Seite:Die Gartenlaube (1868) 231.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Mit diesem Feste beginnt meist der Fasching in weiteren Kreisen. Hei wie Lustig ging es einst, wenn man allen Leuten Glauben schenkt, in der Fastnacht in unsern Bergen zu! Tanz und Sang, Huttlerlaufen und Gaistädinge waren allüberall! – Allein von der neueren Zeit, wo von den Kanzeln aus die Zithern als Teufelsinstrumente verdammt wurden und mürrische Landrichter in jeder Volksbelustigung ein halbes Staatsverbrechen sahen, gelten meist des Dichters Worte:

„Zum Teufel ist der Spiritus,
Das Phlegma nur geblieben.“

Doch läßt sich die Jugend nicht überall die Faschingslust rauben und das Huttler- oder Schemenlaufen (Maskengehen), das Blockziehen und Aehnliches hat sich trotz aller Polizeiverbote und polternder Capucinaden in manchen Dörfern erhalten. Eine beliebte Unterhaltung besteht darin, daß vermummte Bursche alte Madlen darstellen, die auf einen Wagen gesetzt werden, damit sie auf das Sterzinger Moos, den Büßeort verstorbener Jungfern, geführt werden. An derben Reimsprüchen und persönlichen Anspielungen darf es bei einem solchen Mummenschanze nicht fehlen, und man muß oft bei solcher Gelegenheit über den prompten Mutterwitz und die Reimfertigkeit unserer Jugend staunen. Mit dem Fasching gilt der Winter als abgeschlossen, denn am Fastnachtsdienstage leuchten an der untern Etsch schon die Faschingsfeuer, am ersten Fastensonntage in der Meraner Gegend die „Holepfannen“ von den Hügeln. So werden die Frühlingsfeuer genannt, die besonders im Burggrafenamte zahlreich angezündet werden, um den Beginn der schönen Jahreszeit zu feiern, obwohl dem Volke längst deren Bedeutung abhanden gekommen ist. In Ulten nennt man aber noch das Anzünden der Reis- und Strohbündel auf den Saatfeldern das „Kornaufwecken“, welcher Name noch die Beziehung dieser Feuer auf den Frühling und die Saat ausdrückt. Im Oberinnthal wird um diese Zeit das „Scheibenschlagen“ begangen, wobei brennende Räder über Aecker geschleudert oder über Abhänge gerollt werden. Da seit uralten Zeiten das Rad als Sinnbild der Sonne gilt, läßt sich schließen, daß diesem Brauche ein Fest zu Ehren der erstarkenden Sonne zu Grunde liege. Im Vinschgau, dem Thale der alten Unnosten, ziehen am 22. Februar, dem Feste Petri Stuhlfeier, die Buben, mit großen Schellen und Kuhglocken klingend, durch die Dörfer und rufen: „Peter Langas, Peter Langas!“ Sie kündigen auf diese Weise die Ankunft des ersehnten Frühlings an, der in der Volkssprache „Langas“ (Lenz) heißt, und die schöne Sitte nennt man „Langaswecken“. Weil in Südtirol mit diesem Tage wieder die Feldarbeiten beginnen und die Dienstboten von nun an mehr Wein von ihrem Bauer beziehen, wird dieser Tag „Peter Pütterle“ genannt, da Pütter das kleine hölzerne Weingefäß bedenket, welches man auf die Felder hinaus mit sich trägt.

Der Winter mit seiner Ruhe, seinem gemüthlichen Stillleben, mit seinen Freuden und Festen ist jetzt für Südtirol vorüber und das Wirken und Schaffen unter Gottes freiem Himmel nimmt wieder seinen Anfang. In Nordtirol aber und in höher gelegenen Thälern, wo der Winter länger sein krystallenes Scepter schwingt, dauert, nicht eben zum Schmerze der Landleute, die Siesta in der warmen Stube meist bis Ende März, ja das „Grasausläufen“, welches dem „Langaswecken“ entspricht, findet im Unterhaltene erst am Georgitage (24. April) statt.





Der Präsident auf der Anklagebank.
Von einem Augenzeugen.
(Schluß.)


Am Sonnabend des 22. Februar um zwei Uhr zehn Minuten erhob sich der alte Thaddeus Stevens, als Vorsitzender des aus sieben Republikanern und zwei Demokraten bestehenden Rekonstruktions-Comités. Ein fünfundsiebzigjähriger Greis von hoher Gestalt, die durch einen zerschmetterten Fuß etwas leidet, sehr mager und eingefallen, hat er dem Anscheine nach jede körperliche Kraft verloren, aber die lebhafte, unverwüstliche Kraft, welche auf seiner ungewöhnlich hohen und breiten Stirn thront, zwingt das nur mühsam zusammenhaltende Gerippe seine letzten Dienste zu thun. Obwohl er nur wenige Schritte vom Kapitol entfernt wohnt, wird er doch bis an die Stufen desselben gefahren und dann, in einem Lehnstuhl sitzend, von zwei Männern die Treppen hinauf bis zu seinem Kabinett getragen. Außer und im Congresse ist er verdientermaßen der Patriarch der republikanischen Partei, und wenn im Hause seien Leichengesicht sich über seine Umgebungen erhebt, dann schweigt plötzlich wie durch Zauber der Lärm, Alles blickt nach Stevens, jeder Blick hängt an seinem Munde und die meisten Mitglieder schleichen behutsam in seine Nähe, um keines seiner Worte zu verlieren. Ja seine, ich darf sagen, Geistererscheinung ist so imponirend, die Ueberzeugung, daß nur die reinste und sorglichste Vaterlandsliebe jenem am erlöschen flackernden Lebenslicht ein Minimum Nahrung gewährt, so unabweislich, daß selbst die Demokraten, die Niemanden mehr hassen als diesen schwachen Greis, sich vor der Größe seiner persönlichen Erscheinung beugen.

Ehe der Sprecher des Hauses Stevens das Wort gab, ermahnte er die in allen Räumen dicht gedrängten Zuschauer wie auch die Volksvertreter, während der nunmehr beginnenden Verhandlungen Ordnung zu halten. Stevens las nun mit, wenn auch schwacher, doch durch den weiten Saal vernehmbare Stimme nachstehenden Bericht: "Das Comité findet, daß, zusätzlich zu den bekannten Documenten, der Präsident am 21. Februar eine Bestallungsurkunde und Authorisation für einen Lorenzo a Thomas ausfertigen lassen und unterzeichnet hat, worin der besagten Thomas anweist und autorisiert als interimistischer Kriegssecretär zu handeln und von den Büchern, Urkunden, Papieren und anderm öffentlichen Eigenthume in dem Kriegsdepartement Besitz zu ergreifen, wovon Folgendes eine Abschrift ist: (es folgt die Ordre des Präsidenten).

Aufgrund der von dem Comité gesammelten Beweisstücke und kraft der ihm vom Hause übertragenen Gewalt, ist dasselbe der Ansicht, daß Andreas Johnson, Präsident der Vereinigten Staaten, wegen hoher und geringer Vergehen angeklagt werden solle (be impeached for high crimes and misdemeanors.) Das Comité empfiehlt daher dem Hause der Annahme des folgenden Beschlusses: daß Andreas Johnson, Präsident der Vereinigten Staaten, wegen hoher und geringer Vergehen angeklagt werde."

In lautlose Stille nahmen Haus und Publicum die verhängnißvolle Botschaft aus dem Munde des Propheten entgegen, der seit fast drei Jahren vergeblich seine warnende Stimme erhoben. Jeder schien zu fühlen, daß wiederum an unserer Verfassungsleben ein harter Prüfstein angelegt werden solle; wiederum, wie im Jahre 1861, war das Volk gespalten gegen den gemeinschaftlichen Feind, und wiederum ist es die demokratische, richtiger Rebellenpartei, welche die Krisis herbeiführt, ja wiederum die 1861 ist es, wenn auch versteckt wie damals, die Anerkennung der Menschenrechte im Farbigen, wie unser Staatswesen von Neuem auf die Probe stellt. Wie ein Polyp im thierischen Körper, wächst das Uebel nach jeder neuen unvollständigen Operation mit Riesenschritten nach – aber diesmal wird die Operation eine gründliche sein.

Im Laufe des Tages hatte der Präsident dem Senate eine wunderliche Botschaft zugeschickt, in welcher er, offenbar erschreckt über die Aufnahme, die seine Usurpationen im Congresse gefunden, und über die energischen Schritte, die dieser adoptirt, nachzuweisen suchte, daß er nicht beabsichtigt habe, Constitution und Gesetze umzustoßen, sondern blos der letzteren in Constitutionalität durch die Gerichte prüfen zu lassen. Nichts charakterisirt den Mann besser als gerade dieses Actenstück und seine rabulistische Logik.

Sobald im Hause die Verlesung des Comitéberichtes beendet war, stürzte sich James Brooks, der Leiter der Demokratischen Partei und Redacteur des nichtswürdigsten Verrätherblattes selbst in New-York, des "Expreß", in die Bresche zur Vertheidigung des Präsidenten, und der parlamentarische Kampf, dessen Koryphäen ich nicht aufzählen will, da sie dem deutschen Publicum wenig bekannt sind, tobte, mit Unterbrechung von nur einer Stunde, bis ein Viertel nach elf Uhr Nachts unter der gespanntesten Aufmerksamkeit des

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_231.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)