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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

schwerlich von einer anderen auf uns gekommenen Schöpfung der alten Welt übertroffen und sicher von keiner Arbeit der Renaissance erreicht wird. Den erhaben gearbeiteten Rand eines großen Tellers bilden köstliche Arabesken von Blattwerk, zwischen denen Vögel, Käfer und Schmetterlinge herumfliegen. Von drei flachen Trinkschalen sind zwei mit reichem, aber nur wenig hervortretendem Blätterschmuck, eine andere, ungleich werthvollere mit einem Löwenfell sowie mit Thier- und Menschenköpfen verziert. Durch große Einfachheit zeichnet sich ein anderes nur mit einem Lorbeerkranze geschmücktes Trinkgefäß aus. Auf den bandartigen Rändern von fünf anderen flachen Trinkschalen sehen wir rankende Pflanzen mit emaillirten Bändern eingravirt. Ein ganz eigenthümliches Stück der Sammlung, der Form nach ein nach oben sich erweiternder Cylinder und etwa achtzehn Zoll hoch, zeigt Bilder von Pferden und wilden Ebern.

Die handwerksmäßige Arbeit an diesen Silbersachen ist durchaus die der Zeit, in welche Wieseler im Einklang mit den Professoren Benndorf, Unger und Sauppe die Herkunft derselben verlegt. Es sind theils gegossene, theils gehämmerte und theils ciselirte, theils getriebene Werke. Zu den ciselirten gehören die meisten und die schönsten Trinkbecher sowie die oben geschilderte große Vase, die jedenfalls ein sogenannter Krater, d. h. ein Gefäß war, in dem man den Wein mischte. Bei diesem Mischkrug sowie bei verschiedenen Bechern ist jetzt die äußere Schale von dem massiven Einsatz, mit dem sie gefüttert war, getrennt, indem das sie verbindende Blei sich in der Erde aufgelöst hat. Dieses Verfahren bei der Herstellung ist ganz dasselbe, welches man von den bei Bernay und in Pompeji gefundenen antiken Silbergefäßen bemerkt hat.

Hiermit ist erschöpft, was sich für den Ursprung des Hildesheimer Schatzes im Alterthum sagen läßt. Es genügt, um denselben für festgestellt zu halten. Die gefundenen Gegenstände gehören zu einem Tafelservice, welches moderner Sitte und modernem Bedürfniß mit seinem Dreifuß, seinem Kandelaber, seinen massiven Casserolen und Anderem nicht entspricht. Die Ornamente und Darstellungen der Reliefs fallen ausnahmslos in das Bereich der antiken Kunst und Mythologie. Die lateinischen Inschriften weisen auf den Gebrauch römischer Werkstätten hin. Die hohe Kunst, die sich in dem Stil der Figuren und Arabesken sowie in der Handhabung der Silbertechnik ausspricht, läßt wenigstens bei einigen der besten Stücke auf griechische Meister der Zeit des Augustus oder Tiberius schließen.

Da ferner, wie bei der Ausgrabung zweifellos festgestellt wurde, die sorgfältig zusammengelegten Theile des Schatzes sich in keinerlei Baulichkeit befunden haben, so sind dieselben zum Zwecke heimlicher Aufbewahrung vergraben gewesen. Endlich sprechen verschiedene Gründe dafür, daß die Niederlegung derselben nicht später als im Alterthum stattgefunden hat. Es wäre sonach möglich, daß der Schatz wirklich von der Schlacht im Teutoburger Walde, der nur wenige Meilen von Hildesheim entfernt ist, herrührte, daß er ein Theil des Tafel- und Küchengeräths des Varus und die dem Arminins bei jener Gelegenheit zugefallene Beute wäre.

Die Fürsten der Germanen liebten es, einen Hort zu haben. Häufig wurden solche Schätze in der Zeit der Völkerwanderung vergraben. Oft werden in den Heldensagen geheimnißvolle Schätze erwähnt, so der Schatz Fafnir’s in der Edda, der Nibelungenhort, der Drachenschatz, welcher Beowulf den Tod brachte. Mit Begier strebten die Gegner der Besitzer solcher Reichthümer nach denselben. Das Erste, was Agilulf, der Langobardenkönig, that, als er den aufständischen Herzog Gaidulf bezwungen, war, daß er ihm seinen Schatz nahm, den er auf einer Insel des Comer Sees verborgen. Unter den Friedensvorschlägen, welche Kaiser Justinian dem Gothenkönig Vitigis machte, ist auch der, daß dieser seinen Schatz mit dem Kaiser theilen soll. Der Frankenkönigin Brunhilde wurde nach dem Tode ihres Gemahls von dem Nachfolger vor Allem ihr Schatz genommen.

Es ist nicht undenkbar, daß Hermann der Cherusker oder einer seiner Angehörigen aus irgendwelchem Grunde, in Bedrängnis aus Mißtrauen und dergleichen den ihm zugefallenen Antheil an der Beute der Schlacht, in der Varus und seine Legionen der Wucht der vereinigten nordwestlichen Germanen erlagen, der Erde anvertraut hat. Es wäre ferner möglich, daß dies in der Nähe von Hildesheim geschehen wäre, bis wohin sich das Gebiet der Cherusker erstreckt haben mag, und wo die frühzeitige Gründung einer Kirche vielleicht darauf zu schließen gestattet, daß hier einst ein altes Heiligthum der heidnischen Germanen oder sonst ein Versammlungsort von Bedeutung stand.

Die Phantasie kann darauf weiter bauen.

Vorher aber hat der Verstand noch ein nicht unerhebliches Hinderniß zu bewältigen. Ein kleines Pergamentstückchen, welches in einem der Gefäße des Galgenbergs gefunden worden sein soll, rückt, falls es echt ist und wirklich enthält, was man auf ihm lesen will, zwar nicht die Entstehungszeit des Schatzes, wohl aber die Zeit, wo er vergraben wurde, sofort aus dem Alterthume über das Mittelalter hinweg in eine verhältnißmäßig nicht sehr entfernte Zeit. Auf diesem verhängnißvollen Fetzen Thierhaut wurde nämlich, für gewöhnliche profane Alltagsaugen zwar kaum erkennbar, für geübten Gelehrtenblick aber fast unzweifelhaft das Wort „Herzog“ und dabei ein „U“ entdeckt, und das wiese auf den Herzog Ulrich von Braunschweig hin, der vor circa dreihundert Jahren einmal in der Gegend von Hildesheim lagerte. Nur wäre dann wunderbar, daß damals vom Verschwinden eines so bedeutenden Schatzes nichts ruchtbar geworden sein sollte.

Bis auf weitere Untersuchung dürfen wir also wohl noch an die Möglichkeit glauben, daß die Ueberschrift unseres Berichts von dem denkwürdigsten Funde antiker Silbergeräthe, der seit Menschengedenken gemacht worden ist, wenigstens annähernd auf Richtigkeit Anspruch hat.

Sei dem aber auch anders, Eins steht fest, daß der Hildesheimer Fund kein Product der Renaissance oder irgend einer spätern Zeit, sondern altrömischen Ursprungs und zwar aus der alleredelsten Periode des römischen Kunsthandwerks ist, und daran knüpft sich eine Erwartung, die in das praktische Gebiet hineinschlägt.

Es kann kaum ausbleiben, daß dieser Fund auf die Entwickelung unsres heutigen deutschen Kunsthandwerks erheblichen Einfluß übt. Nicht nur den Goldschmieden, sondern auch anderen Handwerkern, Töpfern und Bronzearbeitern z. B., liegen hier Muster von Gefäßformen und Ornamenten vor, wie man sie so schön in Deutschland noch nicht gesehen hat. Durch Photographien und Abgüsse, namentlich aber durch Holzschnitte, wie wir hier zwei von den besten Stücken des Schatzes gegeben haben, werden diese Schätze sehr bald allgemein bekannt werden, und es ist nicht zu bezweifeln, daß der deutsche Geschmack nach Verlauf einiger Zeit die Anregung erkennen lassen wird, die diese wahrhaft herrlichen Vorbilder ihm bieten werden.




Blätter und Blüthen.

Erklärung. Auf meine in Nr. 37 der Gartenlaube abgedruckte Feuilletonnotiz: „Schiller’s Gedichte“ hat der Buchhändler Hempel eine Schmähschrift veröffentlicht, deren Ton jede Erwiderung von vornherein abschneidet. Er widerlegt darin mit keiner Silbe den ihm gemachten Vorwurf: unsittliche und von Schiller stets verworfene Gedichte in seine für das Volk bestimmte Nationalbibliothek aufgenommen zu haben, und ich kam, deshalb meine Aufforderung, daß der Hempel’schen Ausgabe der Schiller’schen Gedichte der Eingang in jedes deutsche Haus, in jede deutsche Familie gewehrt werde - eine Aufforderung, die nur so viele beistimmende Zuschriften eingetragen – heute nur wiederholen. Kein um die Sittlichkeit seiner Linder bekümmerter Familienvater kann und wird den Hempel’schen Schiller in die Hände seiner Tochter legen.)

Im Uebrigen verbietet die Gewissenlosigkeit des Angriffs jede weitere Antwort. Derselbe Buchhändler Hempel, der mich in seiner Schmähschrift als Uebersetzer der Demimonde-Literatur hinstellt, der mich als einen von der Cotta’schen Buchhandlung Bestochenen zu brandmarken sucht, der mich von seinem Helfershelfer als „bornirt und blödsinnig“ bezeichnen läßt, derselbe Herr fordert mich unterm 2. Januar d. J. in “einer eigenhändigen und mehr als höflichen Zuschrift auf, mich an der Herausgabe der Nationalbibliothek zu betheiligen, und schließt diesen von mir nie beantworteten Brief mit den Worten: „Die Gelegenheit benutzend, die Gesinnungen meiner hohen und aufrichtigen Verehrung gegen Sie auszusprechen, verharre etc. etc.“ – Paßt hier nicht der bekannte Ausspruch Friedrichs des Großen nach der Schlacht bei Zorndorf hin: „Und mit etc. etc.“?

     

A. Diezmann.




Instinct oder Uebertragung. Die Gartenlaube hat schon oft in ihren „Blättern und Blüthen“ Beiträge zu der Frage über die geistigen Fähigkeiten der Thiere gebracht, Belege, daß auch bei Thieren, die auf

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 799. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_799.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)