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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

So bilden Lisco und Knak die ausgesprochensten Gegensätze der modernen Theologie: der Eine voll universeller, humaner und wissenschaftlicher Bildung, der Andere orthodox beschränkt und jede weltliche Bildung verachtend; so weitherzig der Eine, so engherzig der Andere; Lisco voll christlicher Liebe, Knak voll fanatischer Unduldsamkeit; jener ein Zeuge für die befreiende und welterlösende Macht des Christenthums, dieser ein finsterer Priester der streitsüchtigen, verfolgungslustigen Kirche, welche mit ihrem Eifer alle Bildung, den Fortschritt und die höchsten Schätze der Menschheit von Neuem bedroht.

Zum Glück sind gerade solche Charaktere und Vorgänge dazu angethan, um auch den Blinden die Augen über das Treiben, die Absichten und Ziele der orthodoxen Partei zu öffnen, eine wohlthuende, unausbleibliche Bewegung des deutschen Volkes gegen die Herrschaft unduldsamer Geistlicher hervorzurufen und eine neue, immer tiefer eingreifende Reformation auf geistlichem Gebiete herbeizuführen, aus der das deutsche Volk eben so siegreich hervorgehen wird, wie einst aus dem Kampfe gegen den Gewissenszwang und die Mißbräuche des päpstlichen Stuhls.




Aus der schwimmenden Wasserwelt.

I.
List und Geschicklichkeit des Fisches. – Der Verhungernde mit der Beute im Munde. – Der Mausfalke und der Bleye. – Die Kugelfische. – Der Fallschirm der fliegenden Fische. - Der Wels und seine Bartfäden. – Die „Betrüger“. Die Spritzfische oder Schützen. – Landwanderungen der Labyrinthfische. - Reisezüge des Lachses. – Der Aal noch heute ein naturhistorisches Räthsel. - Meerwanderungen der alten und Rückkehr der jungen Aale. – Der Aal überspringt den Rheinfall.

Erlauben Sie mir, daß ich in den nachstehenden Aufzeichnungen ein Thema berühre, welches, meines Wissens, in der Gartenlaube noch nicht zur Sprache gekommen ist. Ich will Sie heute einmal von den – „stummen“ Fischen unterhalten und zwar von dem geistigen Leben derselben, wie es sich in ihrem Kriege gegeneinander oder gegen andere Thiere, in ihren Vertheidigungs- und Angriffsmethoden, in ihren Wunder- und Wanderzügen, in ihrer elterlichen oder richtiger väterlichen Liebe zu ihren Jungen und endlich in den Kunstleistungen äußert, welche sie, erstaunlicher Maßen, namentlich auf dem Gebiete der Musik entfalten.

Zahlreich und mannigfach sind die geistigen Waffen, die Listen und Geschicklichkeiten, mit denen die Fische ihre Verfolger abzuwehren oder ihre Beute zu überrumpeln verstehen. Bisweilen bringen sie ihrem Räuber, selbst wenn sie von diesem bereits gefangen sind, noch den Tod. Ein Beispiel dieser Art erzählt Bloch. Von unseren einheimischen Fischen ist der Barsch wohl der gefräßigste. Er schont eben so wenig wie der Hecht seine eigene Gattung, ist aber beim Raub nicht so vorsichtig wie jener. Der Hecht hascht nur aus Mangel an anderer Nahrung und in höchster Noth den Barsch und Kaulbarsch, weil er sich vor ihren Stacheln fürchtet; an dem Stichling aber vergreift er sich nie. Der gierige Barsch hingegen, der nach Allem schnappt, was er bezwingen kann, muß zuweilen diese Raubbegierde mit dem Leben büßen. Denn der Stichling, der, sobald er sich gefangen sieht, sich heftig sträubt, weiß seine Stacheln geschickt in den Mund des Barsches zu bringen. Dieser hakt darin ein, kann den Mund nicht mehr verschließen und muß so, einem Tantalus gleich, mit der Beute vor Augen und im Munde verhungern.

Der Mausfalke sucht zuweilen seinen Hunger durch den Genuß des Bleyes zu stillen. Stößt er aber auf einen großen Bley, so fährt dieser beim Gefühl der eingeschlagenen Krallen sofort in den Grund. Wenn nun der Vogel blos das Fleisch des Fisches gefaßt hat, so bleibt, indem jener sich dem Zuge des Bleyes nach unten durch das Sträuben der ausgebreiteten Flügel auf dem Wasser widersetzt, das angepackte Stück in seinen Krallen sitzen, hat er aber mit seinen Klauen das Rückgrat mit gefaßt, so zieht der Fisch seinen Räuber ohne Gnade mit in den Grund.

Von besonders merkwürdigen Vertheidigungsmitteln, durch welche angegriffene Fische der drohenden Gefahr zu entgehen wissen, will ich nur zwei Beispiele anführen. Die sogenannten Kugelfische, deren Haut mit beweglichen Stacheln versehen ist, blasen sich sofort, wenn sie angegriffen werden, durch Einpumpen von Luft in ihren Schlundsack zu einem kugelförmigen Ballon auf und strecken die Stacheln ihren Angreifern entgegen. Diese rollen nun die Kugel auf dem Wasser umher, ohne sie fassen zu können, und verlassen sie gar bald, wenn sie sich die Schnauze blutig gestochen haben.

Die sogenannten fliegenden Fische schnellen sich, wenn sie verfolgt werden, mit einem kräftigen Schlage oft zehn bis zwölf Fuß hoch in die Luft und lassen sich dann mittels ihrer ausgespannten großen und von kräftigen Muskeln bewegten Brustflossen, die wie ein Fallschirm wirken, in sehr schräger Richtung in das Wasser zurückfallen. Sie sollen auf diese Weise einen halben Büchsenschuß weit und darüber fliegen können.

Nicht minder interessant sind oft die Mittel, wie sich die Fische ihre Beute zu verschaffen wissen. Der bekannte Wels, der größte unserer Süßwasserfische, würde bei der ihm in hohem Maße eigenen Trägheit sehr leicht in Gefahr kommen zu verhungern, wenn er sich nicht auf schlaue Weise zu helfen verstände. Er benutzt nämlich die langen Bartfäden, mit denen er zu beiden Seiten des Maules versehen ist, dazu, mit denselben nach allen Seiten hin willkürlich wurmförmige Bewegungen zu machen. Die kleineren Fische, welche darauf losschießen, um die scheinbaren Würmer zu verschlucken, werden bei dieser Gelegenheit auf die bequemste Manier eine Beute des ruhig im Schlamme liegenden Welses.

Eine andere List wenden gewisse Fische an, welche man von der Art, wie sie ihre Beute fangen, Betrüger genannt hat. Sie können nämlich ihre Schnauze schnell in eine häutige Röhre verschieben, welche länger wird als der Kopf selbst, und damit, ohne sich von der Stelle zu rühren, kleine Fische plötzlich wegschnappen. Auf die merkwürdigste Weise aber wissen die sogenannten Spritzfische oder Schützen, die in Ostindien zu Hause sind, sich ihre Nahrung zu verschaffen. Sobald sie eine Fliege oder ein anderes kleines Insect an einer über dem Wasser hängenden oder daraus sich erhebenden Pflanze wahrnehmen, kommen sie vorsichtig und leise herangeschwommen und schießen aus ihrer röhrenförmigen Schnauze mit einem nie fehlenden Wasserstrahl das Thierchen herab, um es zu verschlingen. Hommel, Spitaldirector zu Batavia, hat dieses Schauspiel zuerst beschrieben. Er setzte einige dieser Fische in ein Faß mit Meerwasser, spießte eine Fliege an eine Nadel, steckte sie an einen dünnen Stock und diesen in die Seitenwand des Fasses. Jetzt sah er täglich mit Vergnügen, wie sich alle seine Fische um die Wette bestrebten, die Fliege zu fällen, und ohne Unterlaß, mit ungemeiner Schnelligkeit und ohne jemals ihr Ziel zu verfehlen, einzelne Wassertropfen darauf abschossen. – Von einem merkwürdigen Triebe vieler Fische, den sie mit den höheren Wirbelthieren gemeinsam haben, geben uns ihre regelmäßig zu bestimmten Zeiten im Jahre erfolgenden Wanderungen Kunde, die sich indeß nicht, wie man glauben sollte, auf das flüssige Element beschränken, sondern auch nicht selten geradezu über Land hin stattfinden. Von diesen hochinteressanten Landwanderungen kann ich hier nur die der Labyrinthfische in Asien erwähnen, ferner der karpfenähnlichen Fische in den Südstaaten von Nordamerika, welche, wie der Naturforscher Bosc bemerkt, wenn sie gefangen und auf die Erde gelegt werden, immer nach der Richtung des nächsten Wassers hinkriechen, auch wenn dasselbe so weit entfernt ist, daß sie es unmöglich sehen können. Ein anderer neuerer Beobachter bestätigt durch seine Berichte die ältere Angabe, daß verschiedene Welsarten in Afrika auf ihren Landwanderungen während der trockenen Jahreszeit in solchen Schaaren angetroffen werden, daß die Neger ganze Körbe damit voll füllen.

Von ganz besonderem Interesse sind aber für uns die Wanderungen allgemein bekannter Fische, von denen ich ausführlicher hier nur die der Lachse und Aale erwähnen will. Der Lachs steigt bekanntlich, um zu laichen, wie die Störe, Sterlete, Maifische u. a., im Frühjahr aus dem Meere in die zunächst liegenden Flußmündungen auf. Von einer solchen Stromaufwanderung des Lachses erzählt Bloch: „Wenn der Lachs sich in die Ströme begiebt, so

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 523. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_523.jpg&oldid=- (Version vom 23.5.2023)