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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

„Sie glauben also, daß der Präsident Ihnen beim Grafen schaden wolle und könne? Wohlan, ich will diesen schlimmen Einfluß und diese üble Möglichkeit wahrlich nicht leugnen, verstehe aber trotzdem nicht, wie Beides Ihren Plänen hinderlich sein kann. Gesetzt auch den Fall, Herr von Straff vermöchte Ihr Avancement, trotz aller meiner Bemühungen zu Ihren Gunsten, zu verhindern, so bedürften Sie doch wahrlich eben dieses Avancements nicht.“

„Erlaucht denken also an denselben Ausweg, der auch mir vor Augen schwebt,“ erklärte der Junker. „Dann allerdings bin ich fest entschlossen, im Nothfalle meinen Dienst aufzugeben und –“

„Halt, irren wir uns nicht, Herr von Holderbusch! Daran gerade dachte ich am wenigsten,“ fiel Comtesse Charlotte rasch ein. „Glauben Sie, unser Land vermöchte einen tüchtigen Beamten und unser kleiner Hof einen jungen Cavalier von Ihren Verdiensten so leicht zu entbehren? Nein, offen gesagt, ich dachte vielmehr, daß Sie nach Ihrer Heirath der geringen äußeren Mittel nicht bedürfen würden, welche Ihnen ein Avancement in unserm Dienste gewähren könnte.“

Das Gesicht des jungen Mannes überzog sich plötzlich mit einem brennenden Roth.

„Erlaucht meinen hoffentlich nicht, daß ich heirathen und mich von meiner Frau ernähren lassen soll?“ sagte er dann nach einer kurzen Pause, während welcher er mühsam seine Erregung zu bekämpfen gesucht hatte. „Nein, nein, Erlaucht, das ertrüge mein Stolz niemals; an dieser beschämenden Lage ginge ich sicher zu Grunde.“

„O Kurt, wie können Sie so böse Dinge sagen!“ bat Anna Hartmann, indem sie den Geliebten mit einem Blicke ansah, der alle ihre zärtliche Liebe, aber auch schon die Nähe von bitteren Thränen verkündete.

Die Comtesse aber legte ihre feine weiße Hand beruhigend und besänftigend auf den Arm des geängstigten Mädchens.

„Ruhig, meine Liebe!“ sagte sie dann mit dem gütigsten Tone ihrer weichen Stimme. „Thränen beeinträchtigen den klaren Blick nicht blos äußerlich. Unser Junker hat ja im Grunde völlig Recht, und Sie dürfen ihm den echten Stolz, der jedem braven Manne geziemt, nicht verargen. Will Herr von Holderbusch sein ganzes Glück durch eigene Kraft verdienen, so können wir Beide ihn daran nicht hindern. Doch eine andere Frage ist mir wohl immerhin erlaubt. Sie sprachen, wenn ich nicht irre, Ihr Vertrauen auf meine Hülfe aus. Diesen Beistand könnte ich Ihnen nur leisten, indem ich meinen geringen Einfluß bei meinem Bruder gegen den des Präsidenten in die Wagschale würfe. Aber von welcher Art denken Sie sich unter diesen Umständen die Einwirkung des Herrn von Straff?“

„Ich befinde mich dieser Frage gegenüber in arger Verlegenheit,“ erklärte der Junker nach einer neuen Pause. „Erlaucht haben wohl schon gehört, welcher staatsgefährlicher Gesinnungen man mich beschuldigt, und werden also sicher glauben, daß ich nicht das mindeste Gewicht auf die Art von Adel lege, welchen nach der Meinung der Welt die bekannten drei Buchstaben verleihen sollen. Werden mich also Eure Erlaucht nicht mißverstehen, wenn ich gleichwohl jemals den Wunsch aussprechen sollte, daß auch noch diese Aeußerlichkeit zu dem innern Adel meiner Anna hinzukommen möge?“

„Sicher würde ich Sie auch dann nicht mißverstehen,“ erklärte die Comtesse mit einem gutmüthigen Lächeln. „Sie trügen damit nur den kleinen Schwächen Ihrer Mutter Rechnung.“

Der Junker verneigte sich zustimmend.

„Ich gestehe gleichwohl, daß gerade dieser Gedanke in dem Hirne unseres alten Christian entstanden ist,“ fügte er dann zu seiner weitern Entschuldigung hinzu. „Ich selbst habe die Idee erst nach längerm Bedenken und Zögern und nur für den äußersten Nothfall, um meine Mutter nicht durch Aufgebung des Adels kränken zu müssen, adoptirt.“

„Mich aber hat man deshalb gar nicht gefragt,“ warf Anna ein wenig schmollend ein. „Muß ich mich etwa wider meinen Willen adeln lassen? Oder glauben Sie, daß die Grundsätze meines Vaters auf so schwachen Füßen stehen, daß man ihn bei einer so wichtigen Frage nicht zu Rathe zu ziehen braucht?“

„Ah, unsere Kleine kann auch zürnen?“ warf die Comtesse lächelnd ein. „Sie werden uns doch nicht wegen dieser fast komischen Formfrage Schwierigkeiten bereiten? Wissen Sie etwa ein anderes Mittel, meine Liebe, durch welches der Widerstand der Frau Oberlandjägermeisterin gebrochen werden könnte?“

„Ich habe wenigstens darüber nachgedacht, Erlaucht. Mein Vater hat längst die Absicht gehegt, die Majoratsherrschaft des Generals von Holderbusch zu erwerben, und er hat deshalb viel mit dem jetzigen Inhaber, der auch dem Abschlusse nicht abgeneigt ist, über den Ankauf verhandelt.“

„Der Ausweg ist nicht übel,“ räumte die Comtesse ein. „Es bedürfte also nur noch der Einwilligung des Herrn Oberlandjägermeisters, als einzigen Agnaten, und der Zustimmung meines Bruders, als Landesherrn. Mit dem Wegfalle des Majorats aber fiele auch die Ihnen so schreckliche Nothwendigkeit, sich adeln zu lassen, hinweg. Warum also ist dieser gute Plan nicht ausgeführt worden?“

„Weil der Herr Präsident von Straff meinem Vater kurz und bündig erklärt hat, daß höchsten Ortes die Aufhebung des Majorats nie genehmigt werde.“

„Oho, so entschieden? Ich denke, dieses Hinderniß wird nicht unbesieglich sein.“

„Entschuldigen Erlaucht gnädigst, aber damit allein ist die Sache nicht abgethan,“ fuhr Anna fort. „Mein Vater möchte vorher unser Schloßgut in Brandenfels verkaufen. Am liebsten sähe er dasselbe in den Händen Ihres erlauchten Herrn Bruders, aber –“

„Halt! Hier irren Sie sicher, mein Kind,“ erklärte Comtesse Charlotte rasch. „Sie müssen Ihren Vater in diesem Punkte mißverstanden haben.“

„Ich glaube kaum, Erlaucht. Mein Vater hat noch vor Kurzem der gräflichen Kammer die günstigsten Bedingungen für den Ankauf gestellt, aber der Präsident hat sie in so schroffer Weise zurückgewiesen, daß es schwer fällt neue Anknüpfungspunkte zu finden. Man hat uns den Entwurf des Vertrages sogar zerrissen zurück geschickt.“

„Ei, sieh da, sieh da!“ rief die Comtesse im Tone ungewöhnlicher Erregung. „Was man nicht erfahren muß! Und uns berichtet dieser Herr Präsident das directe Gegentheil. Er sagt, die Bedingungen Ihres Vaters seien ganz unannehmbar gewesen.“

„Urtheilen Erlaucht selbst! Mein Vater forderte für das Gut nur dreihunderttausend Thaler.“

„Wie? für das Gut Brandenfels nebst allen Forsten?“

„Für Alles. Er stellte nur eine Bedingung von ganz untergeordneter Bedeutung.“

„Welche?“

„Daß ein alter Feldbirnbaum in unserem Parke niemals geschlagen werden dürfe. Der Birnbaum steht –“

„Hoch oben in Ihrem Garten, dicht an der Grenze,“ ergänzte die Comtesse rasch. „Es ist eine Rasenbank und ein steinerner Tisch darunter.“

„Wie? Erlaucht kennen diesen unscheinbaren Baum?“ rief Anna verwundert.

„O ich weiß noch mehr, mein Kind,“ fuhr die Comtesse erregt fort. „Ich weiß, warum Ihr Vater die Erhaltung dieses Baumes zur Bedingung des Verkaufs macht und weshalb der Präsident die Zusage verweigert. Doch kann ich Ihnen den Grund jetzt nicht angeben, so erstaunt Sie mich auch anblicken. Bitten Sie Ihren Vater selbst um die Erklärung und sagen Sie ihm, daß ich diesen Baum der Erinnerung unter meinen besonderen Schutz nehme! Ja, ich werde –“

(Fortsetzung folgt.)




Ein Krankenheim am Ufer der Themse.


Ich will heute versuchen, den Lesern der Gartenlaube die Beschreibung eines neuen Hospitals zu geben, welches der Vollkommenheit seiner Einrichtung halber den bis jetzt existirenden ähnlichen Instituten an die Spitze gestellt werden kann, wenngleich ich nicht behaupten will, daß es an Raum das größte seiner Art sei.

Das Thomas-Hospital zu London wurde im Jahre 1213 gegründet und war ursprünglich ein Armenhaus. Am 13. Mai 1868

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 380. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_380.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)