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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


und weitab in den stillen Forst verloren, wo er sich ermüdet unter einem Baume in’s weiche Moos streckte und die Augen zum Schlummer schloß. Als er erwachte, erblickte er einen in schlichte Kleider gehüllten, hübschen blondlockigen Knaben, der sich während des Schlafes seines Schwertes als eines guten Spielzeuges bemächtigt hatte. Auf den Ruf des Kaisers floh der Knabe mit der schweren Waffe, um daheim bei der Mutter Schutz zu suchen. Karl folgte ihm bis zu jener Hütte, in welcher er eine wunderschöne junge Frau mit einem Säugling an der Brust fand. Als bald darauf der Besitzer des kleinen Waldhauses, mit reicher Jagdbeute beladen, heimkehrte, lud dieser den Fremden ein, an dem Familienmahle theilzunehmen. Man tischte dem Gaste auf, was der Wald und der Bach an Gaben nur spendete.

Die Emmaburg im Ardennerwalde.
Nach einer Skizze von K. S.

„– und Emma schnitt das Wildpret, kunstrecht, wie sich’s gehört,
Und wie es einst der Vater zu Aachen sie gelehrt.
Er schaute zu und freute sich über jeden Schnitt. –
Doch plötzlich eine Thräne des Kaisers Aug’ entglitt.“

Karl hatte die lange verloren geglaubte Tochter erkannt und zog nun die Wiedergefundene, der er im Herzen längst verziehen, freudig bewegt an seine Brust. Auch dem Eidam, dem alten Freunde, wurde volle Vergebung zu Theil, und nachdem der Kaiser seine lieblichen Enkel sattsam geherzt und geküßt, brachen Alle mit ihm auf gen Aachen, um hinfort wieder bei dem Vater in der Kaiserburg zu wohnen. An der Stelle jener Hütte aber ließ Eginhard zur Erinnerung an die hier verlebten glücklichen Tage ein festes Schloß erbauen.

Ein steiler Fußpfad führt den Wanderer hinauf zu der Burg, aus deren Fenstern man einen herrlichen Blick über das Geulthal und die dasselbe einschließenden Höhenzüge genießt. Das Innere der Burg mit ihren engen Kammern und Gemächern, in denen jetzt ein schlichter Landmann als Pächter waltet, macht es dem Beschauer leicht, sich um eine Reihe von Jahrhunderten zurückzuversetzen. Die kleinen alterthümlichen Fenster mit den mächtigen Steinkreuzen, der einfache aus einem Holztisch und einigen altmodischen Stühlen bestehende Hausrath, der trauliche Kamin, Alles erinnert an eine ferne Zeit.

Leider weiß uns die Chronik aus der früheren Geschichte der Burg nichts Näheres zu berichten. Sie beginnt erst mit dem Ritter Johann von Eyneburg, welcher um 1280 hier hauste, und zählt dann durch mehrere Jahrhunderte dessen Nachkommen auf, von denen sie jedoch wenig mehr zu erzählen vermag, als daß sie lebten, heiratheten und starben.

Ein Blick durch das Fenster führt uns aus der Vergangenheit rasch in die Gegenwart zurück. Er zeigt uns am Ausgang der von dem Geulbach durchrauschten Waldschlucht die modernen Bauten eines ausgedehnten Berg- und Hüttenwerkes und dahinter ein augenscheinlich zum größten Theil der jüngsten Zeit angehörendes belebtes Oertchen – Vieille Montagne, Altenberg, auch Kelmis oder Neutral-Moresnet genannt.

Außer durch seine reichen Galmeigruben und seine zahlreichen Namen ist dieser Ort dadurch merkwürdig, daß er bis heute noch keinen Herrn hat. Das Dorf, nebst der dazu gehörigen Feldmark ist, so seltsam es klingen mag, ein vergessenes Stück Land und die glücklichen Bewohner desselben, etwa dreitausend an der Zahl, können, so lange sie nicht selbst irgend einer Macht den Krieg erklären, ruhig von ihrem neutralen Boden in die Welt hinaussehen. Mögen Deutsche, Franzosen, oder wer es sonst sein mag, in blutigem Kampfe ihrem Gegner gegenüberstehen, den Bewohner des neutralen Landes stört das nicht; er gräbt und schmilzt sein Zink, welches die Tiefe der Erde in reichem Maße ihm spendet, und wartet ruhig ab, bis man es für gut hält, wieder Frieden zu machen.

Dieser kleine, von einem Bürgermeister regierte Freistaat hat seine Unabhängigkeit einer unklar gefaßten Stelle des Wiener Friedensvertrages zu verdanken, welche derart unbestimmt gehalten war, daß sowohl Preußen als Holland sich darauf hin als Herren von Altenberg betrachteten. Da man zur Zeit nicht die nöthige

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_199.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)