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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

gereinigte und vorher völlig ausgetrocknete große Blasen gefüllt, in denen es sich festgebunden vortrefflich hält und weithin verschickt werden kann.

Schließlich sei noch daran erinnert, daß jegliche Salbe, besonders bei längerem Gebrauch, durch sorgsames Aufbewahren vor dem Ranzigwerden zu behüten ist, wenn sie nicht ihre Wirksamkeit verlieren oder gar schädlich werden soll. Auch in Betreff der Haarpomade ist dies wohl zu beachten; ihr gegenüber ist Reinlichkeit und Sauberkeit, stets sorgfältiges Verschließen und gegen Nässe und Hitze Bewahren um so mehr zu empfehlen, da in ihrer Verderbniß das sonst unerklärliche Haarausgehen ganz gesunder und kräftiger Frauen wohl nur zu oft begründet sein mag.

Karl Ruß.




Der bairische Hiesel.
Volkserzählung aus Baiern.
Von Herman Schmid.
(Fortsetzung.)
6.

Tiefer Schnee war gefallen. So weit das Auge reichte, schimmerte die weiße unabsehbare Ebene im hellen Sonnenschein, als wäre sie mit Sternen und blitzendem Edelgestein besät; an den spärlichen kahlen Sträuchern hatten statt der Blätter sich zierliche Büschel und Träubchen von Reifflocken angesetzt, und ein schneidend kalter Ostwind, der von Zeit zu Zeit über die Fläche strich, hob den leichten Schnee, wirbelte ihn lustig mit und ließ ihn, des Spieles müde, am Fuß einer kleinen Erhöhung oder im Graben der Landstraße liegen, die sich, kaum mehr erkennbar, durch die Ebene zog. Nichts Lebendiges regte sich rings, und weit und breit war auch keine Spur menschlicher Nähe oder Thätigkeit zu erspähen. Nach einer Seite stand ein Büschel schwarzer Tannen bei einander und senkte die schneebelasteten Zweige wie müde Arme zu Boden; dort begann die Straße bergan in den Wald zu steigen, eine schwierige und unbequeme Strecke, welche dem schweren Frachtfuhrwerk in guter Jahreszeit viele Mühe machte; jetzt war sie beinahe unbefahren, denn im Winter rastete auch der Verkehr. Im Sommer hielten die Fuhrleute gerne davor, um ihr Gespann zum Hinansteigen Kraft sammeln zu lassen oder ihm Erholung zu gönnen, wenn es über dieselbe herabgekommen war, um etwaige Schäden an Wagen und Geschirr zu entdecken oder, wenn sie sich gezeigt hatten, auszubessern. Deshalb stand am Eingange des Waldes ein gemauertes Haus, dessen rußige Wände ebensowohl, als die halboffene Halle vor demselben seine Bestimmung unschwer errathen ließen. Es war eine Art Nothschmiede, dem Schmiede eines benachbarten Dorfes gehörig, der sie den Sommer über bezog, um den Fuhrleuten bei etwaigen Ausbesserungen zur Hand zu sein, auch wohl den Pferden Futter und Wasser, den vor Hitze trockenen Kehlen der Fuhrleute selbst aber einen Krug frischen Bieres bieten zu können. Deshalb lagen in dem Kohlenkeller unter der Schmiede immer ein paar Fäßchen im Vorrath, und das Gewölbe war kühl, denn es war tief in den ansteigenden Sandsteingrund des Waldhügels eingegraben. Mit dem Schneefall hörten die Frachtfuhren auf; dann sperrte der Schmied das Haus und zog sich ins wohnlichere Dorf zurück.

Diesmal aber schien das Gebäude doch nicht völlig verlassen zu sein, denn aus dem niedrigen Schlot stieg eine dünne Rauchsäule und verflatterte über den Tannenwipfeln wie ein zerreißender Schleier. Unter den Bäumen erschien jetzt ein Mann, die Pelzmütze tief ins Gesicht herein gezogen, die Beine mit hohen weichen Lederstiefeln versehen, den Leib in ein tuchenes Wamms gehüllt, das mit krausem Pelz verbrämt, mit schmalen länglichen Knöpfen besetzt und mit Schnüren zusammengehalten war. Der Ledergurt um den Leib und das seitwärts in der Hose steckende Messerbesteck ließen den wandernden Metzger nicht verkennen, der, um den Bauern die Mühe zu ersparen, „ins Gäu“ geht, Vieh einzukaufen.

„Verflucht!“ murrte der Mann vor sich hin, indem er nach allen Seiten herumspähte, „nirgends ist was von Soldaten zu sehen – ich hab’ ihnen doch die Schmiede vorm Wald deutlich genug bezeichnet, sie können nicht fehlen … aber wenn sie nicht bald kommen, fliegt der Vogel wieder aus … Will aber noch zuvor nach dem andern Vogel umschauen, ob er sich noch nicht an den Käfig gewöhnt hat ….“ Mit kräftiger Faust riß er dann einen der nächsten niedrigen Tannenzweige herab und schritt längs des Waldes der Schmiede zu, bei jedem Schritte anhaltend und hinter sich die Spur seiner Fußtritte mit dem Tannenzweige sorgsam wieder ausgleichend. An der Rückseite des Hauses angelangt, hielt er erst inne und horchte, ob nichts im Hause sich rege, dann, als Alles stille geblieben, zog er ein stiletartiges Messer aus dem Besteck und schob die Spitze in das Thürschloß, das seinem kräftigen Druck nicht viel Widerstand leistete. Die Thüre führte unmittelbar in die Stube, ein kleines, ärmliches Gemach, in welchem nichts zurückgeblieben, als was niet- und nagelfest war, die in die Wand eingelassene Bank und der am Fußboden angeschraubte Tisch, ein kleiner Mauerschrank und ein schlechter Ofen, durch dessen Ritzen der letzte Schimmer erlöschender Holzscheite zu sehen war. Eine Thüre nebenan führte in die Schmiede, eine Fallthüre im Boden in den Kohlenkeller.

Der Mann schob den Riegel derselben zurück, hob die schweren Breter auf und hängte sie an einem Ringe fest, dann stieg er in den dunklen Raum hinab, dessen Wände, Stufen und Boden von Kohlenruß überzogen waren. Das Auge des Eintretenden mußte sich erst an das Dunkel gewöhnen, eh’ es etwas zu unterscheiden vermochte. In der Ecke auf einem Strohlager, in eine starke Decke gehüllt, kauerte eine weibliche Gestalt, in deren Zügen und Formen die einst so schöne Wirthstochter vom Waldhaus kaum wieder zu erkennen war. Unbeweglich und wie geistesabwesend saß sie auf dem Lager und schien den Kommenden ebenso wenig zu bemerken, als das durch die Fallthüre plötzlich hereindämmernde Tageslicht.

„Da bin ich wieder,“ sagte der Rothe, „bin ich nicht bald zurück ?“

Sie wandte sich noch mehr ab, gegen die Wand hin und gab keine Antwort; die schielenden Augen des Rothen glühten wie die einer Katze im Dunkeln.

„Da bin ich wieder!“ schrie er noch einmal, „hast noch alleweil kein Wort für mich? Wart’, ich will Dich lehren, mir Antwort zu geben!“ Damit sprang er auf sie zu, wollte sie an den Schultern fassen und aufrütteln, aber eh’ er dazu kam, hatte sie sich erhoben und ihm einen so derben Stoß vor die Brust gegeben, daß er einen Schritt rückwärts taumelte.

„Ich hab’ nichts zu reden mit Dir,“ rief sie, „laß mich zuerst aus – nachher will ich Dir Red’ und Antwort geben, wie sich’s gehört!“

„Auslassen?“ erwiederte er höhnisch. „Ich bin kein solcher Narr! Auslassen soll ich Dich? damit Du Deinem Hiesel nachlaufen könntest, dem rechtschaffenen Manne, wegen dem Du ein anderes Leben hast anfangen wollen? Nein, dafür ist gesorgt für alle Zeit – den Hiesel kriegst Du nimmer zu Gesicht und aus meiner Hand kommst auch nimmer los!“

„Aber wo ist der Hiesel? Wie ist es mit ihm? Was hast im Sinn mit mir?“

„Wo der Hiesel ist, geht Dich nichts an … aber was ich mit Dir im Sinn hab’, das kannst erfahren. Heut noch, längstens morgen ist mein Geschäft aus in dem Land, dann bin ich ein reicher Mann … dann geh’ ich in ein anderes Land, in die Schweiz, wo mich Niemand kennt, und fang’ einen Viehhandel an … und Du gehst mit mir und bleibst bei mir!“

„Lebendig nit!“

„O, das wollen wir schon sehen! Du bist nit die Erste, die sich schon in was viel Schlimmres hat finden müssen! Warum willst nit? Ist ein Viehhandel nicht auch ein Brod, bei dem Einer ein rechtschaffener Mensch sein kann, und einen solchen willst Du ja! Ich mein’ doch, es wär’ besser als ein Räuberhauptmann, dem die Steckbrief’ nachfliegen durchs ganze Land, auf den nichts wart’ als Galgen und Rad! Wirst Dich schon besinnen, Kundl!“

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 380. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_380.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2022)