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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Zeichnung direct auf den Holzstock„ so daß die Uebertragung schon ein für allemal wegfällt. Wenn Ihr Friedrich z. B. jetzt auf dem Holz photographirt wäre, ein guter Schneider würde sich gewiß finden„ und dann könnte er in so vielen Exemplaren ge­druckt werden, wie man nur wollte.“

„Ja„ ja„“ meinte Kaulbach„ „das könnte schon gehen, es wäre ein großer Fortschritt für die zeichnenden Künste, wenn der photo­graphische Apparat seine Bilder auch auf dem Holzstock wiedergäbe, Und im Grunde, warum sollte es nicht gehen?“

„Es geht, es geht,“ drängte ich, „wenn Sie mir den Frie­drich überlassen, so bringe ich ihn in die Gartenlaube.“

„Jetzt schauen Sie nur diesen Stürmer und Dränger an, gnädige Frau,“ sagte Kaulbach lachend. „Meine Erlaubniß haben Sie; die Gartenlaube lese ich selbst gern und halte sie für mein Haus. Mir soll’s eine Freude sein, dem wackern Blatt etwas von mir zu geben, aber sehen Sie zu, wie Sie mit Bruckmann zurecht kommen.“

Bald darauf empfahlen wir uns. Ich brachte die Herrschaf­ten in ihr Hotel zurück.

„Vergessen Sie nicht den Herrn Director an meine Photographie zu erinnern, und bringen Sie den alten Fritz nur in die Garten­laube," rief mir die Grille beim Scheiden nach,

Schon damals dachte ich daran, auch den jungen Fritz, die liebenswürdige Friederike Goßmann„ mit dem alten zugleich in die Gartenlaube zu bringen; war sie doch die erfreuliche Veranlassung zu meiner Idee. Eben diese Idee ließ mich aber auch nicht mehr ruhen. Am selben Tage noch machte ich Herrn Bruckmann einen Besuch, um ihn, den Eigenthümer des Vervielfältigungsrechtes jeglicher Kaulbach’schen Zeichnung, um die Ueber­lassung des alten Fritz für die Gartenlaube zu bitten.

Bruckmann„ der Verleger der Kaulbach’schen Frauenbilder zu Goethe’s Werken, hat sich durch die geniale, vom glänzendsten Erfolge gekrönte Art und Weise, wie er eben dieses Werk in seinen verschiedenen Ausgaben in Scene setzte und dadurch im ganzen Kunsthandel revolutionirend einwirkte, die Zuneigung und das Interesse des Meisters derartig gewonnen, daß dieser sich ver­pflichtet hat, das Vervielfältigungsrecht seiner sämmtlichen Werke, die er in Zukunft noch machen würde, nur Bruckmann zu überlassen.

Obgleich nun die Veröffentlichung des Kaulbach’schen Friedrich in der Gartenlaube nicht gerade förderlich für den Absatz der photographischen Ausgaben sein dürfte und wohl mancher andere Kunsthändler mir die Bitte rundweg abgeschlagen hätte, so gab doch Herr Bruckmann in liebenswürdigster Zuvorkommenheit sofort seine Einwilligung.

Acht Tage später holte ich mir aus dem weltberühmten Albert’schen Atelier meinen Holzstock„ mit der in vollendetster Weise darauf ausgeführten Photographie (vielleicht einer der ersten Holzphotographien, die in Deutschland zum Zweck des Schnittes gemacht wurden), und heute sieht der geneigte Leser das fertige Bild und liest zugleich, wie es vom Akademiegebäude in München seinen Weg nach Leipzig in die Gartenlaube gefunden hat.

C. A. Dempwolff.




Dem Andenken eines großen Todten.

Wenn ein großes Leben erlischt„ so geht eine feierliche Stille durch die Welt, Plötzlich schweigen sie alle, die Leidenschaften„ welche durch die Thätigkeitsäußerungen dieses Lebens wachgerufen waren. Eine tiefe Trauer senkt sich in die Seelen der Menschen und wie Grabgeläut klingen dem Ohr die Stimmen, die dem Todten einen Nachruf in seine Gruft mitgeben. Eine solche Stille, eine solche Trauer hat die Botschaft, daß Abraham Lincoln unter Mörderhänden seinen edlen Geist ausgehaucht, über beide Hemisphären verbreitet. Nun er dahingegangen ist, erkennt man die Größe dieser Gestalt an der breiten Lücke, die ihr Verschwinden zurückläßt. Sein Tod hat uns den Maßstab gegeben, nach dem wir die Bedeutung seines Lebens schätzen. Selbst die, welche sich immer geweigert haben ihn anzuerkennen, fühlen und sagen jetzt, daß er mehr als der Lootse gewesen ist, der in wilder Brandung das Schiff fest und ruhig steuert, daß er der Leucht­thurm gewesen, zu dem ein ganzes Volk vier schwere Jahre lang aufgeblickt hat, um sich der Richtung zu versichern, in welcher der einzige Weg der Rettung lag.

Die Wandlung, die in dem öffentlichen Urtheil über Lincoln vor sich gegangen ist, reicht allein schon hin, seine Bedeutung zu beweisen. Schritt für Schritt hat er sich die Achtung der Welt erkämpfen müssen, aus einem Meer von Spott und Schmähung hat er sich mit Haupt und Schultern gehoben, um vor unsern Augen immer mehr zu wachsen und endlich in seiner vollen wahren Größe dazustehen. Als er vor vier Jahren gewählt wurde, wollte man ihn tödten durch das Wort, das Goethe den falschen Freund in Clavigo’s Ohr flüstern läßt, um ihn zum Schurken zu machen. „Er ist kein Cavalier!“ ging das Geflüster durch die südstaatliche und demokratische Presse Nordamerikas und schwoll, durch das Echo aller Organe der englischen Tories und Baumwollenbarone verstärkt, zu einem vollen Chor an. Man schilderte mit Behagen seine eckige, von schwerer Arbeit auseinandergereckte Gestalt, seine große, am Griff der Holzaxt und des Floßruders hart gewordene Hand; man malte seine ungelenken Bewegungen aus und stellte ihn als einen Bauer dar, der, von seinem bösen Stern in einen glänzenden Saal geführt, in hülfloser Verlegenheit nicht weiß, wie er auf dem glatten Parket gehen und wie er eines der vielen zier­lichen Geräthe rings um ihn her anfassen soll. Alle Anekdoten, die über ihn umliefen, waren mit einem Zusatz gewürzt, der ihn als roh und bärenhaft ungelenk erscheinen ließ. Wie man sich aber auch anstrengen mochte, dieses Bild in der Phantasie der Menschen unvergänglich zu machen, die falschen Farben, mit denen man ihn überpinselt hatte, schwanden doch dahin und seine wirk­lichen Züge traten hervor wie ein edles Frescobild, wenn der Kalk abgefallen ist, mit welchem rohe Hände die Wand beworfen haben. Gewiß, ein Cavalier ist Lincoln nicht gewesen. Nicht mit noblen Passionen hat er sich beschäftigt, nicht von den Blüthen am Baume der Künste wählerisch gepflückt, nein, ein Charakter und ein Staatsmann altrömischer Art war er, einer jener Dicta­toren, die so einfach und so groß waren, die man vom Pfluge wegrief, auf daß sie den Staat retteten, und deren Thaten mit ehernen Zügen in den Tafeln der Geschichte eingegraben bleiben, während die feinen Reden und Manieren der Stutzer von der Via sacra mit ihnen selbst verschollen und vergessen sind.

Ein gütiges Schicksal leitete Lincoln’s Jugend auf die rauhesten Wege. In den Riesenwäldern, auf den Riesenflüssen seines Vater­landes errang er sich für Geist und Körper die Stahlkraft, die ein tägliches Ringen um die Existenz in denen erzeugt, welche ein tapferes Herz in diesen Kampf mitbringen. Nie hat ihm sein bitterster Feind nachsagen können, daß er sich einen Augenblick auf einen der tausend Nebenpfade verloren habe, die zu einem mühe­loseren und unehrenhafteren Erwerb führen. Dem Regen und Sturm entgegen schritt er gerade aus. Eines Tages befand er sich vor der verschlossenen Thür der Wissenschaft und erbrach sie. Ein neues Ringen hob an und reichlich floß der Schweiß, den die Götter als Preis der Tugend gesetzt haben. Aber den muthigen Kämpfer belohnte der Sieg und nun verwerthete er für Andere, was er sich selbst so mühevoll errungen hatte. Abraham Lincoln wurde der geschickteste und redlichste Advocat von Illinois. Nie vertheidigte er eine schlechte Sache und oft erlebte er den Triumph, einen Unschuldigen zu retten, den mächtige Feinde mit einem Lügengewebe umstrickt hatten. Während er als junger Mann seine

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 318. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_318.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2022)