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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

Zeit war er und sein Haus der Mittelpunkt des regsten geistigen Verkehrs; seine persönliche Frische und Liebenswürdigkeit erfreute jeden Kreis, in den er trat.

Leider wurde das Ende der schönen Jahre schwer getrübt. Paul wurde in einem Hiebduell furchtbar im Gesicht verwundet. Sogar ein Nasenflügel war ihm abgehauen und wurde mit unsäglicher Mühe wieder angeheilt. Das bisher so hübsche feine Gesicht Paul’s war nach seiner Genesung kaum wieder zu erkennen. Die Familie zog 1839 nach Coburg zurück, und Paul ging mit.

Ich blieb auch das folgende Jahr noch in Jena, mit literarischen Arbeiten beschäftigt. Da, in einer Nacht, als ich noch spät am Schreibtische saß, pochte es an die Hausthür und kam endlich die Treppe zu mir herauf. Es war Paul – auf der Flucht! Und mit welcher Reiseausrüstung! Als er mir mit raschen Worten erzählt, daß er bei Nacht und Nebel davongegangen sei und in der Eile im finstern Zimmer nur eingesteckt habe, was ihm eben in die Hand gekommen, packte er die verschiedenen Taschen seines Rockes und Ueberziehers aus und zum Vorschein kamen zwei dicke Pakete sorglich umwickelter Briefe, drei kurze Meerschaumpfeifen, ein Gartenmesser und fünf Haarbürsten. Am andern Morgen reiste er wieder ab. Ich hatte nichts aus ihm herausfragen können, als daß er das Actenleben nicht aushalten könne, daß er zur Bühne wolle, daß aber seine ganze Familie dagegen sei. „Jetzt zieht es mich zunächst nach Leipzig; wenn es mir gut geht, schreibe ich Dir.“ Er schrieb nicht.

Im folgenden Jahre zog ich nach Hildburghausen. Von dort kam ich häufiger nach Coburg und sah in Neuseß bei Rückerts zum ersten Male den Minister wieder. Er grüßte mich wohl, aber fremd und kalt, wie Jemanden, der eine unangenehme Erinnerung erweckt. Das that mir weh. Ich erhaschte die erste Gelegenheit, um Rückert’s Gattin nach der Ursache dieses abstoßenden Benehmens zu fragen. „So wissen Sie’s nicht?“ sagte sie zu mir. „Er ist noch immer mit Paul zerfallen. Ihr Anblick hat ihn an den armen Jungen erinnert, der lieber ein schlechter Jurist als ein großer Schauspieler werden soll. Erwähnen sie den Namen Paul’s ja nicht!“

Wie ganz anders im Jahre 1847, dem schönen, blüthen- und hoffnungsreichen Jahre, von dem Niemand ahnte, daß es der Vorgänger eines so furchtbaren Sturmes sein sollte! Durch ganz Deutschland zog das Gefühl einer geistigen Auferstehung. Und da saß ich wieder in Neuseß, im „Garten an der Lauter“, und auch der Minister kam wieder mit seinem halben Dutzend kleiner Hündchen. Aber wie freudig strahlte sein Antlitz! Sein Paul hatte die richtige Bahn gefunden, statt Schauspieler war er Dramendichter geworden; sein Trauerspiel „Lord Strafford“ war in Stuttgart und München mit Glanz über die Bühne gegangen; sein Schauspiel „Die Abtrünnigen“ war im Druck erschienen und von der Kritik ausgezeichnet worden. Jetzt war Alles gut und jetzt war ich auch wieder der „Papa“. Ich habe jenen Nachmittag in der Gartenlaube (1863, S. 88.) schon geschildert und kann nun darüber schweigen.

Da schlug’s an der Schicksalsuhr 1848. Die wilde Zeit brachte auch Wangenheim und Rückert in mächtige Erregung. Leider gingen die früher gemüthlichen Debatten der beiden Männer mehr und mehr in heftigen Meinungsstreit über. Im Juni 1849 zeigte Karl Barth, der Kupferstecher und Dichter und Rückert’s Gevatter, mir einen Brief der Gattin Rückert’s an ihn, der mich tief betrübte. Sie schrieb u. A.: „Mein Mann ist ärgerlich über die Begebenheiten der Welt … und Wangenheim kommt gar nicht mehr heraus und Rückert nicht in die Stadt. Wangenheim soll recht hinfällig sein. Mir thut’s wehe, daß die Freunde gerade jetzt sich nicht mehr verstehen wollen, wo es so sichtbar ist, daß sie sich bald auf – so lange trennen müssen. Da würde ich ja, wenn ich bei ihm wäre, sogar für Oesterreich schwärmen, so zuwider mir’s ist. Aber die Männer! Die haben einen starren, harten Sinn in der Politik.“ …

Schon im nächsten Jahre, am 20. Juni 1850, starb er.

Ob die alten Freunde sich noch ausgesöhnt, weiß ich nicht. Ich gebe einer Strophe in Rückert’s Todtenliedern diese Deutung. Sie lautet:

„Mit Epheu ist mein Garten geschmückt,
Den haben auch sonst die Leute gepflückt
Aus der Stadt, und ich ließ sie pflücken
Und fragte nicht, zu welchem Behuf?
Nun aber hab’ ich zu fragen Beruf,
Auf welches Haupt sie drücken
Den dunkeln Kranz, den sie pflücken.“

Friedrich Hofmann.




Im deutschen und im fremden Wald.


Wie ist der deutsche Wald so schön,
Der Buchenhain an Bergeshöhn,
Der starken Eiche Stolz und Macht,
Der schlanken Birke Wipfelpracht,

5
Wie rauscht es in den Kronen stolz,

Wie flüstert’s hold im Unterholz,
     Wie rinnt so hell
     Der muntre Quell,
     Und hüpft aus Waldesdunkel

10
     Mit Murmeln und Gefunkel!


Wie traurig ist der fremde Wald,
Wie öde, still und ungestalt
Das starre Laub am fremden Holz,
Das ist zum Flüstern viel zu stolz,

15
Das hat nicht Worte, heimisch traut,

Das knarrt und klappt in fremdem Laut.
     Und schwarz und schwach
     Schleicht dort der Bach,
     Umstrüppt von Reis und Dorne

20
     Aus schlammgefülltem Borne.


Wie bist du deutscher Wald so schön,
Du heil’ger Wald im Frühlingswehn,
Wenn es in allen Wipfeln schallt
Von Liebeslust und Lenzgewalt,

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Von Finkenruf und Amselschlag,

Von Stimmen all im Blätterdach!
     O Wiederhall
     Im Waldessaal,
     O grüne Wipfellieder

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     Wie traut tönt ihr hernieder!

 

Dr. H. Behr (Ati Kambang) in San Francisco.




Pigmentfäule und blutende Hostien.


Auf dem Schlachtfelde von Sedan liegt ein kleines Dorf, Vrigne-aux-Bois, welches sich am 2. September 1870 mit Verwundeten überfüllte, und in welchem mancher Kriegsheld den Folgen des Blutverlustes erlegen sein mag. Doch nicht jenes teure Blut, sondern ein anderes, welches ebendort geflossen ist, soll uns heute beschäftigen, das sogenannte Wunderblut. Dort nämlich hat sich, soweit uns bekannt, zum letzten Male in unserer aufgeklärten Zeit, das Wunder ereignet, daß geweihete Hostien zum Beweise der wirklich vor sich gegangenen Transsubstantiation (Verwandlung des Brodes und Weines beim

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_227.JPG&oldid=- (Version vom 21.5.2018)