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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


Bekanntlich verdanken die grünen Theile der Gewächse ihre Farbe der Gegenwart kleiner grün gefärbter Körnchen, die besonders reichlich in den der Oberfläche zunächst liegenden Zellen des Pflanzenkörpers enthalten sind. Diese Körnchen bestehen jedoch nicht völlig aus jenem Blattgrün oder Chlorophyll genannten Farbstoffe, sondern enthalten außer stickstoffhaltiger Materie einen innern Kern von Stärkemehl, welches sich unter dem Einflusse des Sonnenlichts aus dem Chlorophyll bildet. Professor Kraus beobachtete nun, daß in allen den Gewächsen, die im Winter ihre frische grüne Farbe einbüßen, die Chlorophyllkörner zunächst mißfarbig, dann gelblich oder röthlichbraun werden, ihre Form verlieren und sich zu einer wolkigen Masse auflösen, die sich von der äußern Wandung nach dem Innern der Zelle zurückzieht, und dort zu einem gestaltlosen Klümpchen zusammenbäckt. Allein damit ist dieser Zelleninhalt, welchem die hauptsächlichste Lebensthätigkeit der Pflanzen, die Aufnahme und Verarbeitung der Luftkohlensäure im Sonnenlicht zufällt, keineswegs durch den Frost getödtet, denn wenn man im Winter einen Zweig vom Lebensbaum, Buxbaum oder der Stechpalme im warmen Zimmer in ein Glas mit Wasser stellt, so erlangt er schon nach wenigen Tagen die frühere lebendig grüne Färbung wieder.

Man kann sich noch durch einen anderen sehr augenfälligen Umstand von der Richtigkeit dieser Annahme überzeugen. Wenn man nämlich den verfärbten Lebensbaum oder ein anderes sich ähnlich verhaltendes Gewächs genauer betrachtet, so bemerkt man, daß die Unterseite der Blattschüppchen oder die von anderen Zweigen bedeckten Partien ihre grüne Färbung bewahrt haben, so daß also nur diejenigen Theile, welche ihre Eigenwärme gegen den freien Himmel ausstrahlen konnten, und dadurch besonders stark abgekühlt wurden, mißfarbig geworden sind. Bei den hierhergehörigen großblättrigen Gewächsen, dem Strauchbuxbaum oder der Stechpalme, sieht man die Blätter, welche von anderen beschützt wurden, genau so weit entfärbt, wie die Schutzdecke sie frei ließ. Ein anderer Botaniker, Batalin, der über denselben Gegenstand neuerdings Studien angestellt hat, glaubt diese Verfärbung des unbeschatteten Blattgrüns vielmehr den Sonnenstrahlen zuschreiben zu müssen. Er glaubt, daß diese Verfärbung im Winter nur deshalb auffälliger ist, weil sich das Blattgrün dann nicht so schnell neu erzeuge, als im warmen Sommer.

Aber wenn wir auch das Mysterium des Lebensbaumes als einen einfachen, durch Wärme-Zu- und Abnahme erzeugten physiologischen Proceß erkannt haben, wird uns dadurch die Poesie des in der Frühlingssonne aus seinem Winterschlaf oder Scheintod erwachenden Baumes nicht verkümmert werden. Schon die geistreiche Frau von Sevigné stimmte ihrer Tochter bei, welche auf die langweiligen immergrünen Bäume des südlichen Frankreichs gescholten hatte, und setzte hinzu, es sei schöner neu zu ergrünen, als immerfort grün zu bleiben. Allein noch nicht genug mit jener alljährlichen und darum alltäglich gewordenen Verjüngung im Frühjahre, bieten die meisten Lebensbaumarten noch eine andere geheimnißvollere Erscheinung dieser Art, die man erst in neuerer Zeit studirt hat, und die es vollends rechtfertigt, wenn man in diesen Bäumen ein besonderes Verjüngungs-Mysterium gesucht hat. Das aus dem Pflanzenreiche entlehnte Symbol der Unsterblichkeit und Auferstehung verhält sich nämlich ganz ähnlich demjenigen aus dem Thierreiche, welches die Christen auf ihren Grabsteinen abbilden, das heißt wie die sich aus der Chrysalide entpuppende Psyche. Denn eine Verwandlung, ähnlich jenem so oft von Dichtern und bildenden Künstlern gefeierten Vorgange, bietet auch der Lebensbaum, indem er sich in einer bestimmten Altersperiode plötzlich in ein ganz verschieden aussehendes Gewächs verwandelt.

Unsere meisten Lebensbaumarten besitzen bekanntlich in dem erwachsenen Zustande, in welchem sie unsere Aufmerksamkeit erregen, statt der spitzigen Nadeln ihrer nächsten Verwandten, kleine, weiche und fleischige, sich in zierlicher Anordnung dachziegelförmig deckende Schüppchen. Wenn man aber die Samen unseres amerikanischen Lebensbaumes keimen läßt, so erzieht man daraus ein Pflänzchen, welches gleich dem Wachholder statt der Schuppen spitzige Nadeln aufweist und der Mutterpflanze gar nicht ähnlich sieht. Kaum erreicht es jedoch das Alter weniger Jahre, so zieht der Adamsbaum den alten Adam aus, und an Stelle der abstehenden Nadeln erscheinen an den Zweigspitzen angedrückte Schüppchen, und der stachlige Charakter weicht einer anmuthigen, wir möchten sagen weiblichen Zierlichkeit. Pfropft man jedoch einen solchen jungen, noch mit seinen Nadeln versehenen Trieb auf einen älteren Stamm, so treibt das Pfropfreis immer wieder Nadeln, und ähnlich verhalten sich einzelne Exemplare auch freiwillig, die dann der gewöhnlichen Form des Lebensbaumes so wenig gleichen, daß sie von tüchtigen Botanikern für ganz verschiedene Nadelholzarten angesehen und unter den Namen Retinospora ericoïdes und juniperoïdes beschrieben worden sind. Eine Form des amerikanischen Lebensbaumes, deren untere Zweige Nadeln, die oberen Schuppen tragen, wird von den Gärtnern mit dem Namen Retinospora Ellwangeri bezeichnet. Uebrigens ist auch diese Erscheinung nicht auf die Lebensbäume allein beschränkt, sondern den meisten Nadelhölzern aus der Abtheilung der Cypressen eigen, die in ihrer ersten Lebensperiode, mögen sie nachher aussehen, wie sie wollen, in einem dreigliedrigen Quirl stehende Nadeln zeigen. Bei solchen ausländischen Nadelhölzern, die aus dem Samen gezogen wurden, welchen man aus der Ferne gesandt erhalten hatte, brachte diese Art der Verwandlung zuweilen das höchste Erstaunen ihrer Züchter hervor, zum Beispiel bei der chinesischen Trauercypresse (Cupressus funebris), welche ihre Physiognomie allmählich vollständig änderte. Eine ähnliche Schalkheit sind wir bekanntlich von unserm Epheu gewöhnt, welcher, wenn er in der Blüthezeit seines Lebens steht, zu klettern aufhört und seine schöne stilvolle fünflappige Blattform mit einem schlichten Oval vertauscht.

Das sind Erscheinungen, die den Forscher mit Nachdenken erfüllen, da sie in mancher Beziehung an den Generationswechsel der Thiere erinnern und kaum aus äußeren Rückwirkungen zu erklären sind, wie jener periodische Farbenwechsel, der dem Volke als Sinnbild des auf- und abwogenden Lebens, des Sterbens und Wiedererwachens aus der Mumie erschien.





Eine Pyramiden-Bowle bei Vollmondschein.
Von Adolf Ebeling.

Wir saßen in heiterer Gesellschaft auf dem Balcon des Bey’s und erfrischten uns an der Abendkühle, die von dem jenseits liegenden Palmengarten zu uns herüberwehte. Der Diener des Hauses, der dunkelbraune Ali, in buntem Turban und weißem Gewande, ging ab und zu mit Kaffee und Limonade, und ein schwefelgelb gekleideter kleiner Neger, schwarzblank wie ein frisch gewichster Stiefel, präsentirte die Tschibuks und sorgte dafür, daß die ellenlangen Pfeifen nicht ausgingen. Die Damen rauchten kleine türkische Cigaretten, was ihnen sehr gut stand und, wie sie versicherten, noch besser schmeckte. … In Kairo rauchen bekanntlich alle Damen, und die europäischen machen gern die Mode mit. Der Mond war bereits über dem Mokattamgebirge heraufgekommen: eine große, mattbleiche Kugel, die aber mit jeder Viertelstunde silberner und silberner und zuletzt zu einer goldenen wurde, die alsdann mit einer Lichtfülle die ganze Landschaft übergoß, so magisch, so blendend, wie sie eben nur dem ägyptischen Himmel eigen ist.

„Wenn die Citadelle mit ihren Kuppeln und Minarets uns nicht die Aussicht verdeckte,“ sagte Einer aus unserer Gesellschaft, „so müßte man hier von diesem Balcon aus die Pyramiden sehr gut sehen können.“

„Die Pyramiden!“ rief in plötzlichem Enthusiasmus ein Maler, der sich gleichfalls unter uns befand, „meine Herrschaften, das bringt mich auf eine Idee, und ich mache einen Vorschlag zur Güte: wie wär’s, wenn wir hinausführen, um die Pyramiden im Mondschein zu besuchen? Heute ist es zu spät, aber morgen Abend, und morgen ist noch dazu gerade Vollmond. Was sagen Sie dazu? Darf ich abstimmen lassen? Ich fange bei den Damen an, die mir gewiß keinen Korb geben werden.“

Während des Hin- und Herredens benutze ich die Gelegenheit,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_216.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)