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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


Ein Werk für Deutschlands Jugend.
(Mit Abbildung.)


Unter dem Geläute der Osterglocken, umbraust von vielhundertstimmigem Jubelsange, feierte am 28. März dieses Jahres ein kleiner, in seiner Anspruchslosigkeit bisher nie beachteter Raum seine herrliche Auferstehung: in dem Geburtshause Theodor Körner’s in Dresden wurde an diesem Tage ein winziges Nebengemach zum Körner-Museum geweiht, dem Greise zur Erinnerung an große Zeiten, dem Manne zu ernstem Gedenken und muthigem Ausharren, der deutschen Jugend eine Ruhmeshalle, die zu fröhlichem Liedessange und Schwerterklange sie begeistern soll.

In der That ist hierzu wohl kein Name so trefflich geeignet, als derjenige des deutschen Tyrtäns, unseres Körner, der aus seinem Herzen feurige Lieder und warmes Lebensblut dahinströmen ließ für Deutschlands Ehre, dem ein beneidenswerthes Geschick vergönnte, mit unsterblichem Schwanengesange in voller Jugendkraft den Befreiungstod für das geknechtete Vaterland zu sterben. Mag man über die literarische Bedeutung des Sängers von Leyer und Schwert noch so verschiedener Meinung sein, mag man seinen Dramen Originalität und Tiefe ab- oder zusprechen – das Eine steht fest: in den Herzen der deutschen Jugend hat sich sein Bild schon längst zu einem Typus gestaltet, einem Vorbilde, welchem gleichzukommen jedem Jünglinge als höchstes Ziel seines Ehrgeizes vor der Seele schwebt.

So dürfte es denn wohl gerechtfertigt erscheinen, daß wir, getreu unseren deutsches Bewußtsein allerwege fördernden Tendenzen, auch diese Osterfeier des vom Festcomité ängstlichst ihr aufgeprägten localen Charakters entkleiden und dem Entstehen und Inhalt des „Körner-Museums“ einige Zeilen widmen.

Sowohl den Plan, möglichst viele auf Theodor Körner, seine Familie, Waffengefährten und Freunde, sowie überhaupt auf jene ganze gewaltige Zeit der Erhebung eines Volkes gegen fremde Gewaltherrschaft bezügliche Gegenstände und Schriftstücke zu einer Jedermann zugänglichen Sammlung zu vereinigen, wie auch die Ausführung dieses Planes verdanken wir einem Manne, der schon seit länger als einem Jahrzehnte um die Anerkennung und Verehrung unseres Sängerhelden sich hohe Verdienste erworben hat, dem Dr. E. W. Peschel in Dresden, Meister des freien deutschen Hochstifts zu Frankfurt am Main und Mitglied des dortigen literarischen Vereins. Er rief an hervorragender Stelle die Idee eines Körner-Standbildes in das Leben und legte durch ein im Jahre 1863 gelegentlich der fünfzigsten Wiederkehr des Tages von Gadebusch hier veranstaltetes patriotisches Fest den Grund zu dem dazu benöthigten Capitale. Seiner rastlosen Thätigkeit vor Allem ist das Zustandekommen des herrlichen, aus der Meisterhand des Bildhauers Professor Hähnel hervorgegangenen, erzenen Standbildes zuzuschreiben, welches seit dem Jahre des Wiedererstehens deutscher Kaisermacht den Platz vor der altehrwürdigen Kreuzschule ziert; seinen unermüdlichen Bemühungen ist es endlich auch gelungen, eine große Zahl von Hindeutungen auf Dresdens poesievollen Heldensohn und die Zeit der Freiheitskriege in seine Hand zu bringen und in dem Körner-Museum als erfreulichen Anfang weiteren gedeihlichen Wachsthums, „der deutschen Jugend gewidmet“, niederzulegen.

Damit nicht genug: das Haus, in welchem Theodor Körner geboren, in welchem Schiller, fliehend vor dem despotischen Eigenwillen seines Landesherrn, gastfreundliche Aufnahme, edelmüthigste Unterstützung fand und welches bisher der würdigen äußeren Auszeichnung entbehren mußte, erhielt durch Peschel in zwei lebensgroßen Reliefbrustbildern Schiller’s und Körner’s einen Schmuck von hohem künstlerischem Werthe – dafür bürgen schon die Namen des Bildhauers Echtermeyer, Hähnel’s Schüler, welcher sie modellirt, und des Nürnberger Erzgießers Lenz, in dessen Werkstatt sie aus Einem Stück französischen Kanonenmetalls vollendet schön gegossen worden sind.

Die Sammlung selbst befindet sich in einem zu ebener Erde gelegenen, einfenstrigen Stübchen, welches von dem jetzigen Besitzer des Hauses zu diesem Zwecke überlassen worden ist; schon jetzt erweist es sich als zu klein, und es steht zu hoffen, daß mit der Zeit größere Räume in demselben Hause hierzu verfügbar sein werden. Das kleine, trauliche Zimmer ist ganz im Charakter des beginnenden 19. Jahrhunderts eingerichtet; man fühlt sich beim Eintritt in dasselbe äußerlich schon in jene Zeit zurückversetzt. Vor uns sehen wir zunächst unter Glas und Rahmen, von längst verwelktem Lorbeerkranz umgeben, die Uniformweste, Cocarde und das Portepée Körner’s, mit seinem Blute befleckt, welche er bei seinem Tode getragen, daneben seine Brieftasche, vor seiner Beisetzung ihm abgenommen, und eine Locke seines Haares, von treuer Freundeshand dem gefallenen Waffenbruder abgeschnitten, nebst einem Zweiglein, vor langen Jahren von der sein Grab beschattenden Eiche gebrochen. In zwei größeren Glasschreinen sind aufbewahrt die Laute Körner’s, welche Schiller auf des Vaters Bitte von Jena aus besorgte, geziert mit einem von Dresdens Sängerschaft geschenkten silbernen Lorbeerkranze, seine Waffen, ein türkisches Messer, welches er als Oberjäger zu Fuß, ein Reitersäbel, welchen er bis zu seiner Verwundung bei Kitzen trug, ein seidenes Halstuch, von seiner Braut Toni gestickt und ihm in das Feld mitgegeben, daneben Waffen und Uniformstücke, von alten Lützower Freunden und Gefährten des Dichters dem Museum überlassen, darunter ein Waffenrock, welchen der Eigenthümer, Rector em. Probsthan, trug, als er den tödtlich Verwundeten auf seinen Armen aus dem Gefechte brachte, und in welchem der jetzt vierundachtzigjährige Veteran vor nicht gar langer Zeit die goldene Hochzeit gefeiert hat. Ein einfacher Reif von Eisen, mit dem eingravirten Bilde eines Schmetterlings sinnig geschmückt, erzählt uns von dem innigen Verhältnisse, welches zwischen Theodor, der ihn lange getragen, und seiner Schwester Emma, welche ihn vom Bruder erhielt und bis zu ihrem Tode nicht vom Finger ließ, bestanden hat. Von dem Dichter selbst sind Manuscripte in großer Anzahl vorhanden, darunter viele noch ungedruckte Gedichte aus seiner Studienzeit in Freiberg, werthvolle Briefe und ein ganzer Operntext „Alfred der Große“. Außerdem aber enthält die Sammlung Autographen von allen Mitgliedern der Familie Körner, werthvolle Briefe Schiller’s, C. M. von Weber’s, des Componisten der Körnerlieder, aller berühmten Persönlichkeiten jener Zeit, Briefe von Friedrich Wilhelm dem Dritten, Königin Louise, Kaiser Franz, Blücher und seinen Getreuen, Erzherzog Karl, „Anders Hoffer, Obercommandant in Diroll“, Arndt, Jahn, Friesen, Lützow, Schleiermacher und Andern mehr, welche alle werthvolles Material für die Betrachtung jener Jahre in sich schließen.

Aber die Töchter und Enkel des von Altmeister Goethe im zweiten Bande von „Wahrheit und Dichtung“ so vortheilhaft geschilderten Kupferstechers Stock, welcher von Nürnberg nach Leipzig ausgewandert war und in dem Breitkopf’schen Hause die Mansarde bewohnte, hatten von dem talentvollen Künstler hervorragende Anlage zur Malerei geerbt, vor Allen Körner’s Tante, Dorothea Stock, und seine einzige, drei Jahre ältere Schwester, Emma, welche letztere auch in kunstvoller Stickerei ihres Gleichen suchte. Von der Hand der Tante Doris ist das Pastellportrait ihrer Schwester Minna, sowie ihr eigenes vortrefflich in Oel gemaltes Portrait neben vielen kleineren Zeichnungen, von Emma’s Hand ein reizendes Miniaturbild des siebenjährigen und die Originalbleistiftzeichnung des Lützower Theodor (ihre letzte Arbeit, für den Vater als Geburtstagsgeschenk bestimmt) vorhanden, nach welcher letzteren alle Portraits desselben geschaffen worden sind, und außerdem ein prachtvoll in Seide gestickter Ofenschirm, ein wahres Cabinetstück. Von Körner’s Mutter, welche ihre Geschicklichkeit im Malen auf Porcellan und in Pastell bis in ihre spätesten Jahre sich bewahrte, sind mehrere Pastellbilder zu finden, aus ihrem Nachlasse ein kleines Aquarellgemälde, das Grab bei Wöbbelin darstellend. Wie mag der Mutter das Herz geblutet haben beim Anblicke der Grabstätte ihres Lieblings, dem sie einst geschrieben hatte: „Ich bin stolz auf Dich, mein Kind; ich möchte Dich glänzen und fertig sehen; nur schone Deine Gesundheit, daß Du in Deiner Blüthe blühend bleibst!“ „Heldenaugen blühen schöner auf im Tod“, singt Schenkendorf, und bei unserm Körner ist

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 398. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_398.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)