Seite:Die Gartenlaube (1873) 251.JPG

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


nicht, die Tauben und Blinden blieben taub und blind. Zu einem Einäugigen sagte der Wundermann selbst unwillig: „Geht, ich kann Euch kein neues Auge machen!“ Zu Anderen äußerte er: „So geht mir’s; dem Einen soll ich den Buckel wegblasen, dem Andern Fleisch hin machen. Heute ist’s nichts mehr.“ Und mit diesen Worten verließ er den Saal. Aber obgleich alle Augenzeugen nur mißglückte Wunderversuche zu registriren hatten, so rief doch der Pöbel auch hier, auf dem freien Platze vor dem Krankenhause, fortwährend Heilungen aus.

Die Bamberger Behörde machte alle Anstrengungen im Interesse der Ordnung: um Streuner und Betrüger fern zu halten, verfügte sie, daß jeder Kranke ein obrigkeitliches Zeugniß vorzuweisen habe, den Wunderthäter machte sie auf die bestehenden Gesetze aufmerksam, ließ seine sogenannten Heilungen prüfen und berichtete über Alles an die Regierung in Bayreuth, zuversichtlich hoffend, daß diese solch ferneres Wunderwirken verbieten werde. Hohenlohe setzte währenddeß seine Heilversuche ungenirt fort.

Adele Spitzeder.
Nach einer Photographie.

Es war aber auch zu verführerisch! Wenn die Menge vor seinem Hause, nach neuen Wundercuren verlangend, stand, was sollte er tun? Er öffnete eben das Fenster und rief: „Habt Ihr Zutrauen? Glaubt Ihr, durch die Kraft und Allmacht Gottes, durch den Namen Jesu geheilt zu werden?“

Alles schrie: „Ja!“

„Kniet nieder!“ fuhr dann der Fürst fort. Nun folgten Gebet und Segen vom Fenster aus und die Verheißung: „Euch ist geholfen. Geht!“ Und der Jubel des Volks erfreute abermals Seine Durchlaucht.

Dennoch wurde es dem Fürsten schließlich etwas schwül bei seinen Wundercuren. Er mußte sich gestehen, daß er täglich gegen die Landesgesetze sich vergehe, und wenn diese zeitweise gegen Adelige und Priester auch unausgeführt blieben, doch auf die Dauer ein solches Unwesen sich nicht halten könne, zumal bereits verschiedene Gauner, durch Hohenlohe’s Straflosigkeit ermuthigt, ihm Concurrenz machten. Einer derselben, ein junger Mann, der sich für einen Secretär und Vertrauten Hohenlohes ausgab, curirte in einem Landgerichte auf eigene Faust, ließ die Bauern mit brennenden Kerzen niederknien und purgirte ihre Geldbeutel. Wollte irgend ein Vorsteher ihn nicht gewähren lassen, so forderte er Schutz gegen die Ungläubigen. Auch andere Apostel standen auf, u. A. ein Kerzenträger bei Processionen und ein alter Bauer in der Nähe von Bamberg, der sogar das Teufels- und Hexenbannen wieder in Schwung brachte und verschiedene Weiber für Hexen erklärte, bis diese fast selbst daran glaubten und beinahe verrückt wurden. Ein Anderer, der bisher nur das Vieh vom bösen Wesen der Hexerei befreit hatte, wagte sich nach den Erfolgen Hohenlohe’s nunmehr auch an Menschen. Aber die plebejischen Gauner sperrte man ein, obgleich die Geistlichkeit die Ansicht aussprach: „Es kommt nicht auf die handelnde Person an – wenn das Wunder nur geschieht.“

Die Bayreuther Regierung hielt es endlich doch an der Zeit, einzuschreiten. Bei solchen Aussichten fand es Fürst Hohenlohe für angezeigt, einer wiederholten Einladung des Kronprinzen von Baiern, mit ihm der ländlichen Ruhe in Brückenau zu pflegen, Folge zu leisten. Er verließ am 8. Juli das undankbare Bamberg. Wie sehr die Regierung Recht hatte, gegen ihn einzuschreiten, zeigte sich bei seiner Abreise, wo nicht mehr Kranke allein, sondern auch vom Teufel Besessene Hülfe von ihm verlangten. Sechs von diesen Teufeln trieb er im Fluge aus. In Würzburg verweilte Hohenlohe am 8. und 9. Juli und machte dort wiederholte Heilversuche, aber alle erfolglos.

In Karlstadt am Main, wo der Fürst am 11. Juli bei einem ihm von Ellwangen aus bekannten Kaufmanne übernachtete, entstand das Getümmel eines Jahrmarktes. Als Hohenlohe abreiste, warf sich das Volk vor ihm auf die Kniee, wie vor einem Götzenbilde, und bat um seinen Segen, ja Einzelne liefen voraus, um einen speciellen Segen für sich zu erobern. Auch in Gemünden, wo der Wundermann Heilversuche anstellte, ward er fast abgöttisch verehrt. Dieser Weihrauch und sein zunehmender Ruf (bis nach Brückenau reisten ihm Kranke aus Oesterreich nach) berauschten den eiteln jungen Mann derart, daß er am 15. Juli von Brückenau aus an einen Geistlichen schrieb: „Das verachtete Lamm Gottes wird sich bald den Christusverächtern als Löwe aus dem Stamme Juda zeigen. Ich verfechte Gottes Sache. Selbst Aerzte, ja ein Medicinalrath und Professor bat mich um Hülfe, der schon Magnetismus und Behauchung im Namen Jesu gebraucht. Möchten doch alle Aerzte so denken, wie dieser!“

Auch eine förmliche Proclamation erließ der Wunderthäter, de dato Brückenau, 28. Juli, in welcher er zum Schlusse behauptet: er habe nur die Kirche in dieser Zeit des Unglaubens verherrlichen wollen, er scheue auch die Anwesenheit Sachverständiger nicht, obgleich die Erfahrung lehre, daß wunderbare Heilungen oft erst später eintreten.

Ebenfalls von Brückenau aus berichtete er im Juli 1821 dem päpstlichen Stuhle selbst von seinen Curen; die Curie wollte jedoch von seinen Wundern nichts wissen, verwies ihn sogar auf den Beschluß des Tridentinischen Concils, nach welchem jedes Wunder der Prüfung des Bischofs unterliegen müßte, und auf die Mirakelbulle Benedict’s des Vierzehnten – trotzdem der Hofkellermeister des Kronprinzen, der Burgpfleger in der Residenz und andere vom baierischen Thronfolger abhängige Beamte und Kaplane öffentlich Zeugniß für ihn abgelegt in Danksagungen, welche wahrscheinlich dem Schreiben des Fürsten an den Papst als Belege hatten dienen müssen.

So machte also der überzählige geistliche Rath trotz seines vielversprechenden Debuts keine besondere Carrière. In Baiern scheint er sich selbst für „unmöglich“ gehalten zu haben, da er nach Oesterreich zurückging. Nach kurzem Aufenthalte in Wien kam er als Domherr nach Großwardein. Seitdem verscholl der Wundermann; nur einige ihm geistesverwandte Geistliche Frankens konnten ihn nicht vergessen – noch im Jahre 1824 gedachten sie in einem Nachrufe der Zeiten seiner Triumphe, als er die katholische Kirche als echte Gemeinde des Herrn verherrlicht habe.

Ob Mathilde voll Schwarzenberg nachhaltig geheilt war, ob es ihr nicht später ging wie der bekannten Gräfin Droste-Vischering, darüber wissen wir nichts Genaues. Thatsache ist, daß die junge Dame die Reise nach Oesterreich in Begleitung eines Verwandten, der sie abholte, zurückzulegen im Stande war, nachdem sie vorher noch mit demselben nach dem Dorfe des Bauern Michel gefahren war, um diesem Wunderthäter die kostbarsten Geschenke zu überbringen; denn der schlaue Bauer scheint zwar den Curwunderruhm an Hohenlohe abgetreten, sich selbst aber die materiellen Vortheile vorbehalten zu haben.

Fürst Hohenlohe starb als Titularbischof zu Großwardein im Herbste 1849; die Nachricht von seinem Tode wurde übertäubt vom letzten Kanonendonner der ungarischen Revolution.

St. G.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_251.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)