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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Armee. Eine stattliche Schaar von früheren Kriegsgefährten geleitete den entschlafenen Cameraden zur letzten Ruhestatt.

Es wird eine Zeit kommen, in der die früheren Angehörigen des tapfern schleswig-holsteinischen Heeres alle dahingegangen sind, und dann wird die Alles verschlingende Zeit einen Namen nach dem andern auslöschen, – über einen aber wird sie nichts vermögen, über den Namen Eduard Jungmann! Denn so lange noch zwischen Elbe und Königsau ein deutsches Wort erklingt, so lange sich deutsche Knaben mit erglühenden Wangen und pochendem Herzen von den Großthaten ihrer Väter gegen den tückischen, verhaßten Landesfeind erzählen lassen, so lange die blauen Wellen der Ostsee an die grünen Ufer von Angeln und Schwansen schlagen, so lange wird man singen und sagen von dem großen Siegestage von Eckernförde, und wird in Ehren denjenigen halten und nennen, dem die deutsche Nation das glänzende Blatt in ihrer Geschichte verdankt. Das ist aber eben der jetzt dahingeschiedene Major Jungmann.

Auf dem Grabe des Helden – er schlummert auf dem Jacobi- Kirchhofe östlich von Hamburg, wenige hundert Schritte von der holsteinischen, das heißt jetzt so viel wie dänischen Grenze entfernt – soll sich ein steinernes Denkmal erheben. Möge es ein recht stattliches, seiner würdiges werden! Die folgenden Zeilen aber möchten das Andenken an den Verstorbenen und an seine große Kriegsthat in recht vielen deutschen Herzen auffrischen und erneuern; dann tragen sie zugleich auch vielleicht zu jenem andern Gedächtnißmale mit bei! –

In einem Armeebefehle des Oberbefehlshabers der schleswig-holsteinischen Armee, Generals von Bonin, datirt vom 24. März 1849, hieß es:

„In der Nacht vom 26. auf den 27. März ist der Waffenstillstand – (es war der zu Malmoe am 26. August 1848 von Preußen mit Dänemark abgeschlossene) – abgelaufen, und kann von da ab der Eröffnung der Feindseligkeiten entgegengesehen werden. Am 27. früh wird auf allen armirten Küstenbatterieen die deutsche Flagge aufgezogen.“

Sie wehte denn auch auf den beiden Strand-Batterien, welche den Eingang in den Hafen von Eckernförde vertheidigen sollten. Verweilen wir einen Augenblick in diesen Werken, um ihre Besatzung und ihre Ausstattung kennen zu lernen.

Es war die 5. schleswig-holsteinische Festungs-Batterie, welche am 18. März in Eckernförde eingetroffen war, um die Besetzung der dortigen Küstenvertheidigungswerke zu übernehmen. Ihr Befehlshaber war der Hauptmann Jungmann, der erst am 9. März in den Herzogthümern eingetroffen und einige Tage nachher in ihre Dienste getreten war. Eduard Jungmann war im Jahre 1815 im Großherzogthum Posen geboren worden; 1832 trat er in die preußische 5. Artillerie-Brigade ein und ward in ihr 1835 zum Lieutenant ernannt. Nachdem er sich zehn weitere Jahre in seiner Waffe, so weit es nur immer der Friedensdienst gestattete, ausgebildet hatte, folgte er dem Rufe des türkischen Sultans, der zur Reorganisirung seiner Armee eine Anzahl preußischer Officiere und Unterofficiere von der Regierung sich erbeten hatte, und ging nach Constantinopel. Hier bekleidete Jungmann zu Anfang 1849 den Posten des Commandeurs der Batterien auf der europäischen Seite des Bosporus. Wiewohl diese seine Stellung eine wohlbefriedigende, aussichtsvolle war, so gab er sie dennoch auf und eilte, jenem geheimnißvollen Zuge folgend, der den zu einer wichtigen That Erkorenen gerade an den Platz führt, an dem zu wirken das Schicksal ihn bestimmt hat, nach Schleswig-Holstein. Von General v. Bonin, der Jungmann als Hauptmann der Artillerie anstellte, erbat er sich den exponirtesten Punkt des Landes zur Vertheidigung und erhielt so den Befehl über die Eckernförder Strandbatterien.

Der ihm untergebene Truppentheil schien auf den ersten Blick nicht gerade tüchtig zu besonderen kriegerischen Leistungen. Vor Allem hatte der Batterie-Chef keinen einzigen Officier als Gehülfen und Stellvertreter neben sich, sondern die zunächst im Commando auf ihn folgten, waren Unterofficiere, der Feldwebel Clairmond und der Unterofficier Theodor Preußer, freilich, wie der Verlauf der Dinge zeigte, zwei Männer, die ihren Posten auf’s Beste ausfüllten und der Epauletten würdig waren wie nur Einer. Außer noch zwei Unterofficieren und 5 Bombardieren bestand Jungmann’s Mannschaft dann aus 80 Kanonieren, von denen die Hälfte Rekruten waren, die noch nie ein Geschütz abgefeuert hatten. Aber auch die Uebrigen waren nach den Begriffen der Militärs von der alten Schule Neulinge von noch unvollendeter Ausbildung; dienten sie doch erst seit dem verflossenen Herbst oder höchstens Sommer, also wenig länger als ein halbes Jahr, und das bei der schwierigsten Waffe! Nur zwei Mann, der Feldwebel Clairmond und ein Bombardier Dietrich, waren Artilleristen von längerer Dienstzeit.

Aber vielleicht waren die Verschanzungen bei Eckernförde von so vorzüglicher Einrichtung und Ausstattung, daß selbst eine des Krieges so wenig kundige Schaar, wie die, als welche wir ihre nunmehrigen Vertheidiger kennen gelernt haben, in ihnen siegen mußte? O nein, nicht im Geringsten! Die Eckernförder Vertheidigungswerke waren Alles in Allem nur zwei winzige Schanzen. Die eine, die sogenannte „Südbatterie“, lag etwa 500 Schritt von den südlichsten Häusern der Stadt zwischen der nach Kiel führenden Chaussee und dem Strande. Ihre Brustwehr war stark, aber niedrig, ihre Rückseite mit Palissaden geschlossen und durch ein Blockhaus von freilich sehr leichtem Bau vertheidigt. Ihre Bewaffnung bestand aus vier achtzehnpfündigen Kanonen. Zur Aufnahme einer Infanterie-Bedeckung befand sich oberhalb der Chaussee, im Rücken der Schanze, eine Redoute. In der „Südbatterie“ commandirte der vorhin genannte Unterofficier Preußer, ein junger stattlicher Mann von 23 Jahren, ein geborener Schleswig-Holsteiner, der sich seinen Aufgaben mit Verständniß, Eifer und Hingebung unterzog.

Am Nordrande der Eckernförder Bucht, von der eben geschilderten Batterie in gerader Linie 3600 Schritt entfernt, eine halbe Stunde von der Stadt, lag auf einer niedrigen, sich nur wenige Schritte weit in’s Meer erstreckenden Landspitze die zweite Schanze, die „Nordbatterie“. Sie war von ganz ähnlichem Bau wie die erste, enthielt aber sechs Geschütze, nämlich zwei Vierundzwanzigpfünder, zwei Achtzehnpfünder und zwei vierundachtzigpfündige Bombenkanonen. Hier hielt sich Hauptmann Jungmann selbst gewöhnlich auf; in seiner Abwesenheit vertrat ihn Feldwebel Clairmond. Von den achtzehnpfündigen Kugelkanonen, die den größeren Theil der Geschütze, sechs unter zehn, bildeten, verdient noch angeführt zu werden, daß sie zu einer etwaigen Vertheidigung der Rendsburger Festungswälle für nicht mehr brauchbar erachtet und deshalb von denselben entfernt worden waren! Es war ein Glück, daß Hauptmann Jungmann vor der Wiedereröffnung der Feindseligkeiten noch einige Tage zur ungestörten Verfügung hatte, in denen er seine Werke in einen so guten Zustand, wie es die Verhältnisse nur irgend erlaubten, versetzen und seine junge Mannschaft im Schießen nach dem Ziel üben konnte. Auch nach Ablauf des Waffenstillstandes blieb er noch einige Tage vom Feinde unbehelligt.

Das Jahr 1849 zeigte bekanntlich zum zweiten Male das schmachvolle Schauspiel der Scheinhülfe, welche die deutschen Regierungen den Herzogthümern leisteten. Diesmal war der preußische General v. Prittwitz dazu ausersehen, die traurige Rolle zu spielen, die ihm zwar den Dank seines Monarchen für so viel sein eignes Selbst- und Ehrgefühl verleugnenden Gehorsam eintrug, die ihm aber sicherlich auch die Verurtheilung der Geschichte und die Verachtung der Nachwelt zuziehen wird. General v. Prittwitz hatte in seiner Eigenschaft als Reichsfeldherr geschworen: „er verpflichte sich, bei dem ersten Angriff der Dänen, sei es zu Wasser, sei es zu Lande, Alles daran zu setzen, die feindliche Armee mit einem Schlage, wenn auch mit dem Bajonnet an den Rippen, zu vernichten;“ – wir wissen, wie er seinen Eid gehalten hat! Zum Glück hatte die Reichsarmee, die durch ihr Auftreten im Jahre 1849 an allen Jammer, alle Schmach erinnerte, die einst mit diesem Namen verbunden gewesen waren, zur Avantgarde das kleine, aber allzeit schlagfertige und begeisterte schleswig-holsteinische Heer unter Bonin’s Commando. Hier galten keine andern Rücksichten, als die auf den Erfolg der heiligen Sache, der man diente, und auf die eigene militärische Ehre. Hier griff man an, hier siegte man, und als man endlich unterlag, geschah es zu unsterblichem Ruhme.

Die schleswig-holsteinische Armee war es denn auch, die sich schon am 3. und 4. April in Sundewitt und an der Grenze dieser Landschaft mit den Dänen gemessen hatte, ehe sie hier von Reichstruppen abgelöst wurde und weiter gegen Norden vorrückte, Gegen die danach im Sundewitt befindlichen Truppen nun beabsichtigte der Obergeneral der dänischen Armee, v. Krogh, einen entscheidenden Schlag zu führen. Der Angriff sollte am 5. oder 6. April stattfinden und durch eine Diversion im Rücken der deutschen

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