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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

die doch nothwendig mehr Verstand davor haben, allein überlassen sein.“

Die schwarzburgische Regierung geht auf die Vorschläge der Laboranten ein und verfügt, daß aus ihnen eine Societät gemacht werde, damit eine gewisse Ordnung eintrete und Mißbräuche abgestellt würden. Als dies aber ausgeführt werden soll, ziehen sich die Laboranten zurück, weil ihre Vorschläge bei den Destillatoren und Balsamträgern Feindschaft und Erbitterung verursacht haben und sie sich als Schelme und Diebe, die den Anderen ihre Nahrung abstehlen wollten, müßten hinstellen lassen. Man solle es daher gehen lassen, wie es wolle, denn sie befürchteten Gefahr und Feindschaft. Die schwarzburgische Regierung aber befiehlt Durchführung ihrer Anordnung, und hierauf werden alle Laboranten und Balsamträger geladen, um zu schwören, daß sie sowohl beim Laboriren und Destilliren, als auch beim Hinaustragen der Waaren ehrlich und treulich sich aufführen, nicht verfälschen, noch Jemand betrügen wollen, was Alle ohne Weigerung thun. Die Balsamträger bitten darauf nur, daß nicht jeder Junge oder Knecht, der vorher die Ochsen gehütet, die Erlaubniß erhalte, mit solchen Waaren auszuziehen, wodurch der Handel in Mißkredit komme. Auch müsse den Laboranten verboten werden, an Ausländer Waaren zu geben, wogegen die Laboranten sich beschweren, daß Hans Balthasar Walther, gewesener Schullehrer zu Döschnitz, jetzt in Lichtenhain, die Geheimnisse des Laborirens um einige Kannen Bier zum Besten gebe, weshalb man denselben wieder unter die Miliz stecken möge. Es wurde hierauf verfügt, daß Keiner unter achtzehn Jahren und Keiner, der nicht schreiben und lesen könne, als Balsamträger verpflichtet werden dürfe. Die Laboranten aber dürfen an Keinen, der nicht im Amte Königsee verpflichtet ist, Waaren abgeben. Das Amt hat auch künftig Jedem, der mit Medicinwaaren Handel in das Ausland treiben will, besondere Pässe auszustellen. Von dieser Zeit an nennen sich die Medicinhändler in der Fremde „wohlgeprüfte Olitätenhändler“, doch blieb ihnen der Name „Balsamträger“. In den Nachbarorten ihrer Heimath aber, in denen dieser Industriezweig nicht betrieben wurde, nannte man sie spottweise „Ränzer“ (von dem Ranzen, in welchem sie ihre Waare trugen).

Schon um diese Zeit begann man in einigen Ländern den Medicinhandel zu erschweren, ja wohl ganz zu verbieten, so zum Beispiel im Brandenburgischen, und im Jahre 1711 schreibt man von Dresden nach Freiburg auf eine von Hans Jahn und Consorten gesuchte Concession ihrer im gräflichen Amte Königsee verfertigten Olitäten und gebrannten Wasser: daß wegen der Privilegien der Apotheker und wegen des durch die Arzneikrämer unterlaufenden vielen Betrugs an Orten, wo sich privilegirte Apotheken befinden, außer an offenen Jahrmärkten, der freie Verkauf keineswegs zu gestatten sei.

In anderen Ländern aber war der Verkauf der Medicinwaaren erlaubt und wurde so frei und öffentlich getrieben, daß Heinrich Limprecht von Cursdorf die Stadt Hof gegen Erlegung von sechs Gulden überhaupt und einem Kreuzer von jedem Gulden Einnahme förmlich pachten konnte, wogegen keinem Andern gestattet sein sollte, mit gebrannten Wassern, Olitäten und anderen dergleichen in der Stadt Hof zu hausiren. Ebenso haben Hans Camlort und Michael Ehle zu Cursdorf das Markgräfliche gepachtet und lassen keinen andern Balsamträger dorthin hausiren, wobei der Erstere gegen einen Concurrenten die Worte brauchte: „Wo willst Du hin, Du Lumpenhund? Culmbach habe ich gepachtet.“ Ebenso haben Heinrich Gutheil, sein Sohn und Eidam das ganze Amt Jena gepachtet, so daß kein Anderer dort nur ausbieten darf.

Trotz der im Jahre 1710 versuchten Reformation des Laborantenwesens und des Medicinhandels erwiesen sich doch die getroffenen Einrichtungen als unzulänglich, um weitere Verbote in den übrigen deutschen Staaten zu verhindern, denn bei einem neuen 1751 angestellten Versuche der schwarzburgischen Regierung zu Rudolstadt, die Sache zu verbessern, erfahren wir, daß im Preußischen, Hannoverschen, Holsteinischen, Kursächsischen der Handel verboten sei. Das Amt zu Königsee schiebt in einem Berichte die Hauptschuld darauf, daß die Laboranten die Sache nicht kunstgemäß zu tractiren gelernt haben, die Waaren auch noch dazu von den Olitätenhändlern gefälscht worden seien, wodurch viele Leute betrogen, ja wohl viele Menschen gar gestorben seien. Die Hauptfehler sei Ignoranz und Betrug. Die Chemie, worauf Alles ankomme, verständen viele Mediciner und Apotheker selber nicht, und Einer, der noch kein chemisches Buch gesehen, wolle einen Chemicus abgeben. Man solle Keinem das Laboriren gestatten, der nicht ordentlich gelernt und sein Examen ausgestanden habe. Die, welche laboriren wollen, sollen erst bei alten Praktikern in die Lehre gehen. Von Seiten der Balsamträger begegnen wir wieder denselben Klagen von früher. Sie schieben die Schuld des Verbotes, mit Medicinwaaren zu handeln, auf die Laboranten, welche Jungen von sechszehn bis siebenzehn Jahren Waaren geben. Diese fingen dann auch selbst an, dergleichen zu fertigen, und verkauften solche nichtswürdige Waare um lüderliches Geld.

Die Regierung erläßt hier wieder die frühere Verfügung, daß nur gewissenhafte Leute zum Austragen verpflichtet werden sollen. Die Gläser sollen von den Laboranten gleich selbst gefüllt und mit Zeichen verwahrt werden, damit kein Betrug stattfinden könne. Auch sollen Solche, welche Laboranten werden wollen, künftig vor dem Amt durch den Physicus geprüft werden und nicht eher die Erlaubniß zur Verfertigung von Medicinwaaren erhalten, bis sie die Prüfung bestanden haben. Auch eine Visitation durch den Physicus wird angeordnet, worauf jedoch der Physicus Dr. Frobenius erklärt, die von den Laboranten verfertigte Medicin sei gut und echt, weshalb es keiner Visitation bedürfe. Er führt dabei mehrere von den Laboranten verfertigte Arzneien an, aus denen man erkennen kann, daß man damals noch ziemlich unschuldige Stoffe verwendete.

Für die damaligen Verhältnisse des Laborantenthums den Apotheken und Aerzten gegenüber sind noch folgende Verhandlungen lehrreich.

Im Jahre 1758 meldet der Laborant Nikolai zu Lichtenhain in einem Gesuche an die schwarzburgische Regierung zu Rudolstadt, daß er als ein dreißig Jahre her in Pflichten stehender Laborant bei seiner chemischen Praxi durch Gottes Gnade und Segen einen dem bekannten Schauer’schen (aus Augsburg) gleichkommenden und diesen noch übertreffenden Universalbalsam herausgebracht und erfunden habe, den er nach Danzig, Niedersachsen und anderen Orten verschicke. Aus den Gläsern des Schauer’schen Balsams stehen kaiserliche, königliche und andere hohe reichsständische Wappen zur Recommandation. Nun würde in Ermangelung desgleichen der Abgang seines Balsams Anstand finden. Er stelle nun das Gesuch, daß er seinen Balsam durch landesfürstliches Wappen autorisiren dürfe, und daß ihm ein Privilegium für denselben gegeben werde, weil er ihn dann häufiger vertreiben könne und dadurch mehr Geld aus fremden Landen herbeigezogen würde.

Das fürstliche Amt zu Königsee berichtet hierauf, daß dem Nikolai als einem geschickten Laboranten eine solche Vergünstigung wohl zu gönnen sei. Da aber noch mehrere Laboranten einen Balsam nach Art des Schauer’schen anfertigten, auch der Handel allgemein bleiben müsse, möchte ihm kein Privilegium mit verbindender Kraft ertheilt werden. Nikolai erhält hierauf zur Aufmunterung seines Fleißes und zur Aufnahme des Erwerbes angeborener Unterthanen die Erlaubniß, für seinen Balsam das fürstliche Wappen sowie die Worte „Privilegirter schwarzburger Balsam“ zu führen. Später beklagt sich Nikolai über den Laborant Joh. Peter Himmelreich zu Lichtenhain, der eigentlich das Tischlerhandwerk erlernt, nachher aber das Laboriren angefangen habe, weil derselbe den Universalbalsam dem Geruche nach nachahme und um ein geringes Geld verkaufe, wodurch die Kunden nur stutzig gemacht würden.

Nach der Untersuchung des Physicus Dr. Eckner ist der gerühmte Schauer’sche Balsam weiter nichts, als ein Destillat von aromatischen Species mit Spiritus.

Wir führen als lehrreich für die damaligen Zustände noch die Klage des Apothekers Geudtner zu Königsee an. Dieser sagt, daß seine Apotheke jährlich sechszehn Thaler Steuer erlegen müsse, was er aber schwerlich für Medikamente lösen könne, da man auf dem Lande die Arzneien von den Laboranten ohnehin erhalten könne, der hiesige Physicus aber um deswillen wenig zu verschreiben nöthig habe, da er von seinem Stiefvater Dr. Worm zu Oberweißbach hiermit gratis versehen werde. Also neben den Laboranten dispensiren auch noch die Aerzte selbst.

(Schluß folgt.)
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 785. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_785.JPG&oldid=- (Version vom 7.1.2019)