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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


und wenn ich, wie ich ihm eben gesagt, keine Vorsichtsmaßregeln gegen einen Mißbrauch dessen, was nun einmal geschehen, getroffen, und keinen Revers in Händen habe, dann könne ich in eine üble Lage gerathen. Er wolle durchaus nicht die Loyalität des Herrn von Maiwand in Zweifel ziehen; aber Herr von Maiwand könne sterben, und dann würden sich sicherlich Erben melden, die mein Gut als ihr Eigenthum betrachten würden. Er könne von Gläubigern – da deren vorhanden zu sein scheinen – gedrängt werden, und diese, wenn sie von dem Kaufe vernommen, auf Haldenwang Hand legen wollen; ich könne also unmöglich der Sache ruhig ihren weiteren Verlauf lassen; ich müssen mir von Maiwand einen Revers verschaffen, der entweder notariell oder doch mindestens durch Unterschrift von Zeugen bekräftigt sei. Weigere sich Herr von Maiwand, diesen auszustellen, so müsse ich sofort wider ihn klagen – ich habe dann das Mittel, ihm den Eid zuschieben zu können, und schlimmsten Falls ließen sich Beweise herbeischaffen, daß Maiwand gar nicht im Stande gewesen sei, etwas anderes als einen bloßen Scheinkauf abzuschließen. Mit dieser Auskunft kehrte ich vom Justizrathe heim – in welcher Aufregung können Sie sich denken. So fand ich Maiwand hier, und nach den ersten Worten über die Sache sah ich, daß er in der zornigsten Stimmung war, sah mich in einer Lage ihm gegenüber, die mich ganz außer mich bringt. Um das Uebel vollständig zu machen, waren Sie nun noch dagewesen und hatten ihn gefordert – ich bitte Sie um Gotteswillen, welcher Wahnsinn! Wollen Sie ihn erschießen und so das herbeiführen, was für mich am allerschlimmsten wäre, wie der Justizrath mir auseinandergesetzt hat? Was geht Sie überhaupt die Sache, was geht Sie Maiwand an?“

Ein wenig bestürzt versetzte Landeck:

„Ich bedaure tief, wenn ich etwas gethan haben sollte, was durchaus gegen Ihre Interessen ist, gnädige Frau, aber es ist leider geschehen, und dieses Duell muß ich ausfechten, jetzt, nachdem ich so übermüthig dabei als der Herausforderer aufgetreten.“

„Ich will es aber nicht – hören Sie, ich will es nicht, Landeck. Sie sollen mir Ihr Ehrenwort geben …“

„Ehe Sie das verlangen, gnädige Frau,“ fiel Landeck ein, „müssen Sie hören, wie Alles sich gemacht und geschickt hat – und dann urtheilen Sie! Ich will Ihnen rückhaltlos Alles erzählen. Aus der merkwürdigen Verschwiegenheit, die ich über alle Verhältnisse der Familie Escher hier waltend finde, ist ja ohnehin schon Unheil genug entstanden. Darum sage ich Ihnen erstens Alles, was ich gestern erfuhr, auch wenn es Ihre Angst um Ihr Verhältniß zu Maiwand nur vermehren kann, indem es Ihnen zeigt, welchen Charakter im Grunde dieser Mann hat, dem Sie so sehr vertrauten.“

(Fortsetzung folgt.)




Ein Triumph der Selbsthülfe.


Trotz aller schönfärberischen Redensarten ist es eine nicht wegzuleugnende Thatsache, daß der Schauspieler, der Bühnenkünstler überhaupt, innerhalb der Gesellschaft auch heutzutage noch vereinsamt und fast gemieden dasteht. Der Kern der Gesellschaft, das eigentliche Bürgerthum, hat im Großen und Ganzen außerhalb des Theaters wenig Sympathien für die Jünger Thaliens. Man wird mir den Vorwurf eines allzu pessimistischen Urtheils machen wollen, aber die Erfahrung läßt mich auf meinem Standpunkte beharren. Der geneigte Leser, welcher an der Wahrheit meiner Worte zweifelt, möge sich selbst auf das Gewissen fragen: ob er nicht in der Nähe eines Menschen, der sich ihm als Schauspieler zu erkennen gab, etwas von jenem achtungsvollen Grauen verspürt, welches uns bei der Berührung zweifelhafter Existenzen mit zwingender Gewalt zu überfallen pflegt? – Ich weiß sehr gut, daß diese Gefühle achtungsvoller Scheu jenen Bühnenkünstlern gegenüber nicht mehr Platz greifen, welche Talent und Glück zu Mitgliedern großer Hof- und Stadttheater machten. Diese Herren und Damen befinden sich in fester, reich dotirter Stellung und sind schon darum den bürgerlichen Verhältnissen näher gerückt. Sie bilden aber die Minderzahl des Standes. Die ungeheure Mehrzahl desselben unterliegt sicherlich noch den obengeschilderten Antipathien der Gesellschaft.

Und worin liegt das? –

Zuerst, glaube ich, liegt es in der eigenthümlichen Stellung, welche der Schauspieler als Staatsbürger innerhalb des Rechtsstaates einnimmt. Es ist ihm leider sehr schwer gemacht, sein gutes Recht ungeschmälert zu erhalten. Die Contracte, welche er unterschreiben muß – denn alle Verträge der Bühnen zweiten Ranges sind bezüglich ihrer Paragraphen von wahrhaft rührender Aehnlichkeit – sind meist so verclausulirt, daß der Richter in etwaigen Streitfällen nicht umhin kann, ihm Unrecht zu geben. Handelt es sich um technische Fragen, so ist der Richter größtentheils nicht befähigt, dieselben ihrem innersten Wesen nach zu verstehen. Im Rheinlande ist in dieser Beziehung der Code Napoléon für den Bühnenkünstler eine wahre Wohlthat, denn er hält streng auf Herbeiziehung von erfahrenen Sachverständigen. Im Allgemeinen übergeht der Richter gern die Zuziehung derselben. Die in seinen Augen geringen Klagobjecte dünken ihm dazu nicht wichtig genug. Werden sie aber herbeigezogen, so sind es gewöhnlich keine wahrhaft Sachverständigen, das heißt, es sind nicht Leute, welche das Theater auch wirklich genau kennen. Außerdem ist der Richter immer geneigt, der Autorität – dem Director – beizuspringen.

Ein überaus langsames Proceßverfahren, welches dem Bühnenmitgliede monatelanges Warten auferlegt, in Fällen, wo der Hunger schon vor der Thür steht, die Vertheuerung des gerichtlichen Einschreitens durch den Domicilwechsel – alle diese Uebelstände machen das Processiren für den Schauspieler fast aussichtslos. Er processirt also nicht und hilft sich selbst, so gut er kann. Das ist aber ein Verfahren, welches ihn der Gesellschaft eines Rechtsstaates entfremden muß. –

Der zweite und zwar der Hauptgrund für die Isolirtheit des Standes scheint mir in der großen Aussichtslosigkeit zu liegen, welche ihm von jeher als charakteristisches Merkmal anhaftete. Die Aussichten eines Bühnenkünstlers sind – namentlich für das hereinbrechende Alter – von sprüchwörtlicher Trostlosigkeit. Ist es aber möglich an eine Blüthezeit der deutschen Bühne zu glauben, so lange nicht ihre Jünger innerhalb der Gesellschaft eine durchaus geachtete Stellung einnehmen? Diese wird ihnen aber gewiß nicht fehlen, sobald der Fluch der Aussichtslosigkeit von ihnen genommen ist, sobald die Verhältnisse ihnen gestatten, sich als vollberechtigte Staatsbürger zu fühlen, sobald sie einer gesicherten Existenz im nicht mehr erwerbsfähigen Alter entgegensehen können.

Schon das Jahr 1857 sah einen Versuch, das Alter des Schauspielers zu sichern. Der Geheime Hofrath Louis Schneider in Berlin, der sich für die ehemals von ihm ausgeübte Kunst und ihre Jünger ein warmes Herz bewahrt hat, ergriff zu diesem Zwecke die Initiative. Er gründete die „Perseverantia“, eine Art Rentenversicherungsanstalt, und verband dieselbe mit einem Engagementsvermittelungsbureau. Die letztgenannte Institution sollte dem Unwesen der meisten Theateragenturen entgegentreten. Aber Gleichgültigkeit, Neid und Bosheit brachten die Perseverantia schon nach wenigen Jahren zu Falle und die deutschen Bühnenangehörigen waren wieder um eine Hoffnung ärmer.

Es kam das Jahr 1869. Dieses Jahr brachte dem deutschen Theater Neuerungen, die aber keine Verbesserungen waren. Diese Neuerungen aber gipfelten in dem zusammengesetzten Hauptworte „Theaterfreiheit“. Die bestehende Gesetzgebung wurde durch die Theaterfreiheit – namentlich bezüglich des Concessionswesens – in erheblicher Weise alterirt oder ganz über den Haufen geworfen und die modernen Gesetzgeber stellten – wenn nicht dem Worte, so doch dem Sinne nach – fest, daß das deutsche Theater nicht zu den Kunstanstalten zu rechnen sei, daß es viel mehr zu den Gewerben gehöre, und daß Directoren wie ausübende Mitglieder Gewerbtreibende seien.

Man braucht nicht gerade eine sentimentale Natur zu sein, um den Sieg dieser Ansicht für einen beklagenswerthen zu halten. Das Streben nach Selbstverwaltung, der Wunsch, der lästigen Bevormundung des Staates soviel wie möglich zu entgehen, das Sehnen nach möglichster Freiheit der Individuums innerhalb des Staatswesens – alles das ist ja vollberechtigt, nützlich und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_094.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2020)