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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


In der kleinen, 1849 von J. M. A. Blunschi in Zug gedruckten und verlegten Schrift: „Der Hexenproceß und die Blutschwitzerprocedur, zwei Fälle aus der Criminalpraxis des Cantons Zug etc.“, welcher wir in obiger Darstellung gefolgt sind, wird noch an andere gleichzeitige Teufelsspukstücke erinnert, die wir hier übergehen wollen. Haben wir doch schon übergenug an unserer Louise Lateau! Sie wird unter dem Schutze eines Jesuitenregiments und in einem für die Glorificirung jedes den Geist der Wahrheit verhöhnenden Schwindels so überaus günstigen Augenblicke ihre Pfaffenpuppenrolle noch kurze Zeit fortspielen. Gerichtet ist sie bereits; der Gesammtschrei all’ der Stimmen, welche für sie fluchen und toben, ändert Nichts an den Naturgesetzen, die sie verurtheilen. Ob sie selbst eine Strafe noch persönlich trifft, oder nicht, sicher ist auch hier – die Schandbank, und die auf ihr zu stehen haben, entlaufen dem Richterspruche der Zukunft nicht.

Fr. Hfm.




Auf dem Häringsfang in Schottland.


Schottland ist ein classisches Land für Fischerei. Der Reichthum seiner rasch fließenden Bergströme, seiner Seeen und Föhrden, wie der das Land umschließenden Meerestheile an Fischen ist groß. In den Flußmündungen, wie eine Strecke hinauf in’s Land ist zu bestimmten Jahreszeiten der Lachsfang äußerst ergiebig, beispielsweise schätzt man den Werth der Lachsfischerei des Tay allein auf jährlich 18,000 Pfd. Sterl., und der jährliche Brutto-Ertrag des Fanges dieses werthvollen Tafelfisches in Schottland wurde mir bei meiner Anwesenheit im vorigen Herbst auf 200,000 Pfd. Sterl. angegeben. Dennoch tritt diese Fischerei, welche auf das Sorgfältigste durch eine Reihe von Gesetzen und Einrichtungen, wie auch durch eine von Betheiligten errichtete und unterhaltene Brutanstalt gehegt und gepflegt wird, zurück vor der Bedeutung und dem Umfange der alljährlich zu verschiedenen Zeiten an den Küsten und Inseln Schottlands betriebenen Häringsfischerei. Alles vereinigt sich zu einem massenhaften Fange, der unter den für die Verwerthung günstigsten Verhältnissen ausgeübt wird. Die wichtigste Gegend für dieses Gewerbe ist die Ostküste Schottlands, und hier fällt die Hauptfangzeit in die Monate Juni bis August. Zu dieser Zeit verweilte ich im vorigen Sommer in Schottland und unternahm mit einem Peterheader Fischerboot eine nächtliche Fischerfahrt.

Dieser kleine Hafen ist auf einer in die See hinausreichenden Landzunge äußerst günstig für den Betrieb gelegen. Es ist nämlich sehr wesentlich, daß die Böte nur eine kurze Fahrt bis zu höchstens fünf deutschen Meilen von der Küste, zu der Stelle, wo der Häring zu ziehen pflegt, zurückzulegen haben. Für die eigentliche Hochseefischerei sind die Böte nicht eingerichtet. Peterhead ist denn auch ein rechter Fischerort, und zur Sommerszeit duftet hier Alles nach Häring, was freilich für den daran nicht Gewöhnten nicht eben angenehm ist. Zweiräderige Wagen mit Fischabfällen oder zum Trocknen bestimmten Netzen rollen den ganzen Tag über durch die Straßen und über den Hauptplatz des sonst sauberen und freundlichen Ortes, dessen Häuser, wie fast überall in Schottland, aus Granit erbaut sind, gleichsam zur Versinnlichung des bekannten Wortes, welches ein Grundrecht des britischen Volkes kernig ausspricht: „Mein Haus ist meine Burg.“ Am Hafen entrollt sich uns das Bild emsigster Thätigkeit. Weitaus die Mehrzahl der Fahrzeuge besteht aus Häringsböten, sogenannten Halbdecksböten, deren größter Raum für die Aufnahme der Netze und des Fanges bestimmt ist, während eine kleine Kajüte mit Ofen und Schlafstätten nur eben für die fünf Mann, welche gewohnt sind, auf solchem Fahrzeuge zu hausen, groß genug ist. Diese Häringsböte haben eine Länge von etwa 45 Fuß, eine Breite von 16 Fuß und nur einen Mast.

Dem regen Leben in und vor dem Hafen, wo zahlreiche Fahrzeuge mit ihren rothbraun getheerten Segeln – die Nummern und Buchstaben auf den Segeln geben den District an, wo das Fahrzeug registrirt ist – aus- und einliefen, entsprach die rastlose Thätigkeit am Lande. Eine Menge Frauen und selbst kleine Mädchen sind um große Tröge, welche im Boden festgemacht sind, emsig beschäftigt; neben ihnen liegen, in Körben aufgehäuft, die silberglänzenden Fische, welche jene Böte mit den jetzt zu einem Berge aufgestapelten Netzen dem Meere abgewonnen haben. Diese Netze bestehen aus baumwollenen mit Catechu getränkten Fäden. Es ist die Arbeit des Ausweidens der Fische, welche hier im Gegensatze zu der deutschen und holländischen Fischerei am Lande verrichtet wird. Die holländischen und deutschen Fahrzeuge fischen nämlich, auf so und so viel Tagereisen von der Heimath entfernt, auf hoher See. Der Häring wird daher dort an Bord ausgeweidet und in Fässer verpackt, und dieser Betrieb bedingt also größere Fahrzeuge und mehr Mannschaften. Hier sehen wir wiederum Mädchen mit dem Verpacken der ausgeweideten Heringe in Fässer beschäftigt, wobei immer eine Lage Salz und eine Lage Häringe abwechseln. Der Betrieb der schottischen Häringsfischerei geschieht auf Grund des bei diesem Gewerbe überhaupt fast überall durchgeführten Antheilssystems. Ein Viertel des Ertrages kommt dem Boote zu, das bald nur Einem, bald aber Mehreren gehört. In die verbleibenden drei Viertel theilt sich die Mannschaft bis auf Einen, der von den Uebrigen im Lohne angenommen wird, nach einem bestimmten Maßstabe, wobei selbst der Schiffsjunge einen kleinen Antheil erhält. Die Netze gehören den Fischern; ein jedes dieser Netze kommt auf etwa dreiundeinhalb Pfund Sterling zu stehen.

Unsere Fahrt schien eine günstige zu werden. Allem Anscheine nach war kein Unwetter zu erwarten; blau wölbte sich der Himmel, und eine frische Brise wehte vom Lande. Mit zwei Freunden vertraute ich mich daher ruhig einem dieser kleinen Fahrzeuge an, welches der mir bekannte Chef eines großen Häringsgeschäfts von Peterhead ausgesucht hatte. Einige hundert Fischerfahrzeuge verließen mit uns zu gleicher Zeit den Hafen, und es war eine Lust zu sehen, wie unser Fahrzeug, welches ein guter Segler war, allmählich die ganze, mit ihren rothbraunen Segeln im Sonnenscheine lustig dahin gleitende Flotille überholte. „Mary Isabella“ war der Name unseres Bootes; es gehörte dem Fischer Anderson aus Pettenweem, einem Fischerdorfe an der Föhrde des Forth. Im Ganzen bestand die Besatzung aus sieben Mann. Darunter befanden sich Herr Anderson und sein Sohn, drei Fischerleute, ein Junge und ein nur für die Dauer der jetzigen Sommerhäringsfischerei angenommener Arbeiter, ein Maurergeselle aus Edinburgh. Die Fahrt ging gleichmäßig und ruhig von Statten, still und emsig that Jeder das Seine; nicht ein Scheltwort hörten wir auf der ganzen Fahrt, in Kurzem war Alles für die Fischerei vorbereitet. Der Fang geht in der Weise vor sich, daß eine Reihe von Netzen, die an einer durchgehenden Leine befestigt und deren Lage durch eine Anzahl mit dem Netze in Verbindung stehender luftgefüllter Ballons (Dogs) aus Schaffellen oder Guttapercha kenntlich ist, hinabgelassen werden. Das Fahrzeug zieht, am Fischplatze angekommen, die Segel ein und treibt vor dem Winde. Der Umfang eines solchen Netzes ist folgender: Länge der Leine, an welcher das Netz befestigt ist, neunzehn Faden, Länge des Netzes sechszig Yards, Tiefe desselben fünfundvierzig Fuß englisch; ein Quadratfuß eines solchen Netzes enthält ungefähr fünfzig Maschen.

Da der Zug der Häringe ungefähr parallel der Küste, von Norden nach Süden ging, so kam es darauf an, daß die Netze, welche, getragen durch die Ballons, wie ein Gitterwerk aus Baumwollenzeug senkrecht im Wasser gehalten werden, den Zug der Fische gleichsam auffingen. Die Häringe gerathen mit ihren Kiemen in die Maschen und werden auf diese Weise gefangen. Wir waren etwa zweiundzwanzig Miles von der Küste, als Master Anderson, ein bedächtiger wohlerfahrener Fischer, es an der Zeit hielt, die Netze auszuwerfen. Eine Anzahl Böte in unserer Nähe schickte sich zu der gleichen Arbeit an. Mast und Segel wurden gestrichen, die Netze langsam von drei Leuten in das Wasser gelassen, wobei der vierte die Ballons nach einander nachwarf. Im ungewissen Lichte des Abends – es war bereits auf acht Uhr – ging das ganze Geschäft mit größter Ruhe vor sich. Die Strahlen des Mondes glitzerten auf

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 358. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_358.jpg&oldid=- (Version vom 13.12.2016)