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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

begleitet und den Kellner jetzt verabschiedete, „Unsinn! Der Kurfürst wollte natürlich nicht hinausgehen, sonst würde ihn Niemand daran gehindert haben. Jene strenge Durchsuchung aller Passanten war aber nothwendig, weil man wohl nicht mit Unrecht fürchtete, daß der österreichische Gesandte dem Kurfürsten noch immer Depeschen zugehen lasse. Daher zerbröckelte man auch die Zwiebacke des alten Herrn, was diesem besonders nahe ging. ‚Altes Brod essen!‘ soll er gebrummt haben, und als der Hofgärtner ihm sein Bedenken wegen der Wachtfeuer meldete, die leicht den Park in Brand setzen könnten, erwiderte er in klagendem Tone: ‚Schlimme Zeit, schlimme Zeit jetzt! Machen mir noch Feuer unterm Fenster an.‘“

Sonnabend am 23. Juni Abends acht Uhr erfolgte die Wegführung des Kurfürsten. An der Eisenbahnstation Grebenstein hatte sich eine Menge Casselaner und Bewohner der Umgegend eingefunden, die ihrem bisherigen Landesherrn in stummer Wehmuth das Abschiedsgeleite gaben. Bei ihrem Anblick mag sich des Kurfürsten eine Zerknirschung bemächtigt haben; er sprach zu seinem Adjutanten: „Braves Volk doch, treue Hessen!“

„In der That, ein seltenes Volk!“ bemerkte ich; „ein Volk, das dem Sturz seines sehr eigenwilligen Herrschers treues Mitleid zollt und von ihm nur mit Schonung und Pietät spricht. Ein treues und durch und durch wackeres Volk, das uns Preußen an Intelligenz gleichsteht, an Opfermuth und Ausdauer uns vielleicht überragt!“




Blätter und Blüthen.


Der Heimkehr der Krieger haben wir in dieser Nummer der Gartenlaube zwei Illustrationen gewidmet, die jeder Kunst- und Vaterlandsfreund als einen Schmuck von dauerndem Werthe anerkennen wird. Die eine bringt den Triumph einer weltgeschichtlichen That zur Anschauung, die andere verherrlicht einen unvergeßlichen Augenblick aus dem vom großen Sturm des Jahres hochbewegten Leben des Volks.

Der Einzug der Truppen in die Residenz ist ein Geschichtsbild, welches das Interesse in hohem Grade in Anspruch nimmt. Es ist gleich vorzüglich durch die Composition, die trefflich und klar die Hauptpersonen des welthistorischen Ereignisses in ihren verschiedenen Beziehungen zur Siegesfeier gruppirt, wie durch die außerordentliche Treue der Portraits. Einer Schilderung des Einzugs und des hier aufgefaßten Moments bedürfen unsere Leser, denen die Tagespresse sie längst geboten, ebensowenig, als sie eine solche von uns erwarten, da sie ja wissen, wie spät wir, bei der mehrwöchentlichen Herstellungszeit jeder Nummer unseres Blattes, damit in die Oeffentlichkeit kommen würden.

Unsere zweite Illustration, der Einzug der Landwehr in die Heimath, spricht vom höchsten Hausgiebel bis zum untersten Straßenstein so wahrheits-, gemüths- und lebensvoll für sich, daß nur der immer neue Reiz des Anblicks dieser volkdurchwogten Jubelstadt uns dazu verlockt, einige Worte darüber zu äußern. Zunächst möchtet Ihr, freundliche Leser, wohl gern wissen, wo Ihr die alterthümliche Stadt dieser Volksfeier zu suchen habt? Sollte der kühne Holzbau der Häuser, die Tracht der Frauen des Volks und der Bergknappe nicht genügend andeuten, daß sie in Nordthüringen und der Harz in ihrer Nähe sein muß? So suchet, Ihr werdet sie finden. Für unsern Einzugsjubel selbst aber bedürfen wir nur einer Ueberschrift, und die ist: „Sie haben sich wieder!“ Seht nur, wie die junge Gattin sich an den wiedergefundenen Gatten anschmiegt, wie die Braut am Hals des Geliebten hängt, mit welchem Jubelstolz der Knabe des Vaters Tornister und Mantel trägt, und wie Alles, Alles grüßt, Blick und Wort, Hand und Mund, das wehende Tuch und der fliegende Blumenstrauß! – Wie, vom blutigen Schlachtfeld heim – und nur Freude? – Ist Niemand zu beklagen, wo Tausende Willkommen rufen? Ja, der Künstler hat auch der Trauer ihr Recht gewahrt, – aber der Schmerz verbirgt sich vor der lauttobenden Lust, und um so tiefer greift in die Seele der Anblick des im Winkel weinenden Weibes mit der schlummernden Waise an der gramvollen Brust! Mögen die Walter des Siegs nicht vergessen, was sie so großem Schmerz in tausend Volksherzen schuldig geworden sind!




Verspätete Rache. Jean Paul sagt irgendwo in seinen Werken „Wenn die Frauenzimmer Officiere werden könnten und den Soldaten ‚Halt!‘ commandiren sollten, so würden sie dies in folgender Weise thun: ‚Ihr Soldaten alle, jetzt paßt auf, ich befehle Euch, daß Ihr, sobald ich gesprochen habe, still steht, jeder auf dem Fleck, wo er eben steht; versteht Ihr mich? Halt! sage ich Euch Allen.‘“ Diese Stelle kam einer amerikanischen Dame zu Ohren und sie erboste sich dermaßen darüber, daß sie im Wahne, Jean Paul sei noch am Leben, sich flugs hinsetzte und einen kleinen Artikel für eine der gelesensten amerikanischen Zeitungen schrieb, in welchem sie sich folgendermaßen ausläßt:

„Mr. Jean, ich kann Ihnen nur sagen, es war ein unglücklicher Tag, als Sie diesen Satz niederschrieben. Mögen Sie dafür einsam, ohne ein liebendes Weib an der Hand zu halten, durch’s Leben stolpern; mögen Ihre Knöpfe stets locker, Ihre Bänder verknüpft und Ihre Strümpfe zerrissen sein! Möge Ihr Stiefelknecht niemals zu finden und Ihre Füße stets voller Hühneraugen, Ihr Rasirwasser immer kalt und Ihr Messer stumpf sein! Möge Ihr Haar allezeit wirr emporstehen und Ihre Halskragen sich lappig niederlegen; möge Ihr Kinnbart gleich den Stacheln eines Stachelschweins, Ihr Backenbart dünn gesäet und Ihr Schnurrbart auf die verkehrte Seite gedreht sein! Möge Ihr Kaffee salzig, Ihre Suppe angebrannt und Ihr Thee wässerig sein; mögen Sie vom Paradiese träumen und in der Hölle erwachen! Und mögen Sie mit einer nimmer ruhenden Sehnsucht nach Liebe im Herzen als ein elender, schmutziger, zerlumpter, ruheloser, lächerlicher, trübseliger und armseliger alter Junggeselle durch das Dasein kriechen. Amen!“

Wie würde sich Jean Paul amüsirt haben, wenn er diese Verwünschungen vernommen hätte, welche die erzürnte Dame auf sein Haupt herabbeschwört und gegen die des „Sängers Fluch“ noch gar nichts ist! Schade, daß wir den Namen und die Adresse der Rächerin nicht kennen, um ihr mitzutheilen, was für ein schönes, friedliches Dasein Jean Paul an der Seite einer geistvollen, liebenden Gattin führte und wie er noch im späteren Lebensalter von der Damenwelt in Deutschland vergöttert wurde!




Kleiner Briefkasten.

A. Kunzé in Paris, Rue des Ecoles Nr. 80. Unsere Sammlung für die Verwundeten und Invaliden wird unter Preußen, Sachsen und Oesterreicher vertheilt.

B. G. in Wallendorf, W. H. in Weimar, E. W. in Wurzen. Der Brief an eine Gläubige hat, wie auch die Unterschrift E. K. andeutet den Herausgeber der Gartenlaube zum Verfasser.




Für die Verwundeten und Hinterlassenen der Gefallenen

gingen wieder ein: Der Männergesangverein in Bückeburg 4 Thlr. – H–l in Leipzig 10 Thlr. – J. M. in Winsen a. d. L. 5 Thlr. – Von der Gesellschaft „Gemeinde“ in Saalfeld durch A. Hercher 8 Thlr. 8 Ngr. 5 Pf. – Von W. Groos und W. Behrens in Pforzheim für „Preußens Kämpfer für die deutsche Einheit“ 4 Thlr. u. bez. 5 Thlr. – E. H. in Wiesbaden 5 Thlr. – Kiesewetter in Saratow 25 Rubel – Von Peter Diemer in Cleveland 5 Dollars Papier = 3 Thlr. 23 Ngr. – Von einem Mädchen aus Leipzig, dem Gott den Geliebten gesund und wohlbehalten zurückgeführt hat, 1 Thlr. – Der deutsche Verein in Woolwich (England) 17 Thlr. – Von einigen jungen Mädchen in Dämitz 6 Thlr. – Von den Schulkindern zu Mosen, einges. von Lehrer Schurz 1 Thlr. 15 Sgr. – Gesellschaft Sanssouci in Leipzig 5 Thlr. – E. H. und J. K. in Sachsendorf 2 Thlr. – P. N. in C. 1 Thlr. – Wittwe Th. J. „für sächsische Krieger“ 1 Thlr. – Im Rathskeller in Stollberg ges. 20 Ngr. – Aus drei Kinder-Sparbüchsen in Mühltroff 3 Thlr. und von A. D. daselbst 7 Thlr. – Geschwister W. in Leisnig 3 Thlr. – Ertragantheil eines vom Musik- und Sängerverein in Meerane veranstalteten Concerts 10 Thlr. – Ertragantheil eines vom Kirchengesangverein veranstalteten Concerts in Neudietendorf 15 Thlr. – F. J. in Lievland (v. Kymmel’s Buchhdlg. in Riga) 2 Rubel = 1 Thlr. 20 Ngr. – Von Victoria und Alma aus Wernshausen 4 Thlr. – Von sächsischen, preußischen und bairischen Buchhandlungsgehülfen in Hannover 4 Thlr. – Von vier jungen Mädchen in B. 5 Thlr. – O. in Triptis 1 Thlr. – Mit Postzeichen Teterow 7 Thlr. – Von den Stammgästen auf der Fasanerie bei Schwarzburg 12 Thlr. – Aus Kopenhagen von: „Zwei Herzen, die am fernen Ostseestrand – Warm schlagen für ihr deutsches Vaterland“ 20 Thlr. dänisch = 14 Thlr. 10 Ngr. – Von A. Sauber in Halmstad in Schweden 10 Reichsthaler = 7 Thlr. 5 Ngr. – Von Dr. Kittlitz in Neapel 1 Thlr. 10 Ngr. – Postzeichen Salzungen 4 Thlr. – Von „Burg Zion“ 5 Thlr. – Gesellschaft Thalia in Neustadt a. O. 40 Thlr. – Von einem Brautpaar in Butzbach in Hessen 10 fl. rhein. – Von Deutschen und Schweizern in Chur (zweite Sendung) 158 Frcs. 25 Cent. – A. J. und M. Resroth in Höllenhammer 10 fl. rhein. und R. Hartmann daselbst 1 fl. 45 kr. – R. F. G., erspartes Salair eines Commis 15 Thlr. – Von einer Abonnentin aus Wien 1 Thlr. – J K. aus Weida 10 Thlr. – Betrag einer Familienspielcasse in Antwerpen 16 Thlr. – Ein Ungenannter aus Bamberg 200 Thlr. Ihren Wünschen sind wir mit vieler Freude nachgekommen. Ihre reiche Sendung ist unter schwerverwundete Oesterreicher, Preußen und Sachsen vertheilt worden, die dem unbekannten Wohlthäter die herzlichsten Dankesworte senden.

     Ferner an Schmuckgegenständen:

C. und F. B. aus Würzburg: drei goldene Armbänder, eine goldene Brosche und ein Paar goldene Ohrringe. – Von einem Mädchen aus Wurzen ein Thaler und ein goldener Ring. – Ein goldener Ring: „Der Himmel erhalte uns Frieden“. – Aus Dresden: eine goldene Kette mit Brosche, angeblicher Werth 20 Thlr. – „Den Erlös dieser Gabe widme ich einem armen Oesterreicher oder dessen Hinterbliebenen“. – Ein Briefbeschwerer, aus vier Granatsplittern (bei Dermbach gefunden) zusammengesetzt. (Schwer zu verwerthen.)

Die Redaction.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 696. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_696.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)