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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


vieltausenden Arten nur wenige als eßbar gelten, die wiederum durch den Einfluß verschiedener äußerer Verhältnisse als Nahrungsmittel ungeeignet werden. Mehr als jede andere Pflanze ist der Pilz für eine Zersetzung geeignet, durch welche der eßbare seine ungiftige Eigenschaft verliert und sich durch irgend einen noch unbekannten Einfluß ein giftiger Stoff entwickelt, der sich äußerlich nicht wahrnehmen läßt; kurz, es wird aus dem eßbaren Pilze ein giftiger, ohne daß wir uns durch das Auge davon überzeugen können. Da charakteristische Kennzeichen für die Brauchbarkeit der sogenannten eßbaren Pilze nicht bekannt sind und auch botanische Verwechselungen mit anerkannt giftigen nicht ausgeschlossen sind, so ist es besser, sich des Genusses der Pilze vollständig zu enthalten, oder doch wenigstens so lange, bis es der Botanik gelungen ist, scharfe Unterscheidungsmerkmale zwischen eßbaren und giftigen festzusetzen und die Chemie im Stande ist, die An- und Abwesenheit eines Giftes im Pilze zu constatiren.

Am verbreitetsten und bekanntesten, wenn auch nicht als Nahrungsmittel, so doch als Begleiter vieler derselben, sind gewisse Fadenpilze, die unter dem Allgemeinnamen „Schimmelpilze“ bekannt sind. Diese pflanzlichen Gebilde, die sich auf den meisten Nahrungsmitteln vegetabilischen wie animalischen Ursprungs entwickeln, geben diesen einen unangenehmen, widerlichen Geschmack und Geruch, berauben ihre Unterlage ihres Nahrungswerthes und machen sie ungenießbar und schädlich.

Neben den bereits fertig gebildeten Giften giebt es im Haushalte eine Menge anderer, deren Vorhandensein nicht Bedingung ist, die irgend einem günstigen Umstande, einer chemischen Zersetzung – in Folge bekannter oder unbekannter Einflüsse – etc. ihre Existenz verdanken. Solche Gifte sind um so gefährlicher, als ihre Anwesenheit nicht immer angezeigt wird. Eins der interessantesten und gefährlichsten dieser Gifte ist das sich besonders in Leber- und Blutwürsten erzeugende sogenannte „Wurstgift“; diesem schließen sich, ebenfalls als Produkt einer chemischen Zersetzung, in den Fischen das nicht minder gefährliche „Fischgift“ und im Käse das „Käsegift“ an. Die Entstehung und das Wesen dieser Gifte sind noch völlig unbekannt; daß aber der eintretende Verwesungsproceß die Bildung derselben begünstigt, ist nicht unwahrscheinlich.

Zu diesen zufälligen Giften gehören auch die, welche durch Verfälschungen von Nahrungsmitteln mit schädlichen Substanzen (Essig mit Schwefel- oder Salzsäure etc.) in’s Haus gebracht werden; ferner die, die durch Unsauberkeit oder Sorglosigkeit im Hause selbst erzeugt werden. Für letztere ist der Gebrauch kupferner oder kupferhaltiger Gefäße die häufigste Veranlassung. Solche Gefäße sind zur Aufnahme eines jeden Körpers, namentlich zur Aufnahme einer jeden Flüssigkeit durchaus nicht geeignet. Beim Kochen saurer oder fetter Speisen, Milch etc., beim Erkalten und Stehenlassen solcher in Gefäßen von Kupfer oder Messing (Kupfer und Zink) entsteht eine grüne lösliche Kupferverbindung, die sich den betreffenden Speisen mittheilt und dieselben vergiftet. Dasselbe gilt vom Neusilber, das bekanntlich aus Kupfer, Zink und Nickel besteht.

Es ist für das Zustandekommen einer Vergiftung durchaus nicht Bedingung, daß das betreffende Gift auf dem gewöhnlichen Wege, das heißt durch Vermittelung des Magens sich dem Organismus mittheile; die Aufnahme giftiger Stoffe in die Luftwege begünstigt ebenfalls die giftige Wirkung. Bei der Aufnahme in die Luftwege, also durch Einathmen, kommen die gas- und dampfförmigen Gifte und unter diesen im Haushalte vorzugsweise „Kohlenoxyd“- und „Leuchtgas“ in Betracht. Bei vollständiger Verbrennung kohlenstoffhaltiger Körper nimmt der Kohlenstoff derselben zwei Gewichtstheile Sauerstoff aus der Luft auf und wird zur Kohlensäure. Ist die Verbrennung aber nicht vollständig, das heißt wird nicht so viel Sauerstoff zugeführt, als zur Bildung der Kohlensäure nothwendig ist, so kann der Kohlenstoff nur einen Gewichtstheil Sauerstoff aufnehmen und das Product der Verbindung heißt alsdann „Kohlenoxyd“. Dieses, ein farb-, geruch- und geschmackloses Gas, ist stark giftig und hat, eingeathmet, sehr häufig den Tod zur Folge. Es findet sich unter den Producten der unvollständigen Verbrennung unserer Heizmaterialien, wie Holz, Steinkohle, Torf etc., wenn durch ungenügende Ventilation in den Oefen oder theilweise Absperrung der atmosphärischen Luft nicht genügend Sauerstoff zugeführt wird, um die vollständige Verbrennung zu unterstützen.

Bei der durch die Luftwege stattfindenden Einführung von Giften spielen die giftigen Farben, die in gasförmigem Zustande oder in Form feinen Staubes sich dem Organismus mittheilen, eine nicht zu unterschätzende Rolle. Es sind dies vorzugsweise viele grüne Farben, die durch ihren Gehalt an „arseniger Säure“ sich auszeichnen. Die den Damen wohlbekannten grünen Tarlatankleider sind großentheils mit Scheel’schem oder Schweinfurter Grün gefärbt; diese Farbestoffe, von denen ersteres „arseniksaures Kupferoxyd“, letzteres ein Doppelsalz von „essigsaurem und arseniksaurem Kupferoxyd“ ist, sind gewöhnlich nur durch schwache Bindemittel auf dem Zeuge befestigt und lösen sich sehr leicht von demselben los. Eine einfache Berührung oder schwache Bewegung genügt oft schon, um die Farbe von der Unterlage zu entfernen. Gleich schädlichen Einfluß auf die Gesundheit haben die mit Arsenikfarben grün gefärbten Tapeten. Beim Gebrauche grüner Fächer, grünen Mützenfutters, grüner Schleier etc. kommen Vergiftungserscheinungen vor, über die sich der Laie in der Regel keine Rechenschaft geben kann und die auf den Arsengehalt in der grünen Farbe zurückzuführen sind. Große Vorsicht ist bei dem Gebrauche grüner Lampenschirme und grün gefärbter Lichte erforderlich, da die etwaige Giftfarbe durch die entwickelte höhere Temperatur sich verflüchtigt und als gasförmiger Körper eingeathmet wird. Grünes Kinderspielzeug entbehre man vollständig. Außer diesen Farben kommen noch solche in Betracht, die als Schminke der Haut aufgetragen und so unter dieselbe und in das Blut gerieben werden. Auch die Anwendung des rothen, mit Zinnober gefärbten Siegellacks hat ihr Bedenken, weil beim Brennen desselben Quecksilberdämpfe entstehen, deren fortgesetzte Einathmung unmöglich wirkungslos bleiben kann.

Es ist nicht ausführbar, alle im Haushalte vorkommenden sogenannten Gifte von dem Gebrauche im täglichen Leben auszuschließen. Wenn auch einzelne entbehrlich sind, so sind wir doch auf den Umgang mit der Mehrzahl derselben angewiesen. Es tritt also nur die Aufgabe an uns heran, diesen Stoffen die günstigen Bedingungen nicht zu gewähren, unter denen sie Gifte, also für den normalen Zustand des thierischen Körpers schädlich werden können.




Gallerie historischer Enthüllungen.
6. Der Gefangene von Hohenasperg.
Mit Benutzung noch nicht veröffentlichter Archiv-Acten.


Die kleine württembergische Festung Hohenasperg hatte seit dem dreißigjährigen Kriege ihre Glanzzeit hinter sich; sie konnte keiner Belagerung hinfort mehr Trotz bieten; daß sie dennoch wieder genannt und bekannt wurde, dankt sie vorzugsweise dem zweifelhaften Ruhme, einen Dichter als Gefangenen in ihren Mauern beherbergt zu haben – Christian Friedrich Daniel Schubart.

So traurig aber auch dessen Gefangenschaft dort war, so streng ihn Herzog Karl behandelte, und so viel er während des ersten Jahres in seinem schrecklichen Thurme erduldete – vielleicht wäre ohne den Namen Asperg sein eigener nicht soweit in deutsche Lande hinaus geklungen. Wer Schubart’s Leben genau prüft, von seinen Studienjahren und dem Magisterthume zu Geißlingen an bis auf den Organisten von Ludwigsburg und den Chronikenschreiber in Ulm, der muß gestehen, daß es ein zerfahrenes und ruheloses war, in welchem sich kein volles, harmonisches Schaffen entwickeln konnte.

So reich mit Talenten begabt, zersplitterte er dieselben nach allen Seiten. Wenn er am Claviere, das er meisterhaft zu spielen verstand, Beifall errungen, begann er zu improvisiren oder er hielt eine dramatische Vorlesung unter dem Staunen und Grausen der Zuhörer, von denen die Einen seine beredte

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 300. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_300.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)