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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Oken, Rüppell und die Araber hatten mich neugierig gemacht auf dieses Raubthier. Ersterer stellt die älteren Angaben zusammen, Rüppell giebt die Berichte der Araber wieder, die Araber selbst wissen noch mehr zu erzählen. Alle Berichte, auch die neusten, stimmen überein. Sie geben Geschichten zu hören, welche man nicht glauben will, erzählen von Thaten, die man der Jagdhyäne nicht zutrauen mag, und – treten der Wahrheit doch nicht zu nah. Um dies behaupten zu können, muß man den Helden aller Geschichten freilich kennen gelernt und eine gewisse Zeit mit ihm verkehrt, muß man die sonderbare Mischung von harmloser Gutmüthigkeit und listiger Verstocktheit, von ungestümer Raubsucht und berechnender Selbstbeherrschung, von feurigem Muthe und vorsichtiger Zurückhaltung, von Hunde- und Hyäneneigenschaften etc. selbst beobachtet haben.

Die Jagdhyäne (Lycaon pictus), deren Bildniß Leutemann uns mit gewohnter Meisterschaft vor das Auge führt, ist eine sehr wohlgestaltete und wirklich eine „gemalte“ Hyäne. Ihr Gebiß zeigt, wie gesagt, alle Merkmale des Hundegebisses, der Kopf aber ist äußerlich dem einer Hyäne durchaus ähnlich, der ganze Eindruck annähernd derselbe, nur daß sich der Adel des Thieres in unverkennbarer Weise ausspricht. Alle Füße tragen vier Zehen; der Daumen der vorderen ist nur im Geripp angedeutet. Die Behaarung liegt glatt an. Ueber die Färbung läßt sich nichts Bestimmtes sagen. Schnauze und Gesicht sind schwarz, Stirn, Scheitel, Nacken und Oberhals ockerbraun; auf dem übrigen Fell kommen drei Farben, Grauweiß, Schwarz und Braungelb, zur Geltung, und zwar in Gestalt großer Flecken, aber in so verschiedener Weise, daß man bis jetzt noch nicht zwei gleichgefärbte und übereinstimmend gezeichnete Jagdhyänen gefunden hat.

Ein echtes Kind der Steppe ist diese Hyäne, bunt, lebendig, wechselreich wie jene. So weit sich die Steppe dehnt, so weit reicht ihre Heimath; im Gebirge scheint sie ebenso wenig vorzukommen wie in der Wüste. Die Steppe breitet sich, wie bekannt über das ganze Innere Afrikas aus; dem entsprechend hat man unsere Jagdhyäne vom 17. Grade nördlicher Breite an bis zum Vorgebirge der guten Hoffnung gefunden oder doch in allen Steppenländern von ihr reden hören.

Ihr Leumund ist nicht überall derselbe, obschon sie sich gewißlich gleich bleibt im Süden wie im Norden, im Osten wie im Westen. Ein Capuziner, welcher vor mehr als hundert Jahren am Kongo predigte und taufte, thut ihrer zuerst Erwähnung und ist ihres Lobes voll. Er nennt sie Mebbie, unzweifelhaft ein Klangbild ihres Geschreies, Gekläffes und Gewinsels – denn die Stimmlaute der Jagdhyäne sind das eine wie das andere – als Namen anwendend. Der Biedermann sagt, daß diese nützlichen Thiere dem Menschen überaus zugethan seien, ihm nicht den geringsten Schaden zufügen, deshalb auch in allen Dörfern und Höfen geduldet werden, aber alle wilden Thiere angreifen und vertreiben sollen. „Ihr Widerwille gegen letztere ist so groß, daß sie selbst die grausamsten Löwen und Panther z. B. anfallen und trotz deren Stärke durch ihre Menge überwältigen und niederreißen.“ Ihre Menschenfreundlichkeit geht nach Versicherung unseres Seelenjägers so weit, daß sie eine Gegend erst dann verlassen, wenn sie dieselbe von wilden Thieren gesäubert haben, so wie sie ferner so liebenswürdig sind, die Ueberreste ihrer Beute den Leuten in die Dörfer zu schleppen, damit diese doch auch etwas haben.

Im Verlaufe der Zeit scheinen die Mebbien Vieles von ihrer ursprünglichen Reinheit verloren zu haben; sie treten mindestens fortan in alten Berichten nur noch als entschiedene Räuber auf, welche blos für sich, nicht aber auch für die Menschen arbeiten. Schon der Reisende Kolbe weiß von ihren Unthaten zu erzählen; die späteren Forscher, welche das Thier in Afrika beobachteten, stimmen ihm sämmtlich mehr oder weniger bei, und die Beobachtung gefangener Jagdhyänen bestätigt lediglich deren Angaben.

In Meuten von zehn bis sechszig Stück durchjagen diese scharfsinnigen, lebendigen und muthigen Thiere die Steppe. Wenn sich der Abend herabsenkt auf ihr weites Gebiet, bricht ihre Zeit an. Aber sie sind keineswegs eigentliche Nachtthiere, wie ihre Verwandten, die feigen Hyänen, vielmehr sehr oft auch bei Tage thätig. Es ist wahrscheinlich, daß sie sich über Tags in Höhlen bergen; wenigstens weiß man, daß hier ihre Jungen geboren und groß gezogen werden. Vor dem Menschen fürchten sie sich weniger als der Löwe oder Pardel, weniger als irgend ein anderes Thier; greifen ihn jedoch schwerlich an, obgleich dies die Araber Nordafrikas behaupten. Ihre Nase steht der unserer besten Spürhunde gleich; ihr Eifer, ihre Ausdauer sind bewunderungswürdig. Jedes Mittel gilt. Sie lauern an den Steppenbrunnen und Wasserlachen auf das durstige Wild, welches sich naht, folgen spürend dessen Fährte, treiben es auf und jagen nunmehr hinter ihm drein, bis sie es erreichen. Ihnen erliegt die schnellste, die stärkste Antilope; das Rind, welches sie nicht bewältigen können, verstümmeln sie wenigstens. „Am Morgen,“ so erzählt der verläßliche Burchell, „kam Philipp mit den Ochsen zurück; weil diese aber nicht, wie üblich, eingehürdet worden waren, hatten Jagdhyänen drei von ihnen die Schwänze abgefressen, einem nur die Quaste, den beiden anderen den ganzen Schwanz.… Schafe und Rinder sind den Angriffen dieser Thiere besonders ausgesetzt: die ersteren greifen sie offen an, die letzteren durch listiges Beschleichen.… Wie schwer der Verlust des Schwanzes für die Ochsen ist, begreift man erst, wenn man bedenkt, daß sie die Fliegen ohne Hülfe des Wedels gar nicht mehr abwehren können.“ Wenn die Jagdhyänen eine Schafherde überfallen, begnügen sie sich übrigens nicht mit den acht oder bis zwölf Pfund schweren Fettschwänzen, sondern reißen so viele Stücken nieder, als sie eben können, fressen die Eingeweide der erwürgten und lassen das Uebrige liegen.

Es muß ein prachtvolles und großartiges Schauspiel sein, diese bunten, schönen, behenden und lauten Thiere jagen zu sehen. Eine der großen, wehrhaften Säbelantilopen ist von ihnen aufgestört worden. Sie kennt ihre Verfolger und eilt mit Aufbietung aller Kräfte der federnden Läufe durch den Graswald der Steppe dahin. Ihr nach stürmt die Meute, kläffend, heulend, winselnd und in unbeschreiblicher Weise lautgebend, ich möchte sagen, aufjauchzend; denn die Laute klingen wie helle Glockenschläge. Weiter geht die Jagd; die Antilope vergißt über der größten Gefahr jede andere. Unbekümmert um den Menschen, welchen sie sonst ängstlich meidet, stürmt sie dahin; dicht hinter ihr, in geschlossenem Trupp folgen die Jagdhyänen, welche den Erzfeind aller Thiere noch viel weniger beachten als ihr geängstigtes Wild. Ihr Lauf ist ein niemals ermüdender, langgestreckter Galopp, ihre Ordnung eine wohlberechnete. Sind die vordersten ermattet, so nehmen die hinteren, welche durch Abschneiden der Bogen ihre Kräfte mehr geschont haben, die Spitze, und so lösen sie sich ab, so lange die Jagd währt. Endlich ermattet das Wild; die Jagd kommt zum Stehen. Ihrer Stärke sich bewußt, bietet die Antilope den mordgierigen Feinden die Stirn. In weiten Bogen fegen die schlanken, spitzigen Hörner über den Boden. Ein und der andere Verfolger wird vielleicht tödtlich getroffen; dieser und jener empfängt einen Schlag mit den scharfen Schalen, welcher ihn taumelnd dahinsinken läßt; aber nach wenigen Secunden bereits hat eines der älteren erfahreneren Raubthiere das Wild an der Kehle gepackt und im nächsten Augenblick hängen ihm so viele am Nacken, als Platz finden können. Alle heulen laut auf vor Jagdlust und Blutgier; eines sucht das andere zu vertreiben; man vernimmt die verschiedenartigsten Laute durch einander. In der Regel liegt das Wild schon nach Verlauf einer Minute röchelnd, verendend am Boden; zuweilen aber gelingt es ihm doch, sich noch einmal zu befreien. Dann beginnt eine neue Hatze und die Jagdhyänen stürmen mit bluttriefenden Schnauzen hinter dem blutenden Wilde drein. Cumming sah vier von ihnen in diesem Zustande ein bereits von Bissen zerfetztes Gnu verfolgen, erreichen und niederreißen; sah sie ein anderes Mal eine Heerde Pallahantilopen jagen und in wenig Secunden zwei von ihnen zerreißen. Ihre Mordgier scheint durch den Tod jedes neuen Opfers gesteigert zu werden; denn so lange sie lebende Thiere um sich sehen, lassen sie sich gar nicht Zeit zum Fressen, sondern würgen nur, verstümmeln mindestens.

Endlich sind sie des Mordens satt, stürzen sich über die gefällten Opfer her, reißen ihnen den Leib auf und wühlen fressend, heulend, kläffend in den Eingeweiden umher. Jetzt sind sie gänzlich Hyänen, freßwüthig, gierig, unreinlich, blutdürstig im eigentlichen Sinne des Wortes. Von dem Muskelfleische fressen sie wenig: Burchell fand eine frisch getödtete Elenantilope, welcher sie nur die Höhlen ausgefressen hatten, und nahm den Rest des Wildes für seine eigene Küche in Anspruch.

Wird eine Meute von Jagdhyänen gestört, so traben sie gemächlich davon, immer einen gewissen Abstand einhaltend, machen wiederholt Halt und sehen sich dabei scheinbar ohne alle Besorgniß um, gleichsam als ob sie den Menschen herausfordern wollten,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_022.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)