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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

gelegt und das Ganze in Segeltuch eingenäht und mit einer Tragstange für zwei Mann versehen.

In einen großen Baum, welcher in der Nähe stand, wurde Livingstone’s Name und Todestag eingeschnitten, und Chitambo versprach, die Umgebung von Gras freizuhalten, um den Baum vor den öfteren zerstörenden Buschfeuern zu bewahren. Außerdem errichteten sie noch zwei dicke Holzstämme mit einem Kreuzstück von ähnlicher Stärke, welche mit Theer, der für das Boot bestimmt gewesen war, angestrichen wurden. Dieses Zeichen wird vermöge seiner Solidität wohl manche Generation überdauern. Zum Zeichen ihrer Anwesenheit für zukünftige Reisende erhielt Chitambo eine blecherne Biscuitkiste mit englischen Zeitungen. Der Häuptling versprach, Alles zur Erhaltung der Zeichen zu thun, wofern er nicht von den Mazitu verdrängt werde.

So setzten sie ihren traurigen Weg fort, den See Bangweolo an der andern Seite umgehend, dann die gekommenen Wege zurück, den Tanganyika am Südende berührend, in möglichst directer Richtung dem Land Unyanyembe zu, wo sie die betretenere Handelsstraße der Küste zu verfolgten und endlich im Februar 1874 in Zanzibar die sterblichen Ueberreste ihres geliebten Herrn dem englischen Consul Prideam übergeben konnten.

Die zugleich mit überlieferten Papiere erwiesen sich in Anschluß an die früher bereits von Mr. Stanley zurückgebrachten Schriften als die vollständige Wiedergabe der verflossenen achtjährigen Reiseperiode, so daß auch nicht eine einzige Lücke zu beklagen ist. Dieselben zu ordnen, schien allerdings anfänglich kaum möglich. Durch die vorerwähnte Benutzung von Zeitungspapier, mit gelbem Saft beschrieben, und durch die oft zitternden Schriftzüge des Kranken schienen sich der Entzifferung unüberwindliche Schwierigkeiten entgegenzusetzen. Schließlich gelang es einigen mit seiner Handschrift völlig vertrauten Personen, die Aufzeichnungen mit Hülfe von Vergrößerungsgläsern zu entziffern. Dennoch wäre eine Ordnung der Papiere unmöglich gewesen, wenn nicht Livingstone mit eiserner Consequenz täglich das Datum und die Jahreszahl eingeschrieben hätte. Zugleich lagen viele Skizzen bei. Obgleich nicht Künstler, hatte er sich doch eine gewisse rohe Manier der Skizzirung angeeignet, welche als Unterlage für die spätere Ausführung vollständig genügte. Ferner fanden sich alle Gegenden, die er durchzogen hatte, topographisch aufgenommen, wonach eine genaue Karte mit geringer Mühe zusammengestellt werden konnte.

Wir haben aus dem zur Verfügung stehenden Material das dramatisch abgeschlossene Ende herausgehoben und alle Begebenheiten bis dahin nur in großen Linien angeführt. Des Neuen und Interessanten in dem Buche ist soviel, daß der Herausgeber und Freund Livingstone’s, Horace Waller in Twywell, nicht mit Unrecht von einem „Zuviel des Guten“ spricht.

Für Alle, die sich für die Sache interessiren, wird es angenehm sein, zu hören, daß die deutsche Ausgabe dieser Aufzeichnungen unter dem Titel: „Letzte Reise von David Livingstone in Central-Afrika von 1865 bis zu seinem Tode 1873“ in den nächsten Tagen erscheinen wird.[1]

A. H.


  1. Wir sehen uns zu der ausdrücklichen Bemerkung veranlaßt, daß unsere beiden Abbildungen nicht in den xylographischen Ateliers der Gartenlaube gefertigt worden, sondern nur Clichés der englischen Originalausgabe sind.
    D. Red.


Die amerikanische Nationalhymne.


Von Eduard Leyh.


Auch in unseren aufgeklärten, nüchternen Tagen giebt es noch Zauberlieder, welche mit unwiderstehlicher Gewalt die Gemüther ergreifen und selbst philisterhafte Naturen aus ihrem Gleichmuthe rütteln, Lieder, die in der Hand des Zeitgeistes zu Ruthen werden, mit denen er die Völker aus dem warmen Bette träger Gewohnheit scheucht. Meistens entstehen dieselben wie über Nacht, mitunter aber kennt man Text und Melodie jahrelang, das Lied bleibt jedoch unbeachtet, weil seine Stunde noch nicht geschlagen hat. Kommt dann endlich die rechte Zeit, dann erhält plötzlich jedes Wort einen tieferen Sinn, jede Strophe der Melodie einen eigenen, früher nie geahnten Reiz, und wie ein geistiges Contagium fliegt das Lied durch die Nation; im Palaste und in der Hütte, im Putzzimmer und in der Küche, in der Schenke und im trauten Familienkreise singt, trillert, brüllt, summt und pfeift man die geheimnißvolle Weise; im Norden und im Süden, auf dem Markte, und auf dem Felde, im rasch pulsirenden Leben des Städters und in der tiefsten Waldeinsamkeit, allüberall ist das Lied; es macht Greise zu Jünglingen und Hasenherzen zu Helden; es erzeugt todesfreudige Begeisterung und reißt Tausende mit sich in das Gewühl der mörderischen Schlacht.

Luther’s mächtiger Choral war seiner Zeit ein solches Zauberlied und derselbe hat seine Kraft durch drei Jahrhunderte hindurch bewährt bis auf den heutigen Tag. Der rauschende Schlachtgesang des spanischen Erbfolgekrieges gehört in diese Classe. Er wurde fast gleichzeitig am Rheine, in den Niederlanden, in den Urwäldern Nordamerikas gehört, und das Marlborough-Lied hatte noch gegen Ende des letzten Jahrhunderts seine Macht über die Gemüther nicht verloren, sagt nicht Goethe in seinen römischen Elegieen:

„So verfolgte das Liedchen ‚Marlbrough‘ den reisenden Briten.
 Einst von Paris nach Livorn; dann von Livorno nach Rom,
Weiter nach Napel hinunter, und wär’ er nach Smyrna gesegelt,
 ‚Marlbrough‘ empfing ihn auch dort! ‚Marlbrough‘ im Hafen das Lied.“

Der Gesang vom meerumschlungenen Schleswig-Holstein darf unter die Zauberlieder gerechnet werden, sogar Niklas Becker’s Rheinlied hat gewissen Anspruch auf diesen Rang. – Und erst die „Wacht am Rhein“! Welcher Deutsche wüßte nicht, was dieses Lied für das neue Reich gethan hat! Es wird kaum festzustellen sein, welcher Antheil des Verdienstes an Deutschlands glorreichem Feldzuge auf den Schmalkaldener Liedercomponisten Karl Wilhelm kommt, aber Niemand kann es wagen, dessen Anspruch in Abrede zu stellen. Die „Wacht am Rhein“ half Schlachten gewinnen und Festungen erobern. Sie half Mühsale und Strapazen ertragen; sie hat Gefangene getröstet und Verwundeten ihre Schmerzen erleichtert, und unter ihren Klängen stürzten sich Tausende freudig in den blitzenden, qualmenden Tod. Es ist wohl kaum eine Uebertreibung, wenn man sagt: „Moltke hat Tausend, die ‚Wacht am Rhein‘ aber hat Zehntausend geschlagen;“ Schneckenburger’s Lied war der Ausdruck nationaler Begeisterung und dasselbe wird auf lange Zeit den Rang als deutsche Nationalhymne behaupten.

Auch andere Völker haben den Zauber solcher Lieder erfahren; noch heute lebt im Munde der Schotten das Cameron’s gathering, und das alte Lied, welches bereits vor Jahrhunderten die sächsischen Feinde der Hochländer hörten, übte am Tage von Waterloo aus Hochländer und Anglo-Sachsen auf’s Neue seinen Zauber aus. Die Marseillaise war ein solches Zauberlied und hat unter Hoche, Marceaux und Kleber, vor allen Dingen aber unter Napoleon Bonaparte Wunder gewirkt; daß ihre Wunderkraft im letzten Kriege entschwunden war, ist selbstverständlich, hatte doch Napoleon der Dritte während seiner Regierungszeit dieses Lied streng verboten.

Die amerikanische Republik hat gleichfalls ihre Marseillaise; der Zauber derselben ist noch ungeschwächt, hat doch erst neuerdings ein Enthusiast dreihunderttausend Dollars verwilligt, um dem Dichter der amerikanischen Nationalhymne ein Monument zu errichten. Dieser Umstand, speciell aber die Thatsache, daß viele Tausende von Lesern der „Gartenlaube“ das Lied kennen und lieben, veranlaßt mich, eine deutsche Uebersetzung desselben, sowie eine kurze Geschichte seiner Entstehung hier mitzutheilen.


Das Sternenbanner.

O sprich! kannst du seh’n bei der schwindenden Nacht,
Was wir freudig noch grüßten im Abendrothsglanze,
Uns’re Streifen und Sterne, die während der Schlacht
Im Winde geflattert, dort, hoch auf der Schanze?
Der Raketen Gesaus, – und der Bomben Gebraus
Verkünden durch’s Dunkel: die Flagge hält aus!
O sprich! weht das Banner im Morgenlichtsschein
Noch über den Helden, im Lande der Frei’n?

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_204.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)