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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


auch einem Localpatriotisinus in die Arme getrieben, dem er seine beste Lebenskraft gewidmet hat ohne Dank und Entgelt.

Seit dem Jahre 1854 war Dr. Heinrich Künzel überaus glücklich verheirathet mit Elise Hamm. Seine Professur am Polytechnicum nahm ihn zwar, besonders im Verhältnisse zu dem damit verbundenen Gehalte, sehr in Anspruch, ließ ihm aber, bei seiner rastlosen Benutzung jeder Stunde, immer noch Zeit zu einer reichen literarischen Thätigkeit. Die hervorragendsten periodischen Organe, wie „Gartenlaube“, „Unsere Zeit“, „Ueber Land und Meer“, „Allgemeine Zeitung“, „Neue freie Presse“ etc. enthalten treffliche, öfters mit vieler Entschiedenheit den Nagel auf den Kopf treffende Aufsätze von ihm. Er hatte schon im Jahre 1839 Vorlesungen über Literatur eröffnet, später einen Cyclus über englische Sprache abgehalten, natürlich Alles ohne Anspruch auf irgend eine Gegenleistung; ebenso verdankt seine Vaterstadt ihm die dauernde Einführung eines Systems wissenschaftlicher Vorträge, seit 1866. Allen möglichen Vereinen hat er angehört; wo es galt, der Humanität eine neue Stätte zu gründen, das Schöne oder Gute aus dem Schmutze des Alltagslebens hervorzuziehen in’s Licht, da war er stets einer der Ersten, Thätigsten, Opferwilligsten. Er gründete unter Anderem den Frauenverein „Charitas“, welcher in der Stille viel des Guten wirkt; sein letztes Werk war die Bildung des Thierschutzvereins für das Großherzogthum Hessen.

Heinrich Künzel war ein wahrhaft edler Mensch, von Allen benutzt, von Vielen verkannt, von Wenigen so ganz gekannt, wie seine volle, reiche Seele es verdiente. Tausende leben heute noch, die „seiner Sitten Freundlichkeit erfahren“. Hunderten hat er geholfen; sie auf den rechten Weg gebracht mit Rath und That; zahlreiche Schüler verehren in ihm den humanen Lehrer, der es verstanden hat, die trockene Materie zu durchgeistigen und Liebe in die Herzen der Jugend zu pflanzen; groß war der Kreis seiner Freunde und Bekannten in aller Welt. Die Nachricht von seinem plötzlichen Tode im besten Mannesalter hat daher Viele erschüttert. Der völlig gesunde und kräftig heitere Mann befand sich in einer heiteren Abendgesellschaft, in welcher er stets ein gerngesehener, belebender Gast war. Plötzlich brach er zusammen und war todt. Es geschah dies am 11. November 1873. Ihm ist der Heimgang leicht geworden, schwer aber lastet sein Scheiden auf Denen, die heute noch das Dasein ohne ihn kaum für möglich halten. Möge der bescheidene Gedächtnißzweig, den ich hiermit auf das Grab des braven Mannes lege, der mir näher stand als jeder Andere im Leben, dazu beitragen, bei den Vielen, die ihn gekannt und geliebt, die Erinnerung an ihn wach zu halten. Er hätte wohl ein anderes biographisches Denkmal verdient. Hier, in dem Blatte, das ihm vor Anderen werth gewesen, sei Heinrich Künzel’s vorzugsweise gedacht als eines Pionniers der deutschen Kunst.

W. Hamm.




Aus den Arbeitssälen des Kunsthandwerks.
Von Julius Lessing.
2. Die Goldschmiedekunst.


Wir haben in einer neulichen Besprechung der modernen kunstgewerblichen Bestrebungen gesehen, in welchem schwierigen Verhältniß die Kunst und die Mode zu einander stehen, wie schwer es ist, bei der Forderung einer künstlerischen Ausschmückung unseres Hauses überall den praktischen Bedenken und den zufälligen Strömungen des Geschmackes Rechnung zu tragen. Es kommt darauf an, im Einzelnen zu beweisen, wie das Handwerk sich aus der allgemeinen Verwirrung, welche auf diesem Gebiete jetzt herrscht, zurechtfinden und zu künstlerischen und zugleich brauchbaren Formen der Geräthschaften gelangen kann.

Wir möchten den Kreis dieser Betrachtung mit dem Goldschmucke eröffnen, nicht etwa, weil er das wichtigste Lebenselement unseres Gebrauches oder unseres Gewerbes wäre, sondern weil wir hier doch unzweifelhaft es mit Stücken zu thun haben, bei welchen der reine Gebrauchswerth ganz in den Hintergrund tritt gegen die künstlerische Form, welche wir diesen Stücken zu geben haben. Bei der Wahl des Kleides, der Tapete, der Möbel mögen schließlich praktische Erwägungen so überwiegen, daß man selbst gegen sein besseres Gefühl die Rücksichten der Schönheit opfert. Es sollte so nicht sein, aber es ist doch entschuldbar. Bei der Auswahl eines Schmuckgegenstandes dagegen wird man sich der Verpflichtung nicht entziehen können, etwas wirklich Schönes und Geschmackvolles zu wählen. Sollte man es glauben, daß auch auf diesem Gebiete die ärgste Verwilderung herrscht, daß rohes Prunken mit dem Material an die Stelle der künstlerischen Durchbildung tritt?

Es ist in den letzten Jahren an manchen Stellen eine Wendung zum Besseren unverkennbar eingetreten, aber die große Mehrzahl, besonders der deutschen Erzeugnisse, bewegt sich noch völlig in der Verwahrlosung der letzten Jahrzehnte. Wenn man an unsere Schaufenster tritt, so ist bei den meisten der erste Eindruck der, daß mit der Masse des Goldes und der Steine geprahlt werden soll. Große unförmliche Stücke matten oder blanken Goldes, auf demselben ohne jede künstlerische Vermittlung möglichst kostspielige Steine in geistloser Anhäufung, das scheint das Vornehmste sein zu sollen. Schlimm genug, wenn der Begriff des Kostspieligen an Stelle des künstlerisch Werthvollen tritt! Das ist der Zustand der schnöden Barbarei, in welcher die Germanen vor zweitausend Jahren die kostbaren antiken Goldgeräthe einschmolzen, um sich fingerdicke Goldringe daraus zu schmieden, nach deren Gewicht und Anzahl sie den Glanz des Anzuges beurtheilten. Trotzdem war man in unserem Jahrhunderte so weit gekommen, daß man gelegentlich einen derartigen ganz glatten Reifen, der doch wenigstens keine Verzerrungen enthielt, anderen Arbeiten vorziehen mußte, welche in gräulicher Verwilderung aller Ornamente jedem gebildeten Geschmacke Hohn sprachen.

Das Hauptunheil hat hier, wie auf vielen anderen Gebieten, die Maschine angerichtet. Man wollte billige Dutzendarbeit, hatte deshalb aufgehört, mit feiner Ciselirung und Löthung das Gold zu bearbeiten, und begnügte sich damit, die Stücke massenhaft aus eisernen Stempeln zu pressen. Hierin lag der Hauptfehler. Der hohe Werth und die schmiegsame Bildsamkeit des Goldes verlangen gebieterisch, daß man dieselben zu ihrem Rechte kommen läßt. Erst in der zierlichsten, liebevollen Ausarbeitung wird man den edlen Charakter des Materials erkennen. Selbst barocke und wunderlich phantastische Formen können hierdurch ihren Werth erhalten.

An Stelle der zierlich aufgelegten Blätter und Blüthen, der fein verschlungenen Schnörkel treten in der Arbeit des Stempels flache verweichlichte Formen. Mit dieser bloßen Verschlechterung konnte man sich aber nicht lange begnügen. Man verlangte nach neuen Ideen. Um das Goldschmiedehandwerk neu zu beleben, suchte man statt in gesunder Ueberlegung und tüchtigen Arbeitern sein Heil in wunderlichen Einfällen. An Stelle geistvoller, auf die Form basirter Erfindung traten lächerliche Auswüchse einer rohen Phantasie. Das ist die Zeit, in welcher ein Lederriemen als passendes Vorbild für Goldarbeit erschien. Die rohe eiserne Schnalle, die eingebohrten Stiche des Saumes, die glatte wulstige Form mit scharf abgeschnittenen Kanten, welche bei einem Kofferriemen ganz natürlich ist, sollte nun auf einmal das Vorbild für die Arbeit im edelsten Metalle werden. An Stelle des zierlich geschlungenen Reifen und der zart verknüpften Bänder, an Stelle der fein gegliederten Ketten und anmuthigen Schlangenbildungen, mit welchen sonst der Arm einer schönen Frau geschmückt wurde, trat jetzt ein solcher Riemen aus Gold. Beim Armbande kann man die Verirrung noch begreifen. Das gemeinsame Motiv des Umschlingens mag den Anlaß gegeben haben – aber was hat der Lederriemen, an einem Kettchen hängend, am Ohre zu thun? Wie kommt er dazu, flach gelegt, ein Medaillon bilden zu sollen?

Mit dem Lederriemen zugleich erhielten wir die holde Schöpfung des Vorlegeschlosses als Broche und Ohrring. Auf seidenen Kleidern und zart durchbrochenen Spitzen, zwischen blonden eigenen oder gekauften Locken durften sich diese Vorlegeschlösser schaukeln, deren Form so roh war, wie frühere Jahrhunderte

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 371. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_371.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)