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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

und Signalscheiben; zuweilen ein Glockenton, den verborgene, unseren Sinnen nicht erreichbare Strömungen erzeugen – das Alles umgiebt für den Laien die Arbeit im Apparatsaale mit einem Schleier des Uebernatürlichen, der erst bei genauerer Besichtigung verschwindet, um dem ewig bleibenden Interesse Platz zu machen, welches jeder Denkende für die Triumphe menschlichen Verstandes und Scharfsinnes hegen muß. –

Die Anstalt steht unter der Direction des um die Telegraphie hochverdienten Oberstlieutenants von Chauvin, der sich mit wahrem Feuereifer seinem großem Berufe hingiebt und für die Ausbreitung der gewaltigen Verbindung der Länder unseres Erdballs durch den Telegraphendraht unermüdlich mitwirkt. Der Director hat vielfache Verbesserungen für die Leitung der Telegraphen, namentlich in Bezug auf Isolirungsvorrichtungen, ersonnen und construirt. Die Central-Telegraphenstation mit ihrer Einwirkung auf den Weltverkehr ist das Ideal des trefflichen Mannes, die Verwirklichung des großen Gedankens, eine allgemeine Verbindung durch die Telegraphie auszuführen, der Hauptzweck seines Lebens geworden.

Der Director wird durch treffliche Beamte in der Führung und Verwaltung der Centralstation unterstützt. Unter ihnen gebührt dem Oberinspector Rother einer der ersten Plätze. Er ist nicht nur außerordentlich thätig im geschäftlichen Verkehre, sondern hat sich auch als Lehrer an der Telegraphenschule vielfache Anerkennung erworben. Die Technik der Telegraphie verdankt ihm ein treffliches Handbuch über Bau und Anlage der Telegraphen.

Die Berliner Central-Telegraphenstation ist ein Stück Welt für sich, eine fast zauberische Welt, deren Eindrücke auch dann nicht weichen, wenn wir aus dem Hauptthore des großen Gebäudes schreitend in den Lärm der Straßen gelangen und zurückblicken auf jene Stätte, wo

„Himmelskräfte auf und nieder steigen
Und sich die goldnen Eimer reichen.“




Ein russischer Oelprinz.


Ihre Gartenlaube brachte vor einiger Zeit einen sehr interessanten Aufsatz unter dem Titel: „Die nordamerikanischen Oelprinzen“.

Im Jahre 1862, als die Speculation mit amerikanischem Photogen und amerikanischen Photogenlampen eine fabelhafte Höhe erreicht hatte und der Ruf der ungeheuren Petroleum-Aufschlüsse in Nordamerika die ganze industrielle Welt in Alarm setzte, erinnerte sich in Petersburg ein Gardeoberst, Ardalion v. Nowosilzoff, daß er bei den Feldzügen im Kaukasus, welche er vor mehr als zwanzig Jahren als junger Officier mitgemacht hatte, häufig daselbst Oelbrunnen bemerkt habe. Er theilte diesen Umstand einem amerikanischen Kaufmann mit, der schon seit mehreren Jahren in Petersburg eine Photogenlampenfabrik besitzt und in dem Petroleumfache Erfahrung hatte. Derselbe faßte die Nachricht begierig auf und beredete den Obersten, mit ihm in Compagnie an die Ausbeutung der kaukasischen Petroleumquellen zu gehen.

Noch ein dritter Herr trat dem Unternehmen bei, und unverzüglich machten sich die Drei nun an das Werk. Herr v. Nowosilzoff und der amerikanische Lampenfabrikant reisten sofort nach dem Kaukasus und dem Ersteren gelang es auch wirklich, unter sehr günstigen Zahlungsverhältnissen von der Verwaltung des kubanschen Heeres auf sechs Jahre das ausschließliche Privilegium zu erhalten, Petroleum aufzusuchen und auszubeuten, mit Ausschluß der Taman’schen Halbinsel, wo bereits ein ähnliches Privilegium an einen Privatmann, in Kertsch wohnhaft, gegeben worden war. Da aber dem Oberst v. Nowosilzoff vor Allem daran gelegen war, ein möglichst großes Terrain für sein Unternehmen zu besitzen und keine nachbarliche Concurrenz zu haben, so trat er alsbald mit diesem benachbarten Privilegiumsbesitzer, welcher bereits seit länger als einem Jahre im Kleinen, ungefähr fünfzig bis hundert Eimer täglich, auf seinem Terrain Oel gewann, in Unterhandlung wegen Abtretung des Privilegiums. Er kam auch zum Ziele. Für eine Abstandssumme von dreitausend Rubel überließ ihm der erwähnte Privatmann sein Privilegium mit der Bedingung, daß sein Schwiegersohn, ein intelligenter junger Mann, welcher das Oelgewinnungsgeschäft seines Schwiegervaters geleitet hatte, mit einem ziemlich bedeutenden Jahresgehalt in die Dienste des Obersten trete und auch ferner die Leitung der Arbeiten des Geschäfts überhaupt erhalte. Diese Clausel konnte dem Obersten nur Nutzen bringen, denn sein auf diese Weise erworbener Geschäftsführer, Peters (ein deutscher Mechaniker), brachte eine große Localkenntniß und einige Geschäftserfahrung mit.

Man engagirte jetzt in Amerika zwölf geübte Bohrarbeiter nebst einem Ingenieur, beschaffte die nöthigen Bohrapparate und Röhren und schritt unverzüglich, gleichzeitig auf mehreren Punkten, an das Stoßen von Bohrlöchern. Obgleich diese Arbeiten ungeheure Summen verschlangen, namentlich wegen der sehr hohen Gehalte und Löhne der Amerikaner (der Ingenieur erhielt sechstausend S.-Rubel und die Arbeiter pro Mann über tausend Rubel jährlich), so blieben doch die Aufsuchungsarbeiten der Amerikaner ohne allen Erfolg, weil man nicht die rechten Leute gewählt hatte. So verlor man trotz der günstigsten Terrainverhältnisse zwei kostbare Jahre des sechsjährigen Privilegiums und verbohrte ungefähr zweimalhunderttausend Thaler nutzlos.

Die Amerikaner wurden darauf entlassen und zweien Mitgliedern der Compagnie, darunter auch dem lampenfabricirenden, sank der Muth. Es wären wohl auch manche Andere durch solche schlechte Erfolge und so große Geldverluste entmuthigt worden, nicht aber so das dritte Mitglied, der Oberst von Nowosilzoff. Dieser Mann, ein äußerst energischer und intelligenter Charakter, machte den letzten Rest seines Vermögens, einige Güter, zu Geld, fest entschlossen, das Unternehmen bis auf den letzten Rubel zu forciren und entweder Bettler oder Millionär zu werden, und solchen Personen ist ja bekanntlich das Glück hold.

Er reiste also mit dem Rest seines Vermögens nach Paris und contrahirte dort mit dem vielbekannten Bohr-Ingenieur Kind bezüglich Ausführung seiner Bohrarbeiten und Lieferung der nöthigen Bohrapparate (da dieser Herr nur Arbeiten mit seinen eigenen Apparaten unternimmt). Bereits im Jahre 1865 langte ein Hilfsingenieur des Herrn Kind auf Ort und Stelle an und die Bohrapparate folgten bald nach. Der Beginn der Arbeiten nach der Kind’schen Methode wurde jedoch bis zur Ankunft des Obersten verschoben, welcher sich um diese Zeit in Petersburg aufhielt, um seine letzten pecuniären Truppen, zu sammeln und in’s Feld zu führen. Derselbe hatte nämlich nach Entlassung des amerikanischen Ingenieurs die Oberleitung der Arbeiten selbst übernommen. Unterdessen betrieb der früher erwähnte Geschäftsführer Peters, welcher sich immer noch im Dienste der Compagnie befand, Versuchsarbeiten im kleinen Maßstabe mit den zurückgebliebenen amerikanischen Bohrapparaten, erzielte auch einige kleine Erfolge, aber die Hauptsache, einen freispringenden Oelstrahl, konnte man nicht erhalten.

So war auch ziemlich das dritte Jahr der Privilegiumszeit verflossen. Da erklärten die zwei anderen Mitglieder der Compagnie dem Obersten ihren Austritt, ohne wegen ihrer in diesem Unternehmen verausgabten Capitalien Entschädigungs-Ansprüche geltend zu machen. Nowosilzoff rüstete sich zur Abreise nach dem Kaukasus. Um diese Zeit, und zwar zu Anfang Januar 1866, bot ich dem Obersten meine Dienste als Geologe an, indem es schon längst mein sehnlichster Wunsch gewesen, den Kaukasus, der für Bergleute und Geologen noch ganz jungfräuliches Terrain und deshalb eben sehr interessant ist, wissenschaftlich zu bereisen. Herr v. Nowosilzoff nahm meine Dienste hinsichtlich einer genauen Besichtigung und Begutachtung seines Oelterrains bereitwillig an; über mein Honorar waren wir, da ich sehr bescheidene Ansprüche machte und der Oberst eine noble Persönlichkeit ist, bald einig, und so reiste ich bereits zwei Tage später, und zwar am 14. Januar 1866, mit Herrn von Nowosilzoff nach dem Oelterritorium ab.

Ueber die ziemlich weite und wegen schlechter Wege, sowie vieler Bekanntschaften des Obersten auch lange Reise erwähne ich nur so viel, daß sie mir durch die ausgezeichnete Liebenswürdigkeit und gediegene wissenschaftliche und gesellschaftliche Bildung meines Chefs und Reisebegleiters zu der angenehmsten meines Lebens wurde. Einen ganzen Monat nach unserer Abreise von Petersburg, also Mitte Februar, trafen wir in Ekaterinodar ein. Dort erwartete den Obersten eine äußerst freudige Nachricht, welche ihm bereits telegraphisch nach Petersburg mitgetheilt war, jedoch ihn wegen unserer bereits erfolgten Abreise verfehlt hatte.

Einige seiner genauern Freunde stürzten alsbald nach unserer Ankunft in unser Zimmer und theilten dem Obersten, seine bereits sehr kritisch gewordene finanzielle Lage kennend, mit Freudenthränen in den treuen Augen mit, daß durch Peters am 4. Februar ein zwanzig Fuß hoch springender Naphthastrahl erbohrt worden sei, der täglich eintausendfünfhundert bis zweitausend Eimer Oel liefere, so daß man nicht genug Gefäße liefern könne.

So waren denn die kühnsten Hoffnungen des Obersten v. Nowosilzoff theilweise erfüllt. Es war ein unterirdisches Petroleumbassin erbohrt worden, welches jedenfalls eine gewaltige Ausdehnung haben mußte, wenn die angesammelten Gase desselben im Stande waren, einen Oelstrahl mit solcher Kraft aus einer Tiefe von beinahe zweihundert Fuß empor zu schleudern. Der Oberst nahm die Nachricht seines Glückes mit großer Seelenruhe entgegen und traf sofort Dispositionen, Gefäße herbei zu schaffen. In höchster Erwartung reisten wir nach dem Orte des Naphthastromes ab. Derselbe befindet sich in einer Entfernung von etwa einhundertundvierzig Werst von Ekaterinodar, gegen sechszig Werst von Temrük und einhundertundvierzig Werst von Anapa. Der nächste Küstenpunkt ist also Anapa. Ferner liegt diese Petroleumquelle zwischen den Kosaken-Stanitzen Nowo-Rossisky und Warinikowsky am Flusse Chudakow, in den nordwestlichen Ausläufern des Kaukasusgebirges auf Grund und Boden des Kuban’schen Heeres. Ausgetretene Flüsse verhinderten uns direct nach der Naphthaquelle reisen zu können; wir mußten vier Tage in Temrük liegen bleiben. Am fünften Tage brachen wir auf; die Ungeduld ließ den Obersten alle Gefahren außer Acht setzen.

Endlich waren die Flußarme passirt, über den eigentlichen Strom brachte uns die Fähre, am jenseitigen Ufer standen Reitpferde und Wagen bereit, welche uns rasch nach der nur zwei Werst entfernten Kosakenstanitza Warinikovsky trugen, unserm Reiseziele für diesen Tag. Den andern Tag, gegen zehn Uhr Morgens, langten wir auf dem Petroleum-Etablissement an, eilten zum Petroleumstrom und fanden dort allerdings für den Augenblick unsere Erwartungen etwas getäuscht; es war in dem unteren Theile der Bohrröhre durch die Gewalt der aufwärts getriebenen Gase eine theilweise Verstopfung eingetreten und deshalb floß das Oel nur stoßweise und nicht die ganze Röhre ausfüllend. Immerhin aber waren zehn Menschen beschäftigt, das der Bohrröhre entströmendes Oel in leere Fässer und Bottiche zu füllen, und obgleich sich der Oelstrom erst seit einigen Tagen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_063.jpg&oldid=- (Version vom 26.2.2017)