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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

seitdem geht er nicht mehr weg von der Brandstätte, bis das Feuer gelöscht ist.

„Und wenn mein Wald hin sein muß, so soll auch das Gemeindeholz brennen und das Dorf und die ganze Welt!“ schrie der Grübner. Er lachte, als gegen Abend ein starker Luftzug kam und als gar einzelne Windstöße das Feuer doppelt auffachten und die flammenden Reiser hoch über die Wipfel dahintrugen gegen den Gemeindewald und das Dorf. Die Sonne sah man nicht mehr und im Thale war es ganz dunkel geworden. Nur die grellen Flammen leuchteten noch, aber das war heute kein ruhiger Schein, wie in den früheren Nächten, es war ein Flackern und Wogen und über die Felder und Auen flogen die finsteren Schatten des gepeitschten Rauches dahin. Wild toste der Sturm, die Gebäude ächzten und das Prasseln der Flammen war schrecklich zu hören. Jetzt ließen die Arbeiter ihre Aexte sinken und eilten dem Dorfe zu, um dort zu retten, was noch zu retten war. In wenigen Stunden schon konnte sich das Flammenmeer über den ganzen Wald ergossen haben und an die Dächer des Dorfes schlagen.

Da loderte aus dem schwarzen Abendhimmel ein Blitzstrahl nieder und diesem folgte ein erschütternder Donnerschlag und ein heftiger Regenstrom. Das rauschte nieder wie ein Wolkenbruch, und bald schossen Gießbäche den Thalweg entlang und brausten um Haus und Stall und hinab über den Hang. Um Mitternacht war Alles ruhig und heiter und der Vollmond schien in das Thal und aus den Schluchten stiegen schneeweiße Nebel auf. Aller Rauch und Brandgeruch war fort und der Waldbrand war gelöscht. Am Morgen lagen im Grübnerwald zwischen den schwarzen Strünken nur dampfende Brände, und über den ganzen weiten Hang hin lohte keine einzige Flamme mehr. Freilich waren über zwanzig Joch des herrlichsten Stammholzes verloren, aber noch mehr war dem Grübner wider Erwarten davon erhalten geblieben. Und weil das nun einmal so war, so ergab sich der Bauer drein, ließ sich wieder seine Morgensuppe schmecken und machte dabei Pläne, was mit dem ausgebrannten Waldgrund nun weiter zu thun sei.

Genovefa, die Stallmagd, schaffte in der Futterkammer, fütterte die Kalben, molk die Kühe und trieb sie endlich aus und aufwärts gegen das Hochfeld zur Weide. Die Magd war unstät und blickte rechts und links, und als sie zur Höhe kam, stieg sie auf die Kreuzwand, blickte ringsumher und horchte. „Gregor!“ rief sie dann. Aber das gab heute keinen lustigen Wiederhall vom Walde herüber wie sonst, wenn sie ein Lied sang und die Kühe bei ihren Namen rief; jetzt steht ja kein einziger lebendiger Baum mehr drüben – Alles verbrannt, verdorben. „Gregor!“ schrie sie wieder. Nein, es wird ihm doch nichts geschehen sein; jetzt ist er schon seit zwei Tagen nicht mehr im Hause gewesen, ein ordentliches Dienstbot’ muß ja immer da sein, ich werd’ ihm das schon sagen – aber er weiß ja sonst selbst, was ein ordentliches Dienstbot’ zu thun hat. So dachte die Magd bei sich und ging dann wieder in den Hof hinab.

Der Bauer war in der Wagenhütte und stellte die Schlarpfen – ein Fahrzeug, halb Wagen, halb Schlitten, zum Transport des Holzes in den Hängen – zusammen. Er wollte nun die Brände und Strünke seines verbrannten Waldes zu der Kohlstatt hinausführen und sehen, ob daraus noch Kohlen zu gewinnen seien, die an das große Stahlwerk draußen in der Ebene gut zu verwerthen sind. Den Brandgrund wollte er dann reinigen, entstocken, umpflügen und zu einem Acker machen, denn Bäume wachsen auf solch einem ausgebrannten Boden sobald nicht wieder. Der Bauer dachte daran und steckte eben ein Rad an die Schlarpfe, als Genovefa vor ihm stand und fragte:

„Aber, Bauer, wo ist denn der Gregor alleweil?“

„Der Gregor? Nu, wenn er nicht auf dem Eschenbaum ist und für die Schafe Aeste herabhackt, dann weiß ich’s nicht.“

„Ja, er ist aber schon zwei Tage nicht mehr dagewesen, es wird ihm doch nicht wo was geschehen sein, Bauer?“

„Ei nu, und wenn ihm was geschehen wär’, was geht denn das Dich an? Ich bin Bauer und ich hätt’ den Schaden, wenn er sich ein Bein gebrochen oder den Hals; ich hab’ ihm den Lohn zu geben für’s ganze Jahr und nicht Du! – – Wird halt bei den Löschern gewesen sein und heut’ Nacht drüben im Dorf geholfen haben – was weiß ich!“

Der Mann schlug den Nagel an die Radachse, daß es klirrte, und er sprach kein Wort mehr.

Genovefa ging traurig in den Stall an ihre Arbeit. Sie war durchaus nicht mehr jung, doch bei ihrem Geschäft noch ganz rüstig; heute aber – heute ging’s nicht. Sie lehnte die Streugabel an die Wand und ging fort. Sie war an den Werktagen noch nie so fortgegangen von ihrer Arbeit, aber heute mußte sie, und sie wußte doch nicht, wer es ihr gebot. Sie eilte gegen den Bach und jenseits des Thales aufwärts gegen das Gebrände. Da glühte es noch unter den Bränden und Aschen, und die Magd mußte einen weiten Umweg machen, um gegen den Dorfwald zu kommen. Sie wollte in das Dorf hinüber und den Gregor suchen. Aber als sie an die Grenzen des Brandgrundes kam, wo der grüne, frische Wald beginnt, da lag der Gregor auf dem versengten Boden. Er schlummerte und hielt eine Hand tief in das Moos gebohrt. Das Kleid seines linken Fußes war ihm förmlich vom Beine gebrannt, und die Haut war dunkelblau angelaufen und blutete an einzelnen Stellen.

„Jesus – aber Gregor!“ schrie Genovefa.

Der Greis schlug die Augen auf und sagte ruhig: „Das ist die Vefa, gelt?“

„Ja, was machst Du denn da? Du hast ja eine fürchterliche Brandwunde; heiliger Gott, ich geh’ schnell um Leute.“

„Das hilft nichts, Vefa, bleib’ nur da und lege kaltes Moos auf das Bein; schau, ich hab’s nicht können in die Erde bringen, die Erde kühlt so was recht ab. – Sag’ mir, wenn Du da vom Weg heraufgegangen bist, brennt es noch wo?“

Die Magd antwortete nicht, sie weinte, legte Moos und Erde auf die Brandwunden und schlug ihr Kopftuch um dieselben.

„Das ist ein großer Schaden für den Grübner, gelt?“ sagte der Mann.

„Nein, wie ist Dir denn das geschehen, Gregor?“

„Das da? Ich war ungeschickt, Vefa, und so ist beim Arbeiten ein brennender Ast auf mich gefallen. Zuerst hab’ ich gemeint, ich muß schreien vor Schmerz, und es ist mir heiß und kalt durch den Leib gegangen. Hab’ auch schon glaubt, ich muß verbrennen hier, weil ich nicht weitergehen konnte; aber da ist der Regen gekommen und hat das Feuer gedämpft, und meinen Schmerz hat er auch abgekühlt. Vefa, dieser Regen war wohl gut, sonst wär’ der ganze Wald und das Dorf und Alles hin gewesen.“

„Gieb mir doch die Hand, Gregor, ich richte Dich auf und führe Dich heim.“

„Nein, laß die Händ da drin, das ist so kühl – hab’ mir sie ein Bischen stark verbrannt.“

„Aber so mußt Du sterben hier, Gregor!“

„Meinst Du? – Ach nein, wegen so was stirbt man nicht. Schau, sonst bin ich noch stark. Es freut mich auch, daß Du gekommen bist, Vefa. Du bist mir der liebste Mensch auf dieser Welt. Aber jetzt – heute ist es mir erst recht, daß wir nicht geheirathet haben; wenn es geschehen wäre, so wärst Du jetzt eine Bettlerin. – Ei, laß mich, es ist mir so heiß in der Brust – Vefa, wenn ich doch sterben müßte! – Bauer, wenn ich jetzt stürbe, das wäre bös für uns Beide. Schau, ich will Dir jetzt dienen, zehn, zwanzig Jahre, so lang’ ich lebe, und Du sollst mir keinen Kreuzer lohnen, bin schon so auch fleißig. Tag und Nacht werd’ ich arbeiten und Sonntags geh’ ich betteln vor die Kirchthür, daß Du mir auch keine Nahrung zu geben brauchst. Meine Hand darauf, Bauer!“

„Hilf uns die liebe Frau! Gregor, der Bauer ist ja gar nicht da!“

„Nicht? Aber brennen wird’s schon wieder. O lieber Gott, es ist mir nur so heiß. Das macht das dumme Liegen da, hilf mir auf, Vefa, ich weiß nicht, daß ich heute gar so schwach bin.“

Genovefa richtete den Kranken ein wenig auf und betete in Gedanken zu der Jungfrau Maria in Zell, auf daß doch Jemand komme und ihr helfe in dieser Noth.

„Hab’ ich Dir das Andere schon erzählt, Vefa? Nicht? So muß ich es aber doch gleich thun. Aber Du mußt mir versprechen, daß Du es Niemandem sagst, so lang’ ich lebe. Wenn ich heut’ oder morgen schon sterben muß, und es kann wohl sein, weil mir der Brand zum Herzen kommt, so kannst Du es heut’ oder morgen schon sagen; und wenn ich noch fortlebe, so mußt Du all die Tage das Geheimniß in Dir tragen, sonst sperren sie mich ein, und dann kann ich gar nichts mehr gut machen. –

Leg’ mir jetzt Moos auf die Stirn und auf die Wunden da, daß

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