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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Der überglückliche Beschenkte hatte leider, ohne Jemandem ein Wort davon zu sagen, in einem an das Ministerium gerichteten und diesmal wirklich abgesandten ersterbenden Danksagungsschreiben seinen zersprengenden Gefühlen von wegen des ihm laut hoher Verordnung d. d. allergnädigst gewährten außerordentlich gut passenden Frackes gründlich Luft gemacht!

Ein den Lippen unwillkürlich entflohenes: „Hat Der das für sich gemacht!“ bestätigte dem Beamten den Verdacht der Mitschuld und mit einem reuigen „pater peccavi!“ folgte dem Verlangen des Vorgesetzten gemäß – jedoch ohne Nennung des Copisten – eine ebenso offene wie specielle Darstellung des Sachverhaltes: daß man Reh, um ihn nicht zu verletzen, auf diesem (allerdings gewiß selten betretenen) Wege aus seiner Noth habe helfen wollen.

Das Wetter klärte sich, die beiden Mitinculpaten wurden gerufen und nachdem ihnen in wohlwollender Weise ihr in der Nachahmung des officiellen Weges und der Verordnung mit Unterschrift bestehender Fehler vorgehalten worden war, ihnen vom Dirigenten eröffnet, daß derselbe, da er ohnehin nächster Zeit den Minister habe aufsuchen wollen, dieses nun sofort thun und die Angelegenheit soweit möglich vermitteln wolle.

Es bleibt nur noch zu erwähnen, daß die mündliche Bewandtnißanzeige von gutem Erfolge gewesen sein muß, denn man hörte nichts wieder von der Sache. Ob Reh überhaupt den wahren Hergang erfahren hat, ist dem Verfasser, der kurz darauf versetzt wurde, unbekannt; er kann nur noch sagen, daß jener stets mit einer gewissen Ehrfurcht auf den ‚braunseiden Gefütterten‘ sah.

W.




Blätter und Blüthen.


Erzherzog Stephan und der Oberlieutenant. Der Erzherzog hielt sich still und zurückgezogen einige Zeit in einer Garnisonstadt Ungarns auf. Der vor Kurzem dort angekommene neue Commandant ward bald wegen seiner drakonischen Strenge sehr gefürchtet. Unter Anderm drang er auch unerbittlich auf die unter seinem Vorgänger etwas lax gehandhabte Verordnung, daß der Officier unter keiner Bedingung in Civilkleidung ausgehen dürfe, und in mehreren Fällen waren die Zuwiderhandelnden bereits mit geschärftem Arrest bestraft worden, dennoch ließ sich der Oberlieutenant von L. durch diese abschreckenden Beispiele nicht abhalten, dem Gebote eines Tages zuwider zu handeln. Die Frühlingssonne lockte so lieblich zu einem Ausflug auf ein nahes Dorf. Da vertauschte der junge Krieger, nachdem er von der Parade nach Hause gekommen war, die schwere unbequeme Militärkleidung mit dem leichten Oberrock und wanderte wohlgemuth dem Ziele seiner Wünsche zu, an dem er auch, ohne daß ihm ein Verräther begegnet wäre, glücklich ankam. Als er auf dem Rückweg begriffen, in die Nähe der Stadt gelangte, sah er zu seinem großen Schrecken den gestrengen Obersten aus der Ferne auf ihn zukommen. Was war da zu thun? Schon fühlte er im Geist, wie sich das Donnerwetter des oberstlichen Zornes über seinem Haupte entlud. Vergebens sah er sich nach einem Ausweg um. Es schien keiner zu finden, während der Gefürchtete immer drohender nahte. Doch halt – jetzt zeigte sich einer. Unmittelbar vor ihm wandelten zwei Spaziergänger in freundlichem Gespräch. Rasch drängte der Lieutenant sich zwischen sie, erzählte ihnen unter vielen Entschuldigungen den Grund seiner großen Verlegenheit und schloß die Bitte an, daß sie ihm gestatten möchten, in ihrer Mitte und im Gespräch mit ihnen den Weg fortzusetzen. Es wurde ihm freundlich gewährt.

Jetzt nahte der gefürchtete Oberst und der Herr Lieutenant wendete sich mit einem so angelegentlichen Gespräch an seinen Nachbar zur Rechten, daß er das tiefehrerbietige Compliment nicht gewahr wurde, mit welchem der Oberst die drei Wanderer begrüßte. Und so kam er denn, wie er wähnte, von den Argusaugen des Obersten unbemerkt in die Stadt und glaubte sich, da bis zum späten Abend keine Vorforderung vom Commando erfolgte, über alle Berge.

Doch er hatte sich getäuscht. Am andern Morgen wurde er bei guter Zeit durch eine Ordonnanz zum Obersten befohlen. Er folgte mit beklommenem Herzen.

Auf das Aergste gefaßt, war er nicht wenig erstaunt, als ihn der Oberst bei seinem Eintritt freundlich begrüßte und dann zwar ernst, aber nicht in leidenschaftlicher Hitze, wie er es vorausgesetzt hatte, ihm die Frage vorlegte:

„Wie haben Sie sich gestern unterstehen können, meinem ausdrücklichen Befehl entgegenzuhandeln?“

„Ach, entschuldigen Euere Gnaden,“ erwiderte darauf etwas ermuthigt der Uebelthäter, „entschuldigen Sie mich nur diesmal mit den vorliegenden Umständen. Es kamen gestern Nachmittag zwei Verwandte, die auf einer Reise begriffen sind, zu mir und forderten mich auf, sie auf einem Spaziergange zu begleiten. Da sie bald wieder von hier abreisen wollten, so war nicht lange Zeit zu verlieren, und so ging ich mit ihnen, wie ich gerade war. Wohl weiß ich, daß ich gefehlt habe, bitte aber nochmals um Ihre gnädige Entschuldigung.“

„S – o,“ entgegnete der Oberst, „das waren also ein paar Verwandte von Ihnen?“

„Ja wohl, Herr Oberst, sehr nahe Verwandte von meiner seligen Mutter her.“

„Das freut mich ungemein, daß Sie so angesehene Verwandtschaften haben, und um dieser Verwandten willen will ich diesmal Gnade für Recht ergehen lassen; aber hüten Sie sich vor einer ähnlichen Ausschreitung, sonst dürften Ihnen Ihre Verwandtschaften nicht wieder helfen; Ihre Strafe würde dann eine um so strengere sein.“

Der Lieutenant beurlaubte sich mit der Frage: „Haben der Herr Oberst noch etwas zu befehlen?“

„Allerdings,“ sagte derselbe in freundlichem Ton, „Sie sind heute mit mir zu Seiner kaiserlichen Hoheit dem Erzherzog Stephan zur Tafel befohlen. Stellen Sie sich pünktlich um drei Uhr ein.“

Unser Lieutenant war wie aus den Wolken gefallen; aber noch größer war seine Ueberraschung, als er bei dem Erzherzog eintrat und in ihm und seinem Adjutanten seine beiden gestrigen Spaziergangsgenossen, seine angeblichen nahen Verwandten, erkannte.

In großer Verlegenheit nahte er sich dem fürstlichen Gastgeber; dieser indessen ermuthigte ihn durch eine huldvolle Ansprache, schloß dann aber mit den Worten: „Na, es hat halter das Mal noch so gut gethan; hüten Sie sich aber vor einer Wiedervorfallenheit der Art, sonst werden’s ohne Gnade und Barmherzigkeit eingespiert.“




Berichtigung. In einem Theile der Auflage von Nr. 17 sind durch Irrthum unsers Berliner Berichterstatters vom Reichstage die Herren Stauß und Streit aus Sachsen der socialdemokratischen Partei zugezählt worden, während dieselben der nationalliberalen angehören und auf dem Reichstage überhaupt nicht mitgewirkt haben.




Freiligrath-Dotation.

Der unheimliche Druck der Befürchtung einer neuen Vernichtung des Völkerfriedens, einer Erschütterung des Volkswohlstandes und des Familienglücks von Millionen, der seit Monaten auf uns lastete, ist endlich gewichen, die Herzen sind wieder leichter, Regungen für wahrhaft Edles und Menschenwürdiges wieder zugänglich geworden. Darum wiederholen wir jetzt unsere Bitte an die deutschen Familien, an alle Bildungs-, Poesie- und Sangesfrohen deutschen Stammes und Gemüths, ihre Theilnahme dem Volksdank für Ferdinand Freiligrath, den treuen Volksmann und Dichter, nur um so wärmer zuzuwenden. Eine deutsche Stimme aus England ruft uns zu: „Alle, die sich an Freiligrath’s phantasievollen und gesinnungsstarken Dichtungen erfreut haben, Alle, welche die Gluth seiner farbenreichen Schilderungen, die Kraft seiner aus tiefem Born quellenden Gefühle, den tragischen Schwung seines Freiheitsgesanges zu bewundern fähig sind, werden freudig die Ueberzeugung aussprechen, daß ein Volksdank dem Dichter gebührt.“ Wir brauchen unseren Lesern nicht erst die Versicherung zu geben, daß Freiligrath trotz Verbannung und Lebenssorgen den Bestrebungen des deutschen Volks und des Fortschritts keinen Augenblick untreu geworden, daß er es endlich verdient hat, daß am nahenden Lebensabend mit dieser Anerkennung auch das Glück der Sorgenruhe ihn erfreue.

Bei der Redaction unsers Blattes gingen wieder ein: N. N. in Borna 1 Thlr., H. K. R. u. B. in Hamm 5 Thlr., Kleine Abendgesellschaft in Höchst a. M. 10 fl., dem wackern Streiter für die Rechte des Volkes, ein Arbeiter in Dresden 1 Thlr., Z. in Luckau 1 Thlr., N. N. in Meerane 10 Thlr., Friedr. Seiferdt in Plauen 1 Thlr., C. Zs. in Braunschweig 2 Thlr., E. B. M. in Leipzig 2 Thlr., B. S. in Leipzig 1 Thlr., dem überzeugungstreuen Sänger und Verbannten ein deutsches Mädchen 1 Thlr. – Ein Verehrer Freiligrath’s in Neustadt a. W. N. 20 fl. rhn.




Inhalt: Die Herrin von Dernot. Novelle von Edmund Hoefer. (Fortsetzung und Schluß.) – Der erste Schritt. Von Fr. Hofmann. Mit Illustrationen nach C. E. Böttcher. – „Gegenüber dem Jülichs-Platz“.– Beim kleinen Thiers. – Auch eine Industrie-Ausstellung. Mit Abbildung. – Lust und Leid aus dem Amts- und Geschäftsleben. Nr. 1. Ein officieller Frack. – Blätter und Blüthen: Erzherzog Stephan und der Oberlieutenant. – Berichtigung. – Freiligrath-Dotation.




Die Deutschen Blätter, Literarisch-politische Feuilleton-Beilage zur Gartenlaube, Nr. 18 enthalten: Auch ein deutscher Erfinder. – Umschau: Der weibliche Beruf und die heutige Mode. – Das furchtbarste Mordgewehr. – Ein politischer Proceß. – Heilige der allerjüngsten Tage. – Ein Andenken an den ersten norddeutschen Reichstag. – Lamartine und die Caricatur. – Pietistische Moral und Logik.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_304.jpg&oldid=- (Version vom 13.3.2017)