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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

stehen,“ unterbrach ich ihn – „sie genau so auf dem Papier zu bereiten, wie ich es in Wirklichkeit gethan. In Deutschland giebt es Kenner, und ich möchte gern mit Ehren bestehen.“

Ich beruhigte den Medicus mit eigenen Worten, die er uns damals zugerufen: „Nur unbesorgt! Verlassen Sie sich ganz auf mich!“




Ein Sonntagskind.

Der 5. October des Jahres 1834 war ein Sonntag. In dem Dorfe Groß-Tschacksdorf in der Niederlausitz ruhten alle Hände von den Mühen der Woche, und in der Schenke tönte

Paul Thumann
Nach einer Photographie.

wohl die Fidel zum lustigen Tanze, als in den Jubel die Kunde erscholl dem Lehrer F. Thumann sei ein munterer Junge geboren. „Ein Sonntagskind – ein Glückskind!“ – dieser Zuruf, mit welchem man den Knaben schon in der Wiege begrüßte, hat sich an dem Jünglinge und Manne reichlich und köstlich bewahrheitet: wenn man heute die besten Namen der deutschen Kunst nennt, dann bleibt auch Paul Thumann’s Name nicht ungenannt. Und das mit Recht! Hat er doch in seinem Schatten vor allem demjenigen Element einen reinen und vollgültigen Ausdruck geliehen, welches man das wahre Element aller lebensvollen Kunst nennen darf, dem Volksthümlichen; ja, war der Meister ein Sonntagskind, so war seine Kunst ein Volkskind und darum ein echtes Musenkind; denn daß die wahre Kunst ein Kind des Volkes ist und nicht bei den „Höfischen“ in die Schule geht, daß des Volkes Kraft und Gesundheit ihre eigentlichen Zeugerinnen, des Volkes Gemüth und Phantasie ihre besten Erzieherinnen sind, das lehrt uns tausendfältig die Geschichte. Immer und immer strömt das Quellwasser der echten Kunst daher, wo auch echte und schlichte Menschennatur ist – aus der Mitte des Volks.

Ein deutsches Dorfschullehrerheim und darin ein Leben voll Arbeit und Mühe, voll Sorge und Entsagung – das sind die frühesten Erinnerungen unseres Künstlers. Die Eltern hatten rechtschaffen zu thun, um mit den geringen Mitteln eines Lehrers die nöthigsten Bedürfnisse zu bestreiten, ein Zustand, der auch noch andauerte, als der Vater im Jahre 1838 als Kantor und Organist nach dem benachbarten Pförten versetzt wurde. Während die gute Mutter von früh bis in die Nacht hinein bemüht war,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_220.jpg&oldid=- (Version vom 26.9.2021)