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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

schon vor Cassala zwei Nilpferde und vierzehn afrikanische wilde Büffel gestorben seien, so daß er von den letzteren nur noch zwei am Leben habe (die aber ebenfalls Europa nicht sehen sollten).

Die Thiere wurden theils, zu kleineren Abtheilungen vereinigt, getrieben, theils, wegen ihrer Wildheit oder ihrer den Anstrengungen der Märsche noch nicht gewachsenen Jugend in Kasten gesperrt, von den Kameelen getragen. Gewöhnlich wurden täglich zwei Märsche gemacht: man brach lange vor Sonnenaufgang auf, rastete während der größten Hitze und marschirte dann wieder den ganzen Abend bis zur Mitternacht. Die Kosten eines längeren Aufenthalts und die Unbequemlichkeiten während der Reise, auf der man nur selten oder nie Gelegenheit hat, sich mit neuem Vorrath zu versorgen, erfordern diese anstrengenden Märsche. Aber es gehen dadurch auch viele Thiere wieder zu Grunde, namentlich von denen, welche getrieben werden. Von Cassala bis Suakim starben von größeren Säugethieren bei dem Transport vorigen Jahres dreizehn Elephanten, zwei Giraffen, acht Strauße, die zwei letzten Büffel und zweiundzwanzig von sechsundzwanzig mitgenommenen Ariel-Antilopen (Antilope dama).

In Suakim wurde die Thierkarawane von dem Geschäftsführer Hagenbeck’s, einem Manne, der schon aus und nach vier Erdtheilen Thiere gebracht hat, erwartet. Von hier aus ging die Reise zu Schiff weiter. Das Ein- und Ausladen ist, besonders bei den größeren Thieren, mit bedeutenden Schwierigkeiten verknüpft, die sich meistens noch dadurch steigern, daß die großen Dampfer nicht dicht an das Ufer gelangen können. Man muß die Thiere also erst auf Barken bringen und von diesen dann auf die großen Schiffe. Wie aber kann man Elephanten, Giraffen und andere Kolosse von einer Barke an Bord eines Dampfers schaffen? Man sollte meinen, das sei nur so möglich. daß man große Kasten baue. an vier entgegengesetzten Enden Stricke durchziehe und damit dann sein Heil versuche. Aber so viele Umstände macht man gar nicht. Man befestigt einen Gurt um den Bauch, einen andern oder auch nur dicke Sticke oben um die Hinterbeine und windet so das ganze Thier herauf oder hinunter, ganz in derselben Weise, wie wir es in Nr. 38 der vorjährigen Gartenlaube von den Ochsen geschildert haben. Allerdings ist das Benehmen der Elephanten bei dieser nicht gerade angenehmen Procedur ein ganz anderes als das jener Fleischmaschinen. Der plötzlich seines Haltes beraubte und in der Luft schwebende Dickhäuter schreit, zappelt und strampelt und ist in jeder Weise unliebenswürdig. Bei den Giraffen ist das Aufwinden schon gefährlicher. Kürzlich erst passirte es in London, daß eine so befestigte Giraffe beim Herablassen in den Schiffsraum das Uebergewicht bekam, mit dem Kopf voran hinunterstürzte und das Genick brach.

An Bord werden die Thiere so viel als möglich unter Deck gebracht und hier besonders sicher gestellt damit das fortwährende Schwanken und Werfen des Schiffes kein Unheil anrichte. Die Thiere benehmen sich dabei ziemlich ruhig und selbst die allezeit leicht erregten Elephanten sind artiger, als man glauben möchte. Vielleicht ist ihnen nach einem so anstrengenden Marsche die größere Ruhe wohlthätig, oder auch sie haben sich nun schon so in die Gewalt des Menschen gefügt, so gut erkannt, daß ihre Wildheit nur Widerwärtigkeiten im Gefolge hat, daß sie sich nichts zu Schulden kommen lassen. Schlimm aber, wenn während der Ueberfahrt ein Sturm ausbricht. Es ist dann kaum möglich, Alle vor Schaden zu bewahren, Kisten und Kasten fliegen durch einander, die Wärter selbst können sich kaum auf den Beinen erhalten und Matrosen und Passagiere verwünschen die unruhige Ladung, indem sie die Wärter bestürmen, wenigstens die großen Thiere über Bord zu werfen, da eine Erhaltung derselben doch nicht möglich. Der schon erwähnte Geschäftsführer Hagenbeck’s erlebte im Jahre 1867, als er vier Elephanten von England nach Amerika transportirte, einen solchen Sturm auf hoher See. Da die Thiere vom schwankenden Schiffe natürlich arg hin und her geschleudert wurden, so mußte er sich in der Weise zu helfen suchen, daß er sie mit zusammengebundenen Vorder- und Hinterbeinen auf Heu und Decken warf und sie dann noch dermaßen einpackte und festband, daß sie so wenig als möglich von den Stößen leiden konnten. Die Schiffsmannschaft verspottete ihn wegen der Maßregeln, die doch unzureichend seien, aber der wackere George gab auch dann noch nicht den Muth auf, als oben ein Theil der Seitenplanken brach und das Wasser auf verschiedenen Wegen in’s Zwischendeck eindrang und auf seine Thiere strömte. Er hatte denn auch die Genugthuung, seine Ladung lebend nach New-York zu schaffen.

Casanova’s Thiere mußten in Suez wieder ausgeladen werden, um mit der Eisenbahn über Cairo nach Alexandrien zu fahren. Im Golf von Suez ist das Wasser aber noch seichter als bei Suakim und die Thiere müssen schon in stundenweiter Entfernung auf Bote gepackt und nun langsam dem festen Lande näher gebracht werden. Bei dieser Gelegenheit geschah es denn im Mai des vorigen Jahres, daß das letzte der sechs Böte, auf welchem Thiere, Europäer und arabische Diener im bunten Durcheinander vertheilt lagen oder standen, von den Arabern umgekippt wurde. Die Araber hatten die Zugtaue an die Masten gebunden und zogen entweder höchst ungeschickt oder, was wahrscheinlicher, von dem Wunsche geleitet, ihre Ladung und Arbeit möglichst zu erleichtern, derart an, daß das Boot sich auf die Seite neigte, die Thiere umfielen und in’s Wasser plumpten. Freilich wurden sie so schnell als möglich wieder herausgezogen aber am andern Tage starben die fünf Elephanten, welche das unfreiwillige Bad genommen hatten. Außer diesen war schon vorher auf dem Schiffe ein anderer gestorben so daß von den zweiunddreißig Elephanten die Casanova in Habesch erworben hatte, nur elf lebend nach Europa gelangten.

Bei der Fahrt über das mittelländische Meer geschah kein weiterer Unfall, und Hagenbeck selbst konnte die Thiere in Triest in Empfang nehmen. Auch hier schaffte man sie zuerst in eine große Barke und von da an’s Land. „Das hätte unser Herr Leutemann sehen und zeichnen müssen,“ meinte Hagenbeck. Und in der That hätten wir ein prächtiges Bild von unserem genialen Künstler mehr gehabt. Die Thiere in allen Größen in engem Raum aneinander gepreßt, in der Mitte die Heerde Elephanten, vorne die Kiste mit den Vögeln, Hyänen, Löwen, hinten die fünf Giraffen, die Ziegen und Antilopen, und nun die Wärter, von Einem zum Anderen gehend oder kletternd, hier beschwichtigend und Frieden stiftend, dort eine gekippte Kiste aufrichtend oder einem Thiere zum sicheren Stande verhelfend – dies Alles bot allerdings einen sehr fesselnden Anblick.

Das Landen in Triest brachte neue Aufregung. Die Kunde von dem sehenswerthen Ereigniß verbreitete sich bei den beweglichen Italienern mit Schnelligkeit, Alles lief zusammen, und die ohnehin an das Herumlungern und Faulenzen gewöhnten Tagelöhner und Eckensteher erschwerten jede Bewegung in der lästigsten Weise. Man versuchte die Thiere durch Steinwürfe aufzuscheuchen und hätte es gar zu gern dahin gebracht, daß noch etwas mehr Leben in die Masse gekommen wäre. Nur der großen Umsicht und Entschlossenheit Hagenbeck’s, sowie der Gewandtheit seiner Leute war es zu danken, daß man den Bahnhof ohne Unfall erreichte, denn Hagenbeck allein hatte den ganzen Vorrath, den Casanova in Afrika erworben, käuflich an sich gebracht, trotzdem eine Reihe anderer Thierhändler theils telegraphische Depeschen, theils besondere Agenten an Casanova abgeschickt hatte, um einen größeren oder geringeren Theil des Transportes an sich zu bringen.

Nun endlich konnten die Thiere in die Wagen geschafft werden, welche sie in kürzester Zeit nach Hamburg, ihrem nächsten Bestimmungsort, bringen sollten. Der Eisenbahntransport ist natürlich einfacher als der Schiffstransport, hat aber immerhin noch seine Schwierigkeiten. Man hat zunächst darauf zu sehen, daß die Thierwagen in die Mitte des Zuges kommen, keinenfalls an das Ende, da der letzte Wagen namentlich bei Wegkrümmungen derart schleudert, daß die Thiere leicht lebensgefährliche Stöße und Verletzungen erhalten. Ferner ist man genöthigt, die Wände der Wagen mit Heu und Leinewand auszupolstern und den Thieren einen möglichst sicheren und bequemen Stand zu bereiten. Von Allen haben es die Giraffen im Wagen am ungemüthlichsten. Denn da die Höhe der letzteren für die Langbeine nicht ausreicht, so sind sie gezwungen, den langen Hals gerade auszustrecken, was natürlich auf die Dauer sehr beschwerlich ist. Eine noch jetzt in Hamburg befindliche Giraffe von siebenzehn rheinischen Fuß Höhe hat man nur in der Weise von Wien hierher schaffen können, daß man sie in einen eigens dazu gebauten, mit einem beweglichen Dache versehenen Kasten stellte, so daß das Thier wenigstens auf den Stationen seine natürliche Stellung einzunehmen im Stande war. Komisch genug mag das ausgesehen haben. Auch mußte man sich schon bei der Hinreise nach Wien

genau nach der vielfach verschiedenen Höhe der Tunnels erkundigen,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_046.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)