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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

sagt es offen heraus, „es sei allseitig bekannt, daß deutsche Schaumweine unter französischer Etikette als echter Champagner vielseitig consumirt werden.“ Dieser kleinen deutschen Schande muß auch ein Ende gemacht werden, wie allen andern größeren und kleineren. So lasse man denn endlich die alberne Einbildung fahren, der französische Champagner sei besser als der deutsche Schaumwein.

Doch zurück zu unserer Fabrik! Sind die Flaschen nun so prächtig ausstaffirt, so harren sie noch Monate und Jahre ihres Erlösers. Dies ist die Zeit des idealen Lebens des köstlichen

Arbeitsräume und Keller der Siligmüller’schen Schaumweinfabrik in Würzburg.

Schaumweins. Da ist er rein und feurig wie der Sonnenstrahl, der ihn zeugte. Still und heimlich wie jungfräuliche Liebe, birgt er sein süßes Geheimniß in der in eisernen und häufenen Banden liegenden Flasche. Aber es naht die Stunde seiner Befreiung; mit einem Freudenschusse wird die Pforte aufgethan und dampfend und schäumend ergießt er sich in den Becher, Zeugniß abzulegen von deutscher Herrlichkeit.

Das schöne Frankenland hat mehrere Schaumweinfabriken, deren Erzeugnisse sich eines bedeutenden Absatzes erfreuen; Würzburg selbst hat mehrere derartige gut renommirte Etablissements. Wir haben hier das Siligmüller’sche als eins der vorzüglichsten im Auge. Die Firma F. A. Siligmüller erfreut sich nicht allein in Deutschland einer allgemeinen Anerkennung, und den deutschen Turnern dürfte sie vom großen Leipziger Turnerfeste unvergeßlich sein. Das Geschäft wurde 1843 klein begonnen und setzte in der ersten Zeit seines Bestehens jährlich nur 10,000 Flaschen ab, die sich aber bald auf 20,000 Flaschen steigerten. Bei diesem Absatz verblieb es bis zu Ende der vierziger Jahre. Durch unablässige Verbesserung der Fabrikation, durch rastloses Ankämpfen gegen die Vorurtheile, wodurch der deutsche Schaumwein gleichsam geächtet war, hat der Inhaber des Geschäfts seit einigen Jahren schon den jährlichen Absatz von 100,000 Flaschen überschritten. Zu dieser glänzenden Ausdehnung haben auf der einen Seite die Güte und Trefflichkeit des Fabrikats, auf der andern das seit 1848 erwachte und immer schöner sich entfallende deutsche Nationalgefühl wesentlich beigetragen. –

Von der Siligmüller’schen Schaumweinfabrik bis zum königlichen Hofkeller ist nur ein Schritt, aber ein bedeutsamer, der Schritt aus dem Privatleben auf den Königsthron.

Was das wunderprächtige Königsschloß von Würzburg über der Erde nicht hat: architektonische Ruhe, Einheit, Harmonie, das besitzt es unter dem Boden zur höchsten Befriedigung der Kenner im vollsten Maße in seinem großartigen, über alles Lob erhabenen Weinkeller. Während das Schloß unsern Ansichten von deutschem

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_028.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)