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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

und mit den beiden Mädchen allein kann ich es nicht erzwingen. Ich arbeite doch gewiß genug –“

„Mehr als zu viel, liebes Herz,“ sagte ihr Gatte freundlich, „und ich habe Dich so oft gebeten, doch ein oder zwei Waschfrauen anzunehmen, nur um die unangenehme Wäsche rasch zu beseitigen, wenn Du denn gar nicht meinen Wunsch erfüllen willst, außer dem Hause waschen zu lassen.“

„Aber, Heinrich, Du hast gar keinen Begriff, was das kosten würde, und wie es die Wäsche ruinirt, und selbst mit den Waschfrauen, ich mag die fremden Personen nicht meine Wäsche mißhandeln lassen und sie immer um mich haben –“

„Aber fremde Personen haben wir doch fortwährend im Haus,“ sagte Wahlborn mit einem Seufzer, „ich glaube, die beiden alten Scheuerfrauen wohnen bei uns, und ein oder die andere Näherin sitzt auch permanent.“

„Du willst doch Dein Haus sauber und Deine Sachen in Ordnung haben,“ sagte die junge Frau etwas piquirt.

Wahlborn hätte gern etwas darauf erwidert, aber er fürchtete, ihr weh zu thun, sie war überhaupt jetzt etwas reizbar und mußte sehr geschont werden. „Also heute Mittag würde es Dir nicht passen, liebes Herz?“

„Gar nicht – wahrhaftig nicht – wenn ich es nur vor ein paar Tagen gewußt hätte. Vielleicht können wir es auf den Sonntag einrichten.“

„Er reist morgen schon wieder ab.“

„Das ist recht fatal – nun vielleicht kommt er ein ander Mal wieder nach Xstadt.“ – Damit war die Sache abgethan und Wahlborn aß an diesem Tag mit seinem Schulfreund im Hôtel.

Wahlborn, als ein sehr geschickter Operateur, war einige Wochen später in eine benachbarte Stadt gerufen worden, um dort an einem Kranken eine sehr schwierige Operation vorzunehmen. Er hatte seine Einrichtung getroffen, um vier Tage auszubleiben und den ersten Erfolg der Operation zu beobachten wie ihre Wirkung zu überwachen. Das Resultat war aber ein so günstiges, daß er den Kranken schon nach zwei Tagen ohne die geringste Gefahr sich selber und der Pflege eines anderen Arztes überlassen und selber wieder nach Hause eilen konnte, aber er kam seiner Frau ein wenig zu früh.

Das ganze Haus stand unter Wasser, sein eigenes Studirzimmer nicht ausgenommen, in welchem er wieder eine ältliche Dame mit aufgestreiften Aermeln und sehr nasser Schürze eben beschäftigt fand, die Dielen einzuweichen, um sie dann mit Bürste und Seife zu bearbeiten. Das Wetter draußen war so unangenehm als möglich, kalt und stürmisch mit einem feuchttropfenden Regen, die häßliche Zugluft strich durch die ganze Wohnung, in der sich auch nicht ein ruhiger und gemüthlicher Raum fand, und Wahlborn blieb mit gefalteten Hände auf seiner Schwelle stehen, um die Verwüstung um sich her zu überschauen.

„Aber Heinrich,“ sagte seine Frau, doch etwas bestürzt, als ihr Gatte so unerwartet früh in die Wohnung trat, „ich habe geglaubt, Du würdest noch zwei Tage länger ausbleiben und mich dann schon darauf gefreut, daß Du Alles so sauber finden solltest.“

„Ja, mein liebes Kind,“ sagte ihr Gatte seufzend, „und ich hatte mich auf zu Hause und auf meine Gemüthlichkeit gefreut und – bitte liebe Frau,“ unterbrach er sich dabei, die Scheuernde anredend, „gießen Sie mir nicht den ganzen Eimer Wasser unter das Sopha, ich habe da unten meine abgelagerten Cigarren stehn – die werden wohl jetzt schon schwimmen. Und die Gardinen auch wieder herunter – aber bestes Herz, die sind ja erst vor kaum sechs Wochen gewaschen worden.“

„Ich sage Dir, sie sehen pechschwarz aus, Heinrich – das häßliche Cigarrenrauchen! Ich hätte mich ja schämen müssen, wenn jemand Fremdes zu Dir ins Zimmer kam.“

Wahlborn erwiderte Nichts, nur mit einem recht aus tiefer Brust herausgeholten Seufzer ging er zum Sopha, rückte dieses ab, und zog die darunter befindlichen Cigarrekisten, von denen die unteren allerdings schon im Wasser standen, hervor, um sie in Sicherheit und an einen trockenen Platz zu bringen. Endlich sagte er:

„Aber Sophie, Du kannst Dich hier auf den Tod erkälten – es zieht ja furchtbar. Wenn dies Unglück denn einmal geschehen mußte, so solltest Du Dich doch dabei keiner Gefahr aussetzen. Weshalb gehst Du nicht in Dein Zimmer?“

„Dort wird tapezirt, Schatz,“ sagte die Frau. „Die Tapete sah zu bös aus, und da Dein Geburtstag nächste Woche fällt, und wir die Eltern und einige Freunde an dem Tag einladen wollten, so mochte ich doch nicht, daß sie es in einem solchen Zustand träfen. Was suchst Du denn, Heinrich?“

„O Nichts, mein Kind,“ sagte ihr Gatte, „nur ein Buch, das ich hier liegen hatte, als ich fortging – es behandelt die Krankheit, mit der ich eben beschäftigt war, und ich möchte etwas nachlesen. Hast Du es nicht gesehen, oder vielleicht fortgestellt? Es muß hier gelegen haben, es war grün brochirt, in einem etwas defecten Zustand.“

„Ach ja, Heinrich,“ sagte die Frau und erröthete doch ein wenig, „es sah sehr bös aus, und ich habe es deshalb zum Buchbinder geschickt, damit Du es in Ordnung findest, wenn Du –“

„Heiland der Welt!“ rief der junge Arzt wirklich erschreckt aus, „das grün brochirte Buch, was hier auf meinem Schreibtisch gelegen, und in dem sich die zahlreichen Zettel und Notizen befanden, hast Du zum Buchbinder geschickt?“

„Aber es sah gar so entsetzlich aus, Heinrich, und fiel ja fast auseinander,“ sagte die junge Frau bestürzt.

„Dann schick’ nur augenblicklich eines der Mädchen hin und laß es wieder holen, wie es ist,“ sagte Wahlborn, der sich wirklich Mühe geben mußte, seine Fassung zu bewahren.

„Aber jetzt von der Arbeit. Heinrich? – es ist keine angezogen – hat es nicht Zeit bis heute Abend?“

Wahlborn hielt noch immer in der linken Hand die Reisetasche und hatte dabei die Unterlippe zwischen die Zähne genommen, aber er verbiß Alles, was ihm wohl auf dem Herzen lag, die Scheuerfrau brauchte überdies Nichts davon zu wisse, endlich sagte er:

„Ist vielleicht noch ein trockener Platz im Haus, liebes Kind, wohin Du mir die Reisetasche legen könntest? Ich werde selber zum Buchbinder gehn. Giebt es heute Mittag etwas zu essen?“

„Ach Gott ja, Heinrich,“ sagte die kleine Frau bestürzt, „aber nur kaltes Fleisch. Ich hatte ja gar nicht auf Dich gerechnet.“

Wahlborn pfiff leise und lächelnd vor sich hin, die ganze Sache fing an ihm komisch vorzukommen. Einen Blick warf er noch durch die übrigen Räume, aber es war nirgends ein Aufenthalt für ihn, und die ganze Wohnung schien im wahren Sinn des Worts „an die Luft gesetzt“. Er stieg die Treppe hinunter, um in irgend ein Hôtel zu gehen, und war dabei so in Gedanken, daß er selbst vergaß, seiner Frau einen Kuß zu geben, was dieser ein paar, wenn auch ganz kleine Thränen in die Augen trieb.

Vor allen Dingen holte er jetzt sein Buch wieder vom Buchbinder ab und rettete dabei wenigstens einen Theil der eingeschobenen Notizblätter, dann ging er in den Club, den er sonst gewöhnlich nur eine Stunde Nachmittags besuchte, um dort ein paar Zeitungen zu lesen. Zu Hause hatte er ja doch keinen Platz und in dem Drang, sich wenigstens mit etwas zu beschäftigen lernte er an dem Tage das Billardspiel, dessen Bewegung ihm behagte, wie er denn auch mit wirklichem Eifer daran ging, einige Geschicklichkeit im Spiel selber zu erwerben.

Heute, zum erste Mal seit ihrer Verheirathung, kehrte er auch erst um zehn Uhr nach Hause zurück und fand seine Frau in Thränen seiner harrend. Sie fühlte sich nicht wohl und wäre gern zu Bett gegangen, aber die Angst um ihn hatte sie, wie sie sagte, fast verzehrt, und er brauchte lange Zeit, bis er sie beruhigte.

Am nächsten Tage mußten aber die Arbeiten im Hause fortgesetzt werden, denn sie waren einmal begonnen und konnten doch nicht mitten darinnen liegen bleiben. Es wurde allerdings im Hause gekocht, aber in der Unordnung und mit den vielen fremden Menschen ringsumher war es kein Wunder, daß die Köchin nicht besonders damit zurecht kam. Die Suppe war versalzen und das Fleisch hart, und den Kaffee nach Tisch hatte sie in der Eile ein wenig zu rasch durchgegossen, so daß er eine Opalfarbe behielt und demgemäß auch schmeckte. Sophie aber mußte sich wirklich erkältet haben und das Bett hüten und Wahlborn einige seiner Patienten versäumen, um nicht das ganze Haus ohne Aufsicht und im Besitz von Handwerkern und Scheuerfrauen zu lassen.

Diese Art Leiden wiederholten sich allerdings mit der Zeit,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 371. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_371.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)