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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

und ganze Vereine, vornehmlich in Centraleuropa, Großes gewirkt haben.

In England stellte sich, wie bekannt, der unvergeßliche Prinz Albert, jedem geistigen und praktischen Streben ein mächtiger Förderer, auch an die Spitze der Agriculturbewegung. Unter den vielen Männern, die in Deutschland mit Eifer und Thätigkeit der Landwirthschaft sich annahmen, steht Herzog Ernst von Sachsen-Coburg-Gotha mit in vorderster Reihe. Beide Brüder richteten ihr Hauptaugenmerk auf die Lösung des Problems, zugleich wohlfeil und zweckmäßig zu bauen. Dem Prinzen Albert war, bei der

Ansicht der Musterfarm aus der Vogelperspective.

Fülle der ihm zu Gebote stehenden Mittel, die Ausführung wesentlich erleichtert worden; nach vielen Versuchen hat er mehrere Musterfarmen errichtet, die, gleich so vielen andern Schöpfungen, immer von dem glänzenden Geist ihres Erbauers Zeugniß ablegen werden.

Nach diesen Vorbildern und den während des Betriebs neugewonnenen Erfahrungen hat nun Herzog Ernst aus Privatmitteln gleichfalls, und zwar für Deutschland, ein Modell hingestellt, zum Zweck, daß danach gearbeitet werde und der denkende Oekonom Anregung und Vorbild darin finde. Der Schauplatz ist der Kallenberg bei Coburg. Nicht leicht kommt heutzutage ein Fremder in die freundliche Hauptstadt des Herzogthums Sachsen-Coburg, der bei noch so flüchtigem Aufenthalt versäumte, das eine halbe Stunde entfernt gelegene Schloß Kallenberg aufzusuchen. Seit dem Jahre 1842 ist es die Sommerresidenz des Herzogs und unstreitig einer der reizendsten Fürstensitze Deutschlands. Mit verschwenderischer Hand hat hier die Natur über Hügel und Thäler, Wiesen und Wald die Fülle ihrer Schönheit ausgestreut; und wer, an die alte Schloßmauer gelehnt, in die weit sich dehnende, heiter lachende Landschaft hinausblickt, dem mag das Herz höher schlagen bei so fröhlicher Ausschau. Und ebenso, wenn er die hellleuchtenden Zinnen des von Herzog Ernst restaurirten Schlosses betrachtet oder in die freundlich lichten Räume eintritt, in denen überall Behagen und feinster Kunstsinn waltet. Natur und Kunst im schönsten Bunde vereinigen sich, zu erfreuen und zu ergötzen; und fällt dann der Blick des Beschauers hinüber auf die altersgraue Veste Coburg, steigt auch der Zauber historischer Erinnerungen vor der entzückten Seele auf.

Hier also, damit dem Schönen das Nützliche nicht fehle, ist die neue Schöpfung entstanden, nach den persönlichen Vorschlägen des Herzogs und ausgeführt unter der Leitung des kundigen, längst rühmlichst bewährten Bauraths Rothbart; eine Musterfarm, wie sie in solcher streng systematischen Gediegenheit wohl einzig in Deutschland dastehen möchte. – Im Folgenden sei nun eine kurze Darstellung dessen versucht, was so, nicht ohne beträchtliche Opfer, durch den hervorragend praktischen Sinn des Herzogs in’s Leben gerufen worden ist.

Die bei der Anlage der Gebäude gestellten Bedingungen waren im Wesentlichen folgende: Alle Räume so zu vertheilen, daß die vorkommenden Arbeiten stets die kürzesten Wege zu machen haben. Trockene, luftige und geräumige Stallungen mit zweckmäßiger Ventilation und so eingerichtet, daß sowohl im Winter als im Sommer eine möglichst gleichmäßige Temperatur in denselben erzielt werden kann. Stets frisches reines Wasser in allen Theilen der Gebäude. Wo es thunlich ist, Maschinenarbeit. Möglichste Billigkeit bei strenger Solidität; Vermeidung von allem Luxus.

Die Gebäude nehmen einen Flächenraum von 320 Fuß Länge

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 581. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_581.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)