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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

schon zu Ostern 1828 niederzulegen. Wie er in allen Dingen eine freimüthige Oeffentlichkeit liebte, so ließ er auch diesen ersten bedeutenden Abschnitt seines Theaterlebens nicht vorübergehen, ohne dem Publicum in seinem „Rückblick auf das Leipziger Stadttheater“ einen Rechenschaftsbericht seiner Verwaltung vorzulegen.

Karl Theodor von Küstner.

Viel und mancherlei Interessantes könnte aus der Zeit der Küstner’schen Leitung noch erzählt werden; wir wollen uns darauf beschränken, einen Besuch in seiner dicht neben der Bühne befindlichen Directorialloge zu machen. Wir sehen darin verschiedene Notabilitäten, den Herzog Karl von Braunschweig, Generalissimus Fürst Schwarzenberg, Staatskanzler Fürst Hardenberg und Frau, Kotzebue, Spontini, C. M. von Weber u. A. Auch der nach seiner Abdankung sich Oberst Gustavson nennende König von Schweden besuchte in Leipzig sehr oft Küstner’s Loge und war z. B. einmal bei der Aufführung des „Freischütz“ gegenwärtig. Als im ersten Act Samiel erschien, fragte er Küstner, was dieser vorstelle. Die Antwort lautete: „Das böse Princip oder, geradezu gesagt, den Teufel.“ Da entfernte sich der König mit zwei Riesenschritten und kam nie wieder; offenbar glaubte er an die leibhaftige Existenz des Höllensohnes. – Herzog Karl von Braunschweig, der später bekanntlich aus seiner Residenz fliehen mußte, kam zur Vorstellung des „Oberon“ nach Leipzig. Am nächsten Tage erkundigte sich Küstner, wie der Fürst geschlafen habe. Der Herzog entgegnete, daß er von einem lebhaften Traum beunruhigt worden sei: er habe sein Schloß brennen sehen und flüchten müssen; ein sehr fatalistischer Traum, der bald genug sich verwirklichte.

Kotzebue sah in Leipzig die Oper: „Der Bergsturz von Goldau“. Küstner bemerkte ihm, daß wegen der darin dargestellten Katastrophe die Maschinerie nicht gestatte, hinterher noch ein anderes Stück zu geben, und daher die Vorstellung sehr früh endige. Jener erbot sich hierauf gleich, ein Lustspiel zu schreiben, das vor dem Vorhang seinen Schauplatz habe – ein neues Beispiel seiner unerschöpflichen Erfindungsgabe. Doch – er ging nach Mannheim, wurde von Sand ermordet, und Küstner erhielt das Stück nicht! Weber war auf der Reise nach London in Leipzig und besprach sich mit Küstner bis tief in die Nacht über die Aufführung seines „Oberon“ daselbst. Noch von der englischen Hauptstadt aus, wo er bekanntlich starb, schickte er die Partitur an Küstner, und so wurde es möglich, die Oper bereits ein Jahr früher, als auf allen übrigen deutschen Theatern, und zwar mit einer glänzenden Ausstattung, zu geben, welche eine Menge fremder Fürsten und Intendanten nach Leipzig zog. Um unserer Neugierde hier gleich auch einen Blick in Küstner’s Logen in München und Berlin zu gönnen, gedenken wir der Dichter Eduard v. Schenk und Grillparzer als häufiger Besucher der ersteren, wogegen uns in letzterer der liebenswürdige englische Gesandte und große Beschützer der Musik, Lord Westmoreland, ferner der Fürst Pückler-Muskau und seine Gemahlin, geb. v. Hardenberg, mit ihrem Zwerge, die Herzogin von Sagan, Fürst Lichnowsky, Gutzkow u. v. A. begegnen.

Durch seine Leipziger Direktion hatte sich Küstner einen so großen Ruf erworben, daß es ihm jetzt, als jene Unternehmung aufgegeben, nicht an mannigfachen Anträgen zu einer anderweitigen Wirksamkeit fehlte. So ergingen an ihn Berufungen zur Uebernahme der Dresdner Bühne auf eigene Rechnung und zur Leitung des Theaters in Frankfurt a. M. Beides lehnte er ab und ward statt dessen im Jahre 1830 Director der Hofbühne zu Darmstadt. Es war ihm jedoch nicht lange vergönnt, sich in den dortigen freundlichen Verhältnissen zu bewegen, da das betreffende Kunstinstitut bereits nach Verlauf eines Jahres aufgelöst werden mußte, weil der Hof sich veranlaßt sah, die Subvention zurückzuziehen. Küstner’s nächster Wirkungskreis

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 749. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_749.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)