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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

das wirthschaftliche Wohlergehen seines Volkes angelegen sein. Seine Wirthschafts- und Gewerbeordnungen enthalten unter Anderem genaue Angaben über das Verfahren beim Weben, Walken, Rauhen, Scheeren und Färben des Tuches, welche Industrien noch bis auf den heutigen Tag in Aachen blühen. Ebenso bekannt ist die Aufmerksamkeit, welche der Kaiser den Wissenschaften, insbesondere dem Schulunterrichte, widmete.

Unter den interessanten Ereignissen, welche uns die Hofchronik berichtet, steht die Ankunft einer Gesandtschaft des Chalifen Harun al Raschid mit oben an. Die seltsamen Gäste aus dem fernen Morgenlande, welche dem Kaiser nach damaliger Sitte bekanntlich reiche Geschenke überbrachten, darunter einen Elephanten und eine höchst kunstvoll construirte astronomische Uhr, waren über die am kaiserlichen Hofe herrschende Pracht ebenso sehr erstaunt, wie sie selbst durch ihre fremdartige Erscheinung das höchste Aufsehen erregten. Außer dem prächtigen Palaste im Allgemeinen sollen es namentlich die kostbaren, aus massivem Gold und Silber bestehenden Tische gewesen sein, welche die höchste Bewunderung selbst dieser an die glänzende Hofhaltung der Chalifen gewöhnten Orientalen hervorriefen.

So hatte sich die Residenz des mächtigsten Fürsten des Abendlandes in wenigen Jahrzehnten von einem unbekannten kleinen Flecken zum höchsten Ansehen und Glanze emporgeschwungen und ihren Ruhm über die ganze damals bekannte Welt verbreitet; kaum minder schnell als ihr Aufsteigen war indessen auch ihr Hinabsinken von dieser Höhe. Nachdem der Schöpfer aller dieser Herrlichkeit nach einer siebenundvierzigjährigen ruhmvollen Regierung im Jahre 814 sein Haupt zur Ruhe gelegt, ging auch der von ihm erbaute Palast rasch seinem Untergange entgegen. Schon im Jahre 881 wurden Stadt und Schloß von den Normannen verwüstet, was sich sieben Jahre später wiederholte. Eine dritte Einnahme des Palastes erfolgte im Jahre 978 durch den fränkischen König Lothar. Auch hierbei wurde die Burg von den Troßknechten ausgeplündert und dann, wie der Chronist Thietmar berichtet, der als Zeichen der kaiserlichen Macht mit ausgebreiteten Flügeln auf dem östlichen Theile des Palastes stehende, nach Westen schauende goldene Adler, um den Wechsel der Herrschaft anzukünden, nach Südosten gewandt.

Nachdem der Palast zum vierten Male während der Kämpfe zwischen den Welfen und Hohenstaufen im Jahre 1198 von Otto dem Vierten von Braunschweig eingenommen war, wurde er in den Jahren 1224 und 1236 durch Feuersbrünste verheert und nach dieser Zeit begannen auch die von jenen verschont gebliebenen Theile in dem Maße, als die Blüthe und der Reichthum der dabei liegenden Stadt sich hob, immer mehr zu veröden. Die stolze Kaiserpfalz wurde zerstückelt, wie das Reich, welches einst von hier aus regiert worden war; einzelne Theile kamen als kaiserliches Lehen in den Besitz adeliger Geschlechter, Mauern und Thürme zerfielen oder wurden durch andere Bauten ersetzt, und so verschwand der Palast allmählich unter dem Wogenschlage der Zeit.

Von dem ganzen Baue ist außer den bereits erwähnten Mauerresten des Granusthurmes, und einigen Ueberbleibseln ehemaliger Gewölbe und Bogengänge nur die Palastcapelle, die Krönungsstätte von siebenunddreißig deutschen Kaisern (von Ludwig dem Frommen bis zu Ferdinand dem Ersten, 1531), erhalten geblieben. Die eigentliche casa regia ist völlig verschwunden; auf einem Theile ihrer Trümmer erhebt sich das im Jahre 1353 von dem damaligen Bürgermeister Gerhard Chorus erbaute Rathhaus; alles Uebrige hat dem Marktplatze weichen müssen, und nur das hier aufgestellte, den Marktbrunnen zierende Erzbild des großen Karl erinnert noch an jene Zeit.

Werfen wir zum Schlusse noch einen Blick auf das durch die nebenstehende Abbildung dargestellte Rathhaus.

Dieser von zwei mächtigen Thürmen flankirte, ursprünglich gothische Bau ist nach einem großen Brande, welcher die Stadt im Jahre 1656 verheerte und auch das Rathhaus mit ergriff, in dem Stile jener Zeit restaurirt und in Folge dessen in seinen äußeren Verzierungen von dem Zopfe jenes Zeitalters überwuchert, welches den edeln gothischen Formen überall seine Perrücke aufsetzte. Alte Abbildungen aus dem sechszehnten Jahrhunderte zeigen uns in den Nischen der dem Markte zugekehrten Nordfront die Bildsäulen der hier gekrönten Kaiser, welche ebenfalls verschwunden sind. Bei der bereits begonnenen Restauration ist man indessen sowohl darauf bedacht, jene späteren Anhängsel wieder zu entfernen, wie auch die verloren gegangenen Standbilder durch neue zu ersetzen.

Betreten wir das Innere, so steigen wir aus dem unteren Stock, welches die Bureaux und den Sitzungssaal der Stadtverwaltung enthält, durch ein ebenfalls der neueren Zeit angehörendes gothisches Treppenhaus zu dem im oberen Stock befindlichen und die ganze Breite des Rathhauses einnehmenden Kaisersaale hinauf, in welchem seiner Zeit die Krönungsfeierlichkeiten stattfanden.

Nachdem seit der Krönung Ferdinand’s des Ersten die Krönungsstätte nach Frankfurt verlegt und so der Saal für seinen ursprünglichen Zweck entbehrlich geworden war, hatte man, als nach jenem Brande überall an dem alten Bau geflickt wurde, auch diesen Saal durchbaut und den südlichen Theil desselben zu Arbeitszimmern hergerichtet, während die andere Hälfte einstweilen als Saal gelassen, aber ebenfalls im Perrückenstil zurechtgestutzt wurde. In dieser Gestalt diente er unter anderen feierlichen Gelegenheiten dem Congreß von 1748 als Sitzungssaal, und später im Jahre 1818 gab Friedrich Wilhelm der Dritte hier den zum Friedenscongreß in Aachen versammelten Monarchen ein Banket.

Der inzwischen in seiner früheren Gestalt wieder hergestellte, hundertundzweiundsechszig Fuß lange und sechszig Fuß breite Saal, dessen gewölbte Decke von vier mächtigen Pfeilern getragen wird, ist an der dem Marktplatz gegenüberliegenden Wand mit den berühmten Fresken von Alfred Rethel und J. Kahr, Scenen aus dem Leben Karl’s des Großen darstellend, geziert und gewährt mit seinem durch fünfzehn hohe Fenster beleuchteten Bilderschmuck, seinen stilvoll in Tempera-Malerei decorirten Pfeilern, Sockeln und Gewölben einen wirklich großartigen Eindruck.

So ist man überall eifrig bestrebt, dieses Denkmal einstiger Größe und Herrlichkeit von den ihm anklebenben Schlacken einer in jeder Beziehung traurigen Zeit zu befreien und die ehemalige Krönungsstätte unserer Kaiser auch ihrer äußeren Gestalt nach würdig zu machen des in neuem Glanze auferstandenen Reiches deutscher Nation.

Rudolf Scipio.




Zur Naturgeschichte des deutschen Komödianten.*[1]

Berichtigung.

Die Nummer 19 der Gartenlaube enthält einen Artikel „Theaterdiener und Theaterfriseur“, welcher die Fortsetzung einer Reihe von Erinnerungen aus dem Bühnenleben bildet. Sie tragen den Titel „Zur Naturgeschichte des deutschen Komödianten“. Wie viel oder wenig des Authentischen die früher erschienenen Abtheilungen enthalten, vermag ich nicht zu entscheiden; aber der Artikel in Nr. 19 bringt eine Anzahl von Schilderungen einzelner Persönlichkeiten, gewisse Anekdoten und Mittheilungen, welche die königliche Bühne zu Berlin, resp. deren Angehörige betreffen, und es scheint mir geboten, diesen Aufzeichnungen entgegenzutreten, welche größtentheils vollständig unrichtig sind.

Man kann mir einwenden, daß die in dem Artikel enthaltenen Schilderungen Personen betreffen, deren Lebensstellungen nicht von so hervorragender Bedeutung gewesen sind, daß es sich der Mühe einer Berichtigung lohne. Abgesehen davon, daß nicht alle in dem Aufsatze der Nr. 19 besprochenen Personen zu den Unbedeutenden gehören, bin ich der Ansicht, man dürfe die Verbreitung unrichtiger oder entstellter Mittheilungen nicht stillschweigend geschehen lassen, wenn es sich um Personen- und Zeitschilderungen handelt, welche in einem Blatte von dem Range der „Gartenlaube“ Aufnahme gefunden haben, man dürfe dies um so weniger geschehen lassen, wenn man sich in der Lage befindet, jene

  1. * Indem wir wegen der mannigfachen Unrichtigkeiten, welche der Artikel „Theaterdiener und Theaterfriseur“ in Nr. 19 unseres Blattes enthält, noch einmal eines Längeren auf denselben zurückkommen, folgen wir darin nur dem Gefühle der Gerechtigkeit. Wir sehen uns zu einer Berichtigung des Aufsatzes namentlich deßhalb veranlaßt, weil es gilt, zwei in demselben falsch geschilderte Persönlichkeiten in dem Andenken der Gegenwart und Nachwelt wieder in das richtige Licht zu setzen.
    D. Red.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 392. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_392.jpg&oldid=- (Version vom 20.6.2022)