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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Gesandtschaftsposten legte er jetzt definitiv nieder, obwohl der Minister des Auswärtigen mit Rücksicht auf seine Leistungen als Diplomat darauf bestand, daß er nach Spanien zurückkehre. Schurz trat in die Armee und wurde bereits im Juni zum Brigadegeneral in demjenigen Corps ernannt, welches im Shenandoahthal operirte. Er nahm an den Schlachten von Bull Run (der zweiten dieses Namens), Chancellorville, Gettysburgh und Chattanooga, sowie an vielen kleineren Gefechten Theil, avancirte im März 1863 zum Divisionsgeneral und machte als solcher den Krieg bis zu dessen Beendigung mit. Die kriegswissenschaftlichen Studien, welche er als Jüngling in einer so eigenthümlichen Situation betrieben, mögen hier wohl ihre Früchte getragen haben. Jedenfalls wird von allen Seiten bestätigt, daß Schurz auch als Heerführer nicht allein Tapferkeit und Energie, sondern auch strategische Umsicht und Geschicklichkeit in hohem Grade bewährt habe.

Nach der Capitulation der conföderirten Armeen reichte er im Mai 1865 sofort seine Demission ein und trat in das bürgerliche Leben zurück. Dies Verhalten ist ein Beweis von der einfachen Größe seines Charakters, welches, jedem Ehrgeize und jedem Verlangen nach äußerer Auszeichnung fremd, seine Befriedigung und seinen Lohn nur in dem Bewußtsein findet, im Dienste des Landes seine Pflicht gethan zu haben.

Inzwischen war Lincoln, zu dessen Wiederwahl als Präsident im Jahre 1864 Schurz während eines Urlaubs wesentlich beigetragen, durch Mörderhand gefallen. Wenn der Tod dieses wahrhaft großen Mannes ein für die Union unersetzlicher Verlust zu nennen ist, so bezeichnet Schurz denselben als den härtesten Schlag, der ihn je getroffen. Beide waren Freunde gewesen, die gleiche Grundsätze und gleiches Streben mit einander auf das Engste verbunden hatten, und insbesondere hatte Schurz nicht allein das vollste Vertrauen, sondern auch die innigste Liebe Lincoln’s besessen. Letzterer hat sich oft dahin ausgesprochen, daß Schurz einer von denen sei, welche seinem Herzen am nächsten ständen.

Nachdem Johnson als Präsident in die Stelle Lincoln’s getreten war, schien er anfangs der Antisclavereisache treu zu sein und übertrug Schurz im Jahre 1865 die höchst wichtige Mission einer Bereisung der Südstaaten, um die Zustände in denselben zu untersuchen und darüber Bericht zu erstatten. Schurz führte diesen Auftrag aus und kehrte im October desselben Jahres von seiner Reise zurück. Der von ihm abgelegte sehr eingehende officielle Bericht erregte eine sich weit über die Grenzen der Vereinigten Staaten hinaus erstreckende allgemeine Sensation durch die Schärfe und Klarheit seiner Anschauungen, die darin entwickelte staatsmännische Einsicht, sowie durch die Kraft der Darstellung und war von dem wesentlichsten Einflusse auf die spätere Gestaltung der Reconstructionsfrage. Johnson hat bekanntlich später seinen Freunden den Rücken gewendet und sich den ehemaligen Sclavenhaltern in die Arme geworfen. Schurz war da einer der Ersten, welche gegen ihn in entschiedene Opposition traten, und sein oben erwähnter Bericht hat dem Präsidenten den empfindlichsten Schlag versetzt.

Seitdem ist Schurz aus jeder officiellen Beziehung zur Regierung ausgeschieden und hat sich bis auf Weiteres in das Privatleben zurückgezogen. Sein Einfluß auf die öffentliche Meinung ist jedoch dadurch nicht geringer geworden, vielmehr wirkt er in der kräftigsten und nachhaltigsten Weise durch die Journalistik auf dieselbe ein.

Er ist Miteigentümer und Mitredacteur einer großen, verbreiteten zu St. Louis im Staate Missouri unter dem Namen „Westliche Post“ erscheinenden Zeitung und hat in dieser Stadt auch seinen Wohnsitz. Seine hochbetagten Eltern, welche er mit kindlicher Pietät verehrt, hat er dadurch allen Wechselfällen des menschlichen Lebens entzogen, daß er sie zu sich genommen und ihnen an ihrem Lebensabend ein ruhiges und sorgenloses Dasein an seinem häuslichen Heerde bereitet hat.

Das dieser Skizze beigefügte, nach einer sehr ähnlichen Photographie angefertigte Bild giebt eine Vorstellung von Schurz’s äußerer Erscheinung. Er ist von schlanker, jedoch kräftiger, über Mittelgröße hinausgehender Statur und erfreut sich einer Körperconstitution, welche den mannigfachen Strapazen und Anstrengungen, die sein vielbewegtes Leben mit sich gebracht, getrotzt hat. Eine hohe edle Stirn und ein geistvolles, sprühendes Auge lassen sofort den ungewöhnlichen Menschen in ihm erkennen, wie überhaupt der Gesammtausdruck seiner Züge Willensstärke und Festigkeit, gepaart mit Güte und Wohlwollen, verkündet.

Bekanntlich hat Schurz die letzten Monate zu einem Besuch in seinem deutschen Vaterlande benutzt und sich während dieser Zeit mit seiner Familie in Hamburg, Frankfurt am Main, Wiesbaden und Berlin aufgehalten. Während seines Aufenthalts in letzterer Stadt war es auch mir vergönnt, einen Besuch von ihm zu erhalten und ihn nach achtzehnjähriger Trennung wiederzusehen und von ihm zu hören, daß ich seinem Herzen nicht fremd geworden sei; wie denn überhaupt seine Thätigkeit im Dunste großartiger Interessen seinem Gefühlsleben in keiner Weise Abbruch gethan hat. Ueberall kam man ihm mit Verehrung und Huldigungen entgegen und gab ihm den Beweis, daß man auch in seinem Vaterlande die großen Verdienste, welche er sich jenseits des Oceans erworben, zu würdigen wisse. Besuche und Einladungen, aus allen Gesellschaftskreisen, bedrängten ihn in einer Weise, daß er denselben nur zum Theil Rechnung zu tragen vermochte. Auch der preußische Ministerpräsident hat es sich, wie Eingangs erwähnt, nicht versagt, mit ihm eine mehrstündige Unterredung zu pflegen und ihn zur Tafel zu ziehen. Schurz äußerte sich in der günstigsten Weise über die Liebenswürdigkeit des Premiers im geselligen Umgang, über das Anziehende seiner Unterhaltung und die freimüthige Offenheit, mit welcher er sich gegen ihn über die politischen Verhältnisse Europas, insbesondere Deutschlands ausgesprochen. Schurz selber sieht die letzteren vorläufig als nicht besonders hoffnungsreich an, er bezeichnet das Streben nach innerer Gestaltung bei uns als eine Riesenarbeit, findet aber das wahre Feld für seine eigene Thätigkeit nur in seinem neuen Vaterlande, in welchem das öffentliche Leben sich in rascherem Gange bewegt und die zeitige Generation den von ihr ausgestreuten Samen auch noch zur Reife gedeihen sieht.

Anfangs März ist Schurz nach Amerika zurückgekehrt. Dort bereiten sich von Neuem Ereignisse und innere Kämpfe vor, welche seine Mitwirkung erheischen. Er steht jetzt in seinem neununddreißigsten Lebensjahre, also in der Vollkraft des Mannesalters, und die Zukunft wird es lehren, welcher Antheil an der Entwickelung seines neuen Vaterlandes ihm noch beschieden sein mag.




Marquis Posa als Burgherr.

Emil Devrient scheidet nach siebenunddreißigjährigem Wirken an derselben von der Dresdner Hofbühne, nach sechsundvierzigjähriger Künstlerthätigkeit von der Bühne überhaupt. Bei der immer lebhafter hervortretenden Neigung des deutschen Theaters, sich ernsten, idealen Aufgaben zu entziehen, ist das Scheiden dieses Künstlers um so empfindlicher. Emil Devrient ist Repräsentant der classisch-idealen Bühnenwelt, mit ihm verläßt ein Kunstfürst seine „Truppen“, und was hilft der Donner des Abschiedsgrußes, der allenthalben auf dem Felde dieser Künstlerehre tönt – Devrient geht, und Manchem wird es scheinen, als gingen damit jene Bretter aus den Fugen, welche die Welt bedeuten.

Bedeutende Federn werden sich finden, das Leben und Wirken Emil Devrient’s zu schildern. Unsere heutige Aufgabe soll es sein, eine Seite des vorzüglichen Mannes zu berühren, welche nur ihm näher Stehenden ganz klar hervortreten konnte: seine Liebenswürdigkeit im persönlichen Umgange.

Zur Zeit, als Gutzkow, ein vertrauter Freund des Künstlers, in Dresden lebte, versammelte Devrient von Zeit zu Zeit einen kleinen gewählten Kreis seiner Freunde um sich. Namentlich waren es die Wintermonate, welche die fröhlichen Genossen zusammenriefen. Von einer solchen winterlichen Vereinigung aber will ich nicht erzählen, sondern von einem schönen, heißen Sommertage. Der Dampfer brauste von Dresden nach dem freundlichen Städtchen Bischofswerda nahe der sächsischen Lausitz. In einem Coupé des langen Wagenzuges entführte Devrient seine Freunde dem Drängen und Treiben der Residenz, und am genannten Haltepunkte nahm die feine Equipage des „Rittergüter“ sein eigen nennenden Künstlers die Ankömmlinge auf, sie nach dem seitwärts

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_183.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)