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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

diese durch ähnliche Klagelaute antworten, auf ihre Säuglinge zueilen, sie umkreisen und augenscheinlich, die eigne Gefahr nicht achtend, sie zu schützen suchen, um so unter Ausübung ihrer Mutterpflichten den Tod zu erleiden.

Auch finden sich manchmal in den erlegten weiblichen Walfischen Junge in verschiedenen Entwickelungsperioden, während ebenfalls Beispiele vorkommen sollen, daß trächtige Weibchen mitten im Kampfgetümmel, vermuthlich in Folge der Angst und Aufregung, ihr Junges zur Welt brachten.

Die bei dem regelmäßigem Fange benutzten Waffen sind: eine Lanze, bestehend aus einem zehn Fuß laugen hölzernen Schafte mit einer vierzehn bis sechszehn Zoll langen ovalen und zweischneidigen eisernen oder stählernen Spitze, mittels einer leichten, aber starken sechs bis acht Klafter langen Leine am Boote befestigt; ein eiserner Haken, der Handgriff bis zur Biegung etwa sechszehn Zoll lang, unten mit einem Ringe versehen, in dem ein starkes, wenigstens zehn Klafter langes Tau befestigt ist, und das Messer, welches, von der Größe eines Vorlegemessers, in einer Scheide aus Holz oder Horn an der linken Seite getragen wird.

Früher wurden auch auf den ungefähr vierzig Meilen südlicher belegenen Shetlands-Inseln diese Walfischheerden in ähnlicher Weise erledigt, jetzt bedient man sich aber dort, wegen des großen Antheils, der den zum Theil fremden, oft in Schottland oder England residirenden Landeigenthümern zufiel, stets der Harpunen und erlegt mittels derselben draußen auf offener See so viele, wie man eben kann, während man lieber die Mehrzahl entkommen läßt, als daß man sie zum hauptsächlichen Vortheil der reichen Grundbesitzer an’s Land triebe. Es sind mithin die Farör-Inseln der einzige bekannte Ort, wo der Grindefang so vor sich geht, wie ich – kein Mann der Feder, sondern ein schlichter Geschäftsmann – ihn hier den Lesern der Gartenlaube in einfachen Worten zu schildern versucht habe.




Alte Städte und altes Bürgerthum.
1. Nürnberg im Norden. Von Moritz Busch.
II.

Hildesheim, die Stadt um den tausendjährigen Rosenstrauch, ist in architektonischer Beziehung einer der sehenswerthesten Orte des deutschen Nordens. Schon von ferne, etwa von den Anlagen des Moritzbergs, betrachtet, imponirt es durch die verhältnismäßig große Anzahl seiner Thürme. Im Innern aber kann man in den meisten seiner Straßen kaum hundert Schritt gehen, ohne auf ein mehr oder minder interessantes Denkmal alter Baukunst zu stoßen, und in einigen dieser hügeligen, engen und krummen Gassen häufen sich derartige Bauten so, daß man sich fast völlig in die Vergangenheit versetzt sieht.

Mindestens ein Fünftel der Häuser der Stadt stammt aus dem siebenzehnten Jahrhundert, viele weisen mit ihren reizenden Holzschnitzereien, ihren Arabesken oder Medaillons auf das sechszehnte zurück; einige, meist verräuchert und verbaut, gehören in ihren älteren Theilen sogar in das fünfzehnte. Durch diese kleine Spitzbogenthür schritten ehrsame Bürger einer Zeit, der Luther noch nicht das neue Licht angezündet. Unter jenem verzierten Giebel, in diesen Stockwerken, deren zierliche Balkenköpfe je höher desto weiter über die Wand des Erdgeschosses hinausragen, wohnten Hildesheimer, die sich noch als Bundesgenossen der Hansa fühlten. In den Sprüchen, welche die Front jenes Hauses schmücken, redet ein behaglicher Sinn zu uns, dem der dreißigjährige Krieg noch nicht die gute Laune verdorben. „Spero Invidiam“ (ich hoffe auf Neid) sagt eine jener Hausinschriften, „Deus dat, cui vult“ (Gott giebt, wem er will).

Besonders alt sind von solchen Privathäusern die jetzige Kattendik’sche Eisengießerei und das ehemalige Haus der Kramergilde, beide bei der Andreaskirche gelegen; besonders schön ein Haus an der Ecke der Wollenweberstraße, dessen Thür über sich eine Gruppe von Landsknechten in Holzschnitzerei zeigt; ein anderes nicht weit davon mit Brustbildern von solchen, und ein drittes auf dem Langenhagen, dessen Vorderseite Standbilder von römischen Kaisern und Feldherren, sowie eine Anzahl von Medaillons schmücken. Ferner nenne ich von neueren, aus dem siebenzehnten Jahrhundert stammenden Gebäuden das Brinkmann’sche Haus an der Ecke des Rosenhagens und der Osterstraße, das Tippenhauer’sche auf der Altpetristraße, das Scheiding’sche an der Oberngünen, das Borchers’sche an der Ecke der Markt- und Scheelenstraße, welches auf seiner Ostseite einen mit Bildwerk verzierten Erker zeigt, und das Rolandsspital mit seinen schönen, alttestamentarische Scenen darstellenden Sculpturen.

Merkwürdige Inschriften begegnen dem Suchenden in Menge. Eine eigenthümliche Klage über böse Zeiten ruft ihm ein Eckhaus am Lambertikirchhofe mit den Worten zu:

„De Waerheydt is tho Himel geflogen,
De Truwe is ubertz (über’s) wilde meer getogen,
De Gerechticheit is allenthalven verdrewen,
De untruwe“ … (hier fehlt vermuthlich „in Ehren geblewen“.)

Noch trüber lautet eine Inschrift aus der Reformationszeit, die sich an einem Hause in Kläperhagen befindet, in welchem der Decan Oldekopp wohnte, und die, aus dem Lateinischen übersetzt, folgendermaßen lautet: „Mit der Tugend ist’s zu Ende. Die Kirche wird erschüttert. Die Geistlichkeit irrt. Der Teufel herrscht. Die Simonie gilt allein. Das Wort Gottes bleibet in Ewigkeit. Nichts als der Herr ist beständig. Alles Menschliche ist vergänglich wie das Holz und der Stein dieser Bilder.“

Eine schöne und vielleicht nothwendig gewesene Ermahnung trägt ein Spruchband über der Thür des obengenannten Gildehauses der Kramer. Es giebt den Eintretenden die Lehre:

„Weget recht und gelike (gleich),
So werdet ir saligk und rike.“

Gipfelpunkt der baulichen Schönheiten Hildesheims ist der Altstädter Markt. Ihn an einem hellen Mondscheinabend zu betrachten, ist für den Freund alter Kunst ein Genuß, den er nicht leicht anderswo findet. Das Rathhaus, vor dem sich ein hübscher Brunnen mit einem kleinen Rolandsbilde befindet, mag in einigen seiner Theile bis über das vierzehnte Jahrhundert hinaufreichen, ist aber sehr verbaut. Außerordentlich schön dagegen ist ein links von demselben sich erhebender, wohl aus der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts stammender und fast ganz in seiner Ursprünglichkeit erhaltener Steinbau, den man (beiläufig ohne Grund) als Tempelherrenhaus bezeichnet und der einst die Wohnung der Hildesheimer Patricierfamilie v. Harlessem war. Ebenfalls sehr interessant ist das an seiner Front bis zum First hinauf mit zierlichen Holzbildern der Renaissance geschmückte Giebelhaus des Kaufmanns Wedekind und das Rolandsstift mit feinem Stufengiebel. Als die Krone des herrlichen Platzes aber ist das 1520 erbaute und 1852 durch die Bemühungen des ebenso kunstsinnigen wie rastlos für die Erhaltung der Denkmäler seiner Vaterstadt thätigen Senators Römer vor dem Verfall gerettete und mit seinem Geschmack restaurirte Knochenhauer-Amthaus, welches wohl der schönste alte Holzbau in Deutschland, vielleicht in ganz Europa ist. Ein mächtiger Giebelbau von mehreren Stockwerken, voll Geschmack in seinen Massen und in seiner ganzen Anlage erhebt es sich, bedeckt mit Holzschnitzwerk und bunter Malerei, an der rechten Ecke der der dem Rathhaus gegenüber gelegenen Marktseite. Geraume Zeit kann man vor ihm gestanden und die sinnige Weise seiner Verzierung, die ernsten und launigen Darstellungen auf seinen Füllbretern, die Sculpturen an seinen Balkenlagen bewundert haben, und immer wieder kehrt das Auge zu ihm zurück. Es ist nächst den Kirchen Hildesheims, zu denen wir nunmehr uns wenden, unzweifelhaft das werthvollste Juwel unter den Schätzen, die hier gehäuft sind.

Als Bischofsstadt besaß Hildesheim früher eine ungemein große Anzahl von Kirchen und Capellen, jetzt sind viele der letzteren ganz verschwunden, einige der ersteren in Gebäude zu profanen Zwecken verwandelt. Die Georgskirche ist Packhaus, die Paulinerkirche Getreidespeicher geworden, die Martinikirche hat ein Verein Hildesheimer Patrioten, an deren Spitze der Senator Römer und dessen Bruder stehen, zum städtischen Museum eingerichtet, welches hier vortrefflich geeignete Räume für seine Sammlungen fand und in einigen Zweigen der letzteren schwerlich von

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_107.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)