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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

entweder die kleine Lampe aufgestellt wird, oder welcher mit Aesten und Ranken versehen ist, an welchen die kleinen Lampen an Ketten aufgehängt werden. Wie will man das schwere Becken einer Petroleumlampe auf einen so zarten Schaft stellen?

Nun geht es weiter, Abtheilung nach Abtheilung. Ist es keine Lampe, so sei es ein Leuchter. Hier ist ein Hauptwerk des Mittelalters, von dem berühmten Bernward von Hildesheim. Ja, was hilft es ihm? Unten kühne Drachenverschlingungen, aus denen Löwen- und Menschenfiguren hervorragen, nach oben hin ein schlanker Schaft mit einer dünnen Platte und einem Dorn, der zum Aufstecken des Lichtes bestimmt ist. Hier diese Leuchter des sechszehnten Jahrhunderts wären schon eher zu brauchen: breiter Fuß, fester gedrungener Schaft, aber bald sind sie zu kurz, bald zu lang. Alle sind sie darauf eingerichtet, eine schlanke Kerze aufzunehmen.

So war es denn also nichts mit der Vorbildersammlung, und der Herr Werkführer erzählt Abends triumphirend in seiner Stammkneipe, daß er es längst gesagt habe, daß bei diesen Museen nichts zu machen wäre, die Herren sammelten alte Scharteken, sie wären aber nicht praktisch und wüßten nicht, was der Arbeiter brauche. Schließlich findet sich eine ganze Gruppe derartiger Handwerker und Fabrikanten, welche von den Museen, ihren Zeichenanstalten, ihren Schulen etc. fordern, diese Anstalten sollten ihnen direct brauchbare Modelle schaffen; in Frankreich und England gäbe es ja so manches Schöne, das könnte man kaufen, daran habe man Vorbilder. Einem derartigen Verlangen ist nun wirklich gelegentlich nachgegeben worden, und was ist das Resultat? Ein organisirter, mit Staatsmitteln unterstützter Diebstahl fremder Muster, eine systematische Beförderung der Gedankenlosigkeit und des Schlendrians.

Wie soll denn nun aber unser Werkführer im Museum zu seinem Lampenmodell kommen? auf welche Weise können denn diese Alterthümer für den Handwerker lehrreich sein? Der Weg, der einzuschlagen ist, ist sicherlich ein anderer. Hier stehen also die griechischen Bronzen, Vasen, Candelaber etc. als mustergültige Vorbilder. Inwiefern sind sie denn mustergültig? Dieses Stück, das wir als vortrefflich anerkennen, erfüllte vor dreitausend Jahren in Griechenland seinen Zweck in vollkommener Weise und brachte auch äußerlich seine Eigenschaften zur vollsten künstlerischen Geltung. Die griechische Lampe war technisch anders eingerichtet als die unseren, folglich mußte sie auch künstlerisch eine durchaus andere Gestalt annehmen. Aber prüfen wir nun einmal, welche Klarheit und Gesetzmäßigkeit in den Formen ist. Jeder einzelne Theil ist seiner Bestimmung gemäß fein und durchsichtig herausgearbeitet. Wovon ging der Grieche bei seiner Bildung aus? Es liegt eine Gesetzmäßigkeit in dem ganzen Aufbaue und der Durchbildung derselben. Diese Gesetzmäßigkeit ist es, die wir kennen und uns zu eigen machen müssen, um nach denselben Gesetzen selbständig etwas Neues zu bilden. Zu Grunde legen müssen wir das Bedürfniß der Jetztzeit und es in derselben Folgerichtigkeit formell darstellen, wie die griechische oder sonst eine gute gesunde Zeit es mit ihren Bedürfnissen gemacht hat. Leicht ist dies allerdings nicht. Wir wollen in einer Reihe von folgenden Artikeln nachzuweisen suchen, was in den einzelnen Gebieten des Kunsthandwerks zu fordern ist.





Der Börsen- und Gründungsschwindel in Berlin.
Von Otto Glagau.
5. „Subscription“ und „Einführung“.


Wie viel Stadien hat nicht erst ein Friedens- oder Allianzvertrag zu durchlaufen; wie viel Conferenzen und Verhandlungen sind vorher nöthig! Welche Mühe kostet nicht das Einstudiren eines Schauspiels; wie viel Vorbereitungen und Zurüstungen sind nothwendig, bevor es wirklich zur Aufführung kommt! Welche Kämpfe finden selbst zwischen Mitarbeiter und Redacteur, oft wegen eines einzigen Journal-Artikels statt! Von alledem erfährt das Publicum so gut wie nichts; was ihm geboten wird, sind vollendete Thatsachen, fertige Producte. – Mit den Gründungen verhielt es sich noch ganz anders. Hier geschah alles Wesentliche und Wirkliche hinter den Coulissen. Alles war bereits abgekartet und eingefädelt, und was an die Oeffentlichkeit trat, war bloßer Hokuspokus, allein darauf berechnet, die Menge zu verblenden und einzufangen.

Mit dem „Prospect“, welcher von der glücklich erfolgten Gründung Kunde gab, die neue Actiengesellschaft in den rosigsten Farben malte und den Actionären Gewinn über Gewinn verhieß – war die Einladung zur Subscription verbunden. An dem und dem Tage und an den und den Orten wurde das Actiencapital, ganz oder theilweise, zur Zeichnung aufgelegt, dem Publicum zum Pari-Course (100) oder darüber angeboten. Und nun herbei, Ihr guten Leute, die Ihr Geld im Beutel habt und Willens seid, es sicher und mit Vortheil anzulegen! Versäumt ja die Stunde nicht. Sie bedeutet Euer Glück und sie kehrt nicht wieder. Und sie kamen in hellen Haufen; sie versperrten die Straße; sie belagerten das Haus, und als die Thüren sich endlich öffneten, quoll der Strom herein, und in einem Augenblick waren die ausliegenden Bogen mit Unterschriften bedeckt. Der Eine zeichnete 100 Thaler, der Andere 500, der Dritte 1000, der Vierte 3000, der Fünfte 10,000 Thaler. „Drei-, fünfmal überzeichnet!“ „Kolossal überzeichnet!!“ meldeten noch an demselben Abend die Zeitungen im Chor. „Die Zeichnungen müssen erheblich reducirt werden!!“

Das war aber in der Regel Alles bloßer Hokuspokus. Nichts weiter als ein von den Gründern in Scene gesetztes Spectakelstück. Jene Leute, welche sich an der Zeichnungsstelle drängen und stoßen, sind Commis und Ausläufer von verbündeten oder befreundeten Geschäftshäusern oder gemiethete Dienstmänner, welche man heute in Paletot und Cylinder gesteckt hat, und zu ihnen gesellen sich Müßiggänger und Neugierige. Hin und wieder verirrt sich auch wohl ein Privatmann; getäuscht von dem Treiben, zeichnet er eine Summe und erhält sie, trotz aller „Reductionen“, unvermeidlich und – voll.

Die „Neue Börsen-Zeitung“, die sich überhaupt des Publicums gegen die Börsianer ritterlich annahm, beleuchtete den „Subscriptions-Humbug“, wie sie ihn nannte, wiederholt und kritisirte ihn scharf. Sie tadelte namentlich die „Discontogesellschaft“, welche in zwei Fällen, bei Gelegenheit der Ungarischen Eisenbahn-Anleihe und der Aachener Discontogesellschaft, den Subscribenten „die Thüren blos der Formalität wegen geöffnet hatte, um sie dann gleich wieder zu schließen“. Aber etliche herzhafte Leute, fügte das Blatt hinzu, hätten sich nicht wie Narren heimschicken lassen, wären so energisch aufgetreten, daß man ihnen noch ein „Pöstchen aus dem Privatschatz“ abgelassen.

Das war aber auch wieder Hokuspokus. Bloße Reclame für die beiden Papiere, um den Cours zu treiben und das Publicum lecker zu machen. – Der Privatmann betheiligte sich nicht wohl schon an den Subscriptionen, und wenn er’s dennoch that, zeichnete er nicht selber, sondern ließ durch seinen Banquier zeichnen. Die Banquiers aber hatten es nicht nöthig, sich an der Zeichnungsstelle zu drängen: sie gaben ihre Ordres einfach schriftlich und vorher mittelst der Post auf.

Wirkliche Ueberzeichnungen kamen nur ausnahmsweise vor, und dann geschahen sie von Börsenspeculanten, welche ohne Rücksicht auf die Gründung selber, deren eigentlichen Werth sie ebensowenig wie das große Publicum kannten und zu beurtheilen vermochten, ein besonderes Vertrauen hatten zu der „starken“ und „glücklichen“ Hand der Gründer. Aber von jeder netten Gesellschaft mußten die Zeitungen eine „sehr erhebliche“ oder gar eine „kolossale“ Ueberzeichnung vermelden, und laut besonderer Bekanntmachung wurde dann stets eine „Repartition“ vorgenommen. Immer waren die Gründer so edeldenkend, in erster Reihe die kleinen Zeichnungen zu berücksichtigen, den sonnenklaren Prosit zunächst den minder wohlhabenden Leuten zu gönnen.

Inmitten dieser regelmäßigen „Ueberzeichnungen“ und obligaten „Reductionen“ mußte es umsomehr auffallen, als

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_234.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)