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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Stadt und Festung und Sokol in Serbien.


weit zu gehen braucht, wenn er nach Feierabend oder in den Mittagsstunden nach seinem gewohnten Lesezimmer will, wo er, Tages- und Wochenblätter, Monats- und Vierteljahrschriften, die alle möglichen politischen, religiösen und socialen Meinungen vertreten, in reicher Anzahl ausgelegt findet. Alle drei Monate werden die älteren Zeitungen und Journale verkauft; um eine Kleinigkeit kann dann der Arbeiter eine Reihe der werthvollsten Zeitschriften in seinen Besitz bringen.

Die ,Achtundzwanzig’ eröffneten ihren Handel mit einem kleinen Vorrath von Specereiwaaren; Jeder brauchte Thee, Zucker und Kaffee und das Geschäft konnte verhältnißmäßig ohne viel Mühe und Auslagen geführt werden. Jetzt begreifen wir unter ,Specereiwaaren’ eine unendliche Mannigfaltigkeit von Artikeln. Unser Zweck ist eben auch, Zeit und Mühe zu sparen, und wir halten es nur für recht und billig, daß sich die Arbeiterfrau, die Handwerkertochter Alles, was sie für den Haushalt einer Woche oder, nach Umständen, eines Halbjahres nöthig hat, in einem und demselben Laden kaufen könne. Außer dem großen Centralmagazin, welches auf dem Almanach abgebildet ist, haben wir noch zehn andere Niederlagen; in jeder kann ein Kind die gewöhnlichen Specereiwaaren für die Familie besorgen, denn diese ist sicher, daß es die besten Artikel und volles Gewicht erhält. Es würde Ihrem Herzen wohl thun, könnten Sie einmal Freitag Abends beobachten, wie die armen Leute, nicht blos Mitglieder unseres Vereins, in unseren Stores ihre Einkäufe machen. Sie wissen, hier werden sie nicht betrogen, und was sie bekommen, viel oder wenig, ist echt und gut.

Zeuge und Ausschnittwaaren überhaupt finden Sie in diesen Läden nicht. Ein Kleid oder ein Shawl ist für die Arbeiterfrau schon ein Gegenstand von Belang, der gehörige Ueberlegung und allseitige Erwägung heischt. Für die Besorgung solch einer ernsten Angelegenheit können unsere Weiber und Töchter schon einmal einen etwas weiteren Weg anwenden. Wohl aber haben wir eigene Tuch- und Ellenwaarenhandlungen etablirt, welche für unsere Frauen Alles in sich vereinigen, was zu ihr ein Anzug nur gehört, von dem Schuh und Strumpfband bis zum Hute und Wintermantel. Am Sonnabend Nachmittags zwei Uhr werden unsere sämmtlichen Magazine, Specerei-oder Tuchläden, geschlossen, da wir den darin Beschäftigten neben dem an sich arbeitsfreien Sonntag allwöchentlich gern noch ein paar freie Stunden gönnen.

Ja, ja, Herr, wir dürfen uns schon ,Pioniere’ nennen, denn wir haben für eine Schaar von Nachfolgern die Bahn gebrochen. So ist zum Beispiel nach unserm Vorgange und zum Theil unter unserer Mitwirkung hier in Rochdale selbst die genossenschaftliche Getreidemühlengesellschaft (Cooperative Cornmill Society) in’s Leben getreten. Sie ist mit einem Capital von achtundneunzigtausend Pfund Sterling fundirt und hat im vorletzten Jahre einen Umschlag von mehr als dreihundertundsechsundfünfzigtausend Pfund Sterling gemacht, mit einem Reingewinn von etwas über achtzehntausend Pfund. Jede Woche liefert sie vierzehnhundertundachtzig Sack unverfälschten Weizenmehls, hundertachtundzwanzig Last Hafermehl und fast neunhundert Last Malz. In diesem Augenblicke beginnt die Gesellschaft mit einem Kostenaufwand von zehntausend Pfund Sterling auch eine große Bierbrauerei zu gründen, damit dem Arbeiter reines, nahrhaftes Ale und stärkender Porter nicht fehlen.

Ein cooperativer Bauverein, der seinen Mitgliedern fünf Procent Zinsen gewährt, eine Kranken- und Begräbnißgesellschaft, eine cooperative Feuerversicherungscompagnie, die soeben ihre Wirksamkeit eröffnet hat – dies Alles haben wir nach und nach hergestellt, und wenn uns Geschick und Umstände günstig bleiben, wie, einige durch die amerikanische Baumwollenkrisis im letzten Kriege veranlaßte Verluste abgerechnet, sie es seither gewesen sind, so läßt sich wirklich gar nicht absehen, wohin und wie weit wir unsere Thätigkeit noch ausdehnen werden. Was wir aber auch unternehmen, unsere alte Devise: ‚Vorsicht und Sorgfalt’ halten wir aufrecht, und somit steht nicht zu fürchten, daß wir, gleich so manchen vom Glück begünstigten Speculanten, das Gewonnene leichtsinnig und tollkühn auf’s Spiel setzen.


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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 364. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_364.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)