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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

durch diesen heimlichen, schleichenden Feind der Menschheit ursprünglich begründet sein! Wie unendlich viele Opfer mag derselbe im Laufe der Zeit heimlich verschlungen haben, außer Denen, die uns bereits in wahrhaft erschreckender Zahl bekannt werden!

Beiläufig sei noch bemerkt, daß man selbst in den leichteren Erkrankungsfällen in Folge des Einathmens von Kohlenoxydgas alle Ursache hat, einen tüchtigen Arzt zu Hülfe zu ziehen. Bei dem geringsten Vorkommen des Giftes säume man nimmer, das Zimmer augenblicklich durch Zugluft (Oeffnen von Thüren und Fenstern) unverweilt zu reinigen und die davon bereits Angegriffenen in ein anderes reines Zimmer zu bringen. Der geringste Aufschub kann gefährlich werden.




Italienische Lichtfeste.
Von G. St.

In keinem Lande der Erde, von China allein abgesehen, hegt das Volk eine so außerordentliche Vorliebe und enthusiastische Freude an der Verherrlichung der verschiedensten Feste durch künstliche Lichtmassen, wie in Italien. Nirgends anderwärts die gleiche Erfindungsgabe und der feine, künstlerisch gebildete Geschmack, um in das rasch vorübereilende, Auge und Ohr zugleich in Anspruch nehmende und oft sehr kostspielige Schauspiel einer mit Feuerwerk verbundenen Illumination Abwechselung und Harmonie zu bringen. In solcher Verbindung ist derlei Fest kein bloßes Darstellen großer und imposanter buntfarbiger Lichtgestalten, sondern es verläuft in bedachter und wohlgeordneter Folge, in Acte getheilt, als ein Drama, das von Scene zu Scene eine Ueberraschung durch eine noch unerwartetere, noch aufregendere und noch gewaltigere bis zum Ende zu steigern vermag.

Wir lassen dahin gestellt, woher diese Neigung gekommen; ob sie von den mit Hunderten von brennenden Kerzen umstrahlten Altären des katholischen Cultus in das bürgerliche Leben übertragen, oder ob umgekehrt dergleichen Darstellungen, weil sie in der Volkssitte altherkömmliche waren, aus ihr, wie so vieles Andere, von der Kirche aufgenommen und zu jenen magischen, wahrhaft schönen Aufführungen fortgebildet worden sind, die auch den Nordländer mit staunendem Entzücken erfüllen.

Man gehe in Rom zur Zeit eines Heiligenfestes an den Straßenbuden der Kleinhändler umher. Zwischen den Waaren und dem Kram der verschiedensten Art sieht man da ein Räumchen ausgesondert, worin die Legende des Tages in Gruppen von Puppen veranschaulicht ist, die in ihrer Costümirung, in der Wahl der Farben, Stellung, Zusammenordnung oft etwas außerordentlich Reizendes und Anziehendes haben, zumal wenn sie des Abends durch die an passendster Stelle vertheilten Lichter aus dem Dunkel hervorleuchten. Man wird es inne, das Volk hat bis in seine unteren Schichten wie Freude, so Uebung und besonderen Geschmack in dergleichen.

Alle Zeit unvergeßlich wird mir ein großartiger Anblick bleiben, der mich am 18. März 1860 bei meinem Eintritt in Italien empfing. Die Eisenbahn hatte mich gegen Abend, an dem herrlichen Gardasee entlang, bei Desenzano über die piemontesische Grenze und dann an Brescia vorbeigeführt; da tauchten plötzlich etwa um acht Uhr in Westen, wo eine schwarze Bergwand sich am Horizont abzeichnete, auf einem vorliegenden niedrigen Hügel völlig unerwartet, aus Lichtstreifen gebildet, die Umrisse einer bedeutenden Stadt aus der dunkeln Nacht auf. Der ganze Lauf einer langen Umfassungsmauer mit Vorsprüngen und Bastionen wie einer Festung war durch einen leuchtenden Faden gezeichnet; über der Mauer ließen sich im Innern die höhern Straßenzüge an den intensiven Lichtmassen verfolgen, während einzelne besonders hohe Häuser mit ihren breiten strahlenden Fronten vor den andern hervortraten; über alle aber erhoben sich zwei thurmhohe gewölbte Kuppeln, deren Rippen und Rundungen mit Lichterreihen umschrieben und wie mit glänzenden Bändern durchzogen waren. An einer Stelle in der Stadt, auf einem Hügel vor dem Dome, ließ sich nichts Einzelnes unterscheiden, es war lauter Glanz und Licht, eine compacte Feuermasse wie ein convex nach oben gekehrtes Gluthbecken. Hier mußten Tausende von Lampen zusammengehäuft sein. Dies Bild stand hinlänglich nahe vor Augen, um das Besondere deutlich unterscheiden, und auch fern genug, um es mit einem Male überschauen zu können. Der ganze Anblick hatte in seiner Ruhe und Stille etwas höchst Feierliches und zauberartig Wirksames, weil der Beschauende, in raschem Fluge herangeführt, nach kurzer Rast auf der Station der Eisenbahn ebenso schnell entrückt und Alles wie in einem Feenmärchen wieder in Nacht und Dunkel entschwunden war. Die also erleuchtete Stadt war Bergamo; man feierte die Annexion Mittelitaliens an Piemont.

Damit sollte jedoch an demselben Abende das Lichtschauspiel noch nicht zu Ende sein. Nach etwa anderthalb Stunden zeigte sich an der Tiefe des Horizonts in weiter Breite ein Lichtstreifen, wie von einer brennenden Stadt, deren Flammen man nicht sieht. Wir nahten Mailand. Auch da wurde dasselbe Fest mit einer dem Reichthume und der Exaltation der Bevölkerung entsprechenden prachtvollen Beleuchtung gefeiert. Die Straßen, durch welche sich unser Fahrzeug bewegte, und die Nebengassen, in die sich der Blick öffnete, waren von unten bis oben wie in ein Meer von Licht getaucht; die Privathäuser, kleine wie große, die öffentlichen Amtsgebäude, Paläste, Kirchen mit Fahnen und langen Bahnen buntfarbiger Zeuge und malerischen Drapirungen reich geschmückt; vor allem aber flatterten von dem Wunderbau des Domes auf den Tausenden von Thürmen und Thürmchen, Zacken und Spitzen, wie auf einem riesenhaften Schiffe, Flaggen und Wimpel ohne Zahl, während die Säulen und Nischen, Portale und Frontispize und der unsäglich reiche Schmuck architektonischer Zierrathen bis zur äußersten Höhe mit dichten Lampenreihen besetzt waren, deren Licht vom weißen Marmor des Baues reflectirt wurde. Anderswo, auf einem kleinen Platze, schwebte, ohne daß sichtbar war, wodurch er gestützt wurde, hoch in der Luft ein Ballon oder ein länglicher Turban von der Weite eines Thurmes, mit Zeugen von Roth, Weiß, Grün durchflochten und mit Sternstreifen mannigfach durchzogen, von innen mit intensivstem Licht erhellt. Wohin man in der Stadt den Blick wandte, die langen auf- und absteigenden Lichtbahnen und die hellen Farben der Schmuckstoffe, das zusammen machte einen in der That überwältigenden Effect des Lebens und der Heiterkeit, dem Niemand zu widerstehen vermochte.

In dem Lande der Wunder wird aber das Staunenswerthe durch noch Wundersameres überboten. Wenn die päpstliche Kirche so ziemlich alle menschlichen, sinnerregenden Künste in ihre Dienste genommen hat, so mag es ihr am wenigsten verargt werden, gerade auch das Licht als das feinste und ätherischste Element, nach der Schrift die Hülle der Gottheit selbst, für ihre Symbolik verwendet zu haben. Den Höhepunkt aller katholischen Kirchenfeste, ja man kann sagen, aller christlichen Feste überhaupt, macht die Feier der Charwoche in St. Peter zu Rom, die selbst wieder in einer Menge feierlicher Handlungen und Darstellungen, Processionen, Versammlungen verläuft, um die tiefste Trauer und höchste Freude dem religiösen Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Als Schluß des Ganzen dürfen die beiden Lichtfeste, die Erleuchtung der Peterskirche und die Girandola, betrachtet werden, womit alles vorhergehende überstrahlt und das Aeußerste geleistet schien, wozu menschliche Kunst und Herrlichkeit sich steigern können. Nachdem die sieben Tage der Festwoche hindurch die Mitfeiernden ununterbrochen körperlich und geistig in Bewegung gehalten worden und selbst die stärksten Nerven abgespannt und ermattet worden sind, wird in jenen beiden Acten noch einmal die vollste und höchste Kraft sinnlichen Reizes gleichsam zusammengenommen, um die apathisch Gewordenen aufzurütteln und die innersten Saiten der Empfindung noch einmal in Schwingung zu bringen.

Im Jahre 1860 war nach dem Verluste vieler der ergiebigsten Einnahmequellen des römischen Staats und unter dem Drucke der politischen Ereignisse, die noch Schlimmeres fürchten ließen, die Stimmung in Rom um die Osterzeit eine sehr niedergeschlagene. Dazu strömte fast täglich Regen vom Himmel. Die Frage, ob dieses Jahr eine Erleuchtung St. Peter’s stattfinden oder unterbleiben, aus finanziellen Rücksichten vielleicht unterlassen werden müsse, wurde von Einheimischen wie Fremden überall

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 824. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_824.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)