ich den Chrrristian rufen dürfte, Errrlaucht. Vielleicht besinnt errr sich besserr.“

„Nein, laß’ den Christian in Ruh, sag ich, und erzähle mir weiter von dem schrecklichen Wetter und namentlich von dem bewußten Blitze!“

Ein Blitz, Errrlaucht? Zehn warrren es mindestens immerrr auf einmal; natürrrlich fuhren sie stets nach dem guten Golde an meinerrr Uniform. Ich fühlte, wie sie um meinen Hals herrumliefen, wie eine Schlange, und so zog ich denn selbstverständlich sogleich den Rock aus. Ich dachte, besserrr das Gold verrrlorrren, als das Leben. Habe ich nicht Rrrecht, Errrlaucht?“

„Natürlich, lieber Holderbusch,“ bestätigte der Graf. „Es wäre ja jammerschade, wenn ein solches Original, wie Du bist, zu Grunde ginge, wenn auch die wunderbare Weise solchen Untergangs Deiner ganz würdig wäre.“

„Errrlaucht sind allzugnädig.“

„Gnädiger noch, als Du denkst, denn – diesen Weg mache ich nur um Deines Sohnes willen.“

„Um meines Kurt willen, Errrlaucht?“

„Ja wohl. Er hat, wie ich höre, ein zartes Verhältniß mit der Tochter des Domänenrath Hartmann. So will ich denn das Meine thun, um ihn zum glücklichen Ehemanne zu machen.“

„Welche Gnade, Errrlaucht, aberrr, aberrr –“

Der Oberlandjägerineister kraute sich, ohne den Satz zu vollenden, verlegen hinter dem Ohre.

„Nun, was erregt noch Dein Bedenken, Holderbusch?“ fragte der Graf, dem die Verlegenheit des Oberlandjägermeisters nicht entgehen konnte. „Ist es noch nicht genug, wenn ich so für den Kurt sorge?“

„Ach Errrlaucht, was mich betrifft, so bin ich ja natürlich sehrrr zufrieden damit, aberrr, aberrr, meine Frau, ja, ja, meine Frau –“

„Wer ist denn eigentlich von Euch Beiden der Mann? Mir scheint fast, als ob Frau Hildegard Adelgunde von Holderbusch, geborene Freiin von Moosgrund, Dich trotz Deiner sonstigen Heldenthaten gewaltig unter dem Pantoffel hätte.“

„Meine Frrrau? Mich?“ rief Holderbusch, indem er sich in die Brust warf. „Das denken Errrlaucht nicht im Ernste, denn das wärrre auf Ehrrre sehrr krrränkend fürr mich.“

„Laß’ gut sein, Holderbusch!“ sagte der Graf einlenkend, da er in seiner Gutmüthigkeit fürchtete, dem Oberlandjägermeister wirklich weh gethan zu haben. „Ich selbst will ein vernünftiges Wort mit Deiner Gestrengen reden, und sie wird ja dann wohl nachgeben, besonders wenn etwa noch nebenbei ein hübsches Sümmchen abfiele, das man brauchen kann, um den Stand würdig zu repräsentiren. Soll mir auch nicht auf ein Stück hochadliges Pergament und ein schön gemaltes Wappenschild für die bürgerliche Schwiegertochter ankommen. Verstanden?“

Weder der Graf noch sein Oberlandjägermeister hatten bemerkt, daß während ihres wichtigen Gesprächs der Präsident von Straff, der anfangs neben ihnen geritten war, allmählich immer mehr zurückblieb, bis er sich endlich an der Seite seines Dieners befand.

„Johann,“ sagte er dann leise, „hier bereiten sich wichtige Dinge vor. Ich habe mit diesen meinen Ohren gehört, daß der Graf nicht nach dem hiesigen Schlosse reitet, sondern wahrscheinlich zum Domänenrath.“

„So?“ warf Johann ein. „Dann hat sicherlich die Comtesse unseren gnädigsten Herrn für ihre Pläne gewonnen.“

„Das muß unter allen Umständen vereitelt werden, Johann, und sollte es das Aeußerste kosten.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 409. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_409.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)