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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Roth war am 24. November 1796 in Mediasch geboren, wo sein Vater erst als Professor am Gymnasium und später als Pfarrer wirkte. Der so vielfach in Anspruch genommene Raum der Gartenlaube gestattet es nichts den ganzen Bildungsgang Roth’s bis zu seiner amtlichen und staatsbürgerlichen Thätigkeit hier zu verfolgen. Einige Hauptzüge desselben mögen genügen. Nachdem Roth auf dem Untergymnasium seiner Vaterstadt, dann auf dem Obergymnasium zu Hermannstadt sich für die theologischen Studien vorbereitet, bezog er 1817 die Universität Tübingen. Unbefriedigt von dem Geist, der dort die Theologie beherrscht, fand er, nach dem Schlusse seiner Universitätsstudien, in Pestalozzi einen Mann, wie sein Herz ihn sich ersehnt hatte. Er nahm eine Lehrerstelle in dessen Institut an und arbeitete hier im Stillen den Plan aus, nach der Weise, die er in Yverdun verehren gelernt, an der Bildung seines Volks von den untersten Classen an zu wirken.

Auf das Verlangen seines Vaters kehrte er im April 1820 in die Heimath zurück. Sein Wunsch, nun selbst Volksschullehrer zu werden und vor Allem ein tüchtiges Schullehrer-Seminar zu gründen, stieß jedoch nur zu bald auf die in Oesterreich eben so alten als landüblichen Hindernisse. Schon in Wien hatte Roth sich bemüht, eine Unterstützung für eine solche Anstalt zu erhalten, aber vergeblich, denn „man wäre einmal nicht für den Fortschritt.“ Ebenso vergeblich wandte er sich daheim an alle Landesstellen und einflußreiche Männer. Da wagte er noch einen letzten Versuch, er wandte sich direct an das Volk, er gab ein Schriftchen heraus unter dem Titel: „An den Edelsinn und die Menschenfreundlichkeit der sächsischen Nation in Siebenbürgen eine Bitte und ein Rathschlag.“ Auch hier fand er keinen Anklang. Die Zeit war für sein Ideal nicht reif. Erst jetzt, 40 Jahre später, weht auch in unseren Dorfschulen ein besserer lebendiger Geist.

So mußte Roth seinen Lieblingsplan aufgeben, er wurde, wie sein Vater es wünschte, im Jahre 1822 Lehrer am Mediascher Gymnasium und später Director desselben. Aber auch jetzt mußte er seine Pläne für eine Schulzeitung, sowie für Einführung des Turnens und Singens an Vorurtheil und Aengstlichkeit von Lehrern und Eltern scheitern sehen.

Einigen Ersatz für die vielen Täuschungen fand Roth in einer glücklichen Ehe mit einer Pfarrerstochter. Dieses Glück sollte auch nicht von zu langer Dauer sein. Im ersten Jahre seines Rectorats raubte der Tod ihm seine Gattin, ihm blieben drei unmündige Kinder. Im Jahre 1837 wurde Roth zum Pfarrer in Rimesch, 1847 zum Pfarrer in Meschen gewählt. Nachdem er seine häuslichen Verhältnisse durch eine zweite, ebenfalls glückliche Ehe, wieder mit einer Pfarrerstochter, geordnet, widmete er sich wieder ganz dem Wohle seines Volks, in Schrift, Wort und Predigt, mit Rath und That. Es fing gerade in dieser Zeit, zu Anfang der 40er Jahre, auch unter den Sachsen ein frisches, thatenkräftiges Leben an, ganz nach dem Sinn Roth’s; kein Wunder, daß Roth jetzt nicht nur anerkannt, sondern auch geliebt wurde, und bei wichtigen Angelegenheiten im Interesse des Volks hieß es: „Roth soll unser Sprecher sein.“ – Namentlich wirkte er begeisternd in dem „Vereine für Vaterlandskunde“. Auch die im Jahre 1845 so energisch betriebenen Einwanderungen, namentlich aus Württemberg, nach Siebenbürgen sind Roth’s Werk gewesen; es war nicht seine Schuld, daß kein würdiger Erfolg die ehrenwerthe Absicht belohnte. Nur sein Lieblingsplan, dem er so viele Zeit seines Lebens gewidmet, eine Schul- und Kirchenzeitung zu gründen für das deutsche Volksthum in Siebenbürgen, konnte nicht zur Ausführung kommen. Dennoch schreitet der edle Roth festen Muthes weiter, sein Programm für bessere Tage bewahrend. Da rücken die Vorboten der Stürme immer näher. Jedermann fühlt ihren Hauch. Es konnte daher Roth’s erster Gedanke nur der sein, sein Volk für die kommende Gefahr vorzubereiten. Zu diesem Zweck wollte er mit jüngern gesinnungstüchtigen Literaten seines Volkes Geschichtsbilder herausgeben. Der gute Gedanke fand vielseitigen Anklang, ward jedoch noch vor der Ausführung vom Sturme überholt. Das Jahr 1848 fing für Roth sehr traurig an, es raubte ihm zum zweiten Mal die treue Lebensgefährtin. Er schreibt aus dieser Zeit an einen Freund nach Kronstadt (der Brief ist vom 12. Januar 1848 datirt): „Ich habe, seit ich Euch verließ, meinen Vater verloren, meine kostspieligen Wirthschaftsgebäude hat man mir abgebrannt. Letzlich ist mir am 7. d. M. auch meine Frau im Kindbett gestorben, das jüngste Kind tauften wir den Tag nach ihrer Beerdigung, um mich stehen 5 unversorgte Kinder (das älteste 6. Kind, Sophie, war schon verheirathet), deren ältestes im 9. Jahre ist. Ich will mein Kreuz auf mich nehmen und tragen in Geduld, aber es ist doch schwer.“

In dieser Zeit, am 13. August 1848, strömten in Mediasch aus allen Gegenden sächsische Jünglinge zusammen, um einen deutschen Jugendbund zu stiften, zur Hebung des deutschen Volksthums in Siebenbürgen; als Mittel wurde das Turnen in Verbindung mit Schützen- und Fechtwesen und einem volksthümlichen Gesang bezeichnet; einstimmig wählten sie zu ihrem Vorstand Stephan Ludwig Roth, unter dessen Leitung sich der Bund organisirte. Roth schreibt über diesen Bund nach Kronstadt: „Der Jugendbund, der sich so ungemein nüchtern und begeistert zugleich betragen hat, ist letztlich meine Hoffnung, die schwere Garde, die zuletzt in’s Feuer soll. Für diese wollen wir Aelteren ja leben; sie sind unsere Zukunft, der Keim unserer Fortdauer. Wir Alten könnten von ihnen lernen das Volk lieben, wir könnten uns an ihrer Begeisterung erwärmen. Keimen diese Blüthen zur Frucht, unbesorgt können wir in’s Grab steigen, wir leben als Deutsche sicherlich fort, vielleicht schöner noch, als wir getraut zu wagen. Bei solchen Truppen ist man leicht Radetzki.“ – Viele von diesen Jünglingen traten freiwillig in das von der Nation errichtete sächsische Jägerbataillon, und manche Blüthe fiel auf dem Felde der Ehre. Dieser schöne Bund ward auch Morgenstern unseres Völkchens genannt. Möge er dieses Jahr 1862 im August, wo in Mediasch der Verein für Landeskunde, vereinigt mit dem neuen Gustav-Adolph-, dem neuen Sänger- und Turn-Verein, zusammentritt, möge er dort über dem Grabe Roth’s wieder aufgehen und uns leuchten zu allem Wahren, Schönen und Guten, sei es als Morgen- oder als Abendstern, der uns zu einem würdigen Ende führt.

„Ewigkeit geschwornen Eiden, Wahrheit gegen Freund und Feind;“ an diesem Ausspruch hielt Roth in allen Lebenslagen fest. Sein politisches Glaubensbekenntniß müssen unsere Leser vom rechten Gesichtspunkte betrachten. Es entsprang aus der geographischen Lage des Landes und seinem historischen Zusammenhang mit Oesterreich und durch dieses mit Deutschland, und war demgemäß folgendes: „Als Deutsche,“ sagt er, „zieht das Herz uns immer zu Deutschen. Ist Oesterreich uns feindlich, so ist Deutschland noch mehr entfernt. Ich als Geistlicher habe überdies geschworen, den Freunden des Kaisers ein Freund, seinen Feinden ein Feind zu sein. Die ungarische Nation entbindet mich meines Eides nicht, selbst in dem Falle nicht, wenn alle Unsere Bedingungen angenommen wären. Nun aber auch dies nicht der Fall ist, wird die Entscheidung um so leichter, dadurch aber, daß die österreichische Constitution liberaler ist, auch um so ehrenvoller!“ Volksvertrauen schickte ihn als Vertreter in die sächsische Nationalversammlung nach Hermannstadt, und Anerkennung seiner patriotischen Gesinnung berief ihn in das vom commandirenden General in Siebenbürgen, Freiherrn v. Puchner, errichtete Pacificationscomité, das die Brandungen der Zeit durch Volksmänner beschwichtigen sollte. Außerdem übertrug ihm das siebenbürgische Generalcommando noch andere wichtige Kreise im Interesse der „politischen Ordnung“, natürlich so, wie sie von dieser Seite damals eben aufgefaßt werden konnten.

So hatte Roth schon im November 1848 die höheren Befehle angenommen, und versah in Elisabethstadt die Stelle eines Commissär, von wo aus er auch schreibt: „Des Guten kann ich wenig thun, nur das ist mein Trost, daß ich einiges Böse verhindere. Dermalen erweiset sich Vieles als eitel, als vergänglich, als Schein, nach dem so viele mit Keuchen rennen, mit Sünden verlangen, mit Angst besitzen und – schnell verlieren. Brand, Tod, Flucht, Angst sind Predigten, die uns zum Bleibenden einladen, zu dem, was nicht vergeht. – Ich bin unendlich geplagt. Neulich machte ich in ein Dorf eine Expedition, wodurch ich 32 Pferde aus dem Brande und der Plünderung rettete. Sieben Stunden in einem fort war ich zu Pferde, der alte Bursche, hält es aus. Meine Kinder sind nahe von mir in Mediasch, ich kann sie nicht besuchen, Vaterlands- und Volksliebe steht höher denn Eigenliebe.“ Wieder schreibt er von Kokelburg: „Wie Sie sehen, schreibe ich aus Kokelburg; es ist Christtag, ein Festtag, an Gott habe ich gedacht und für seine Gnade zu danken gesucht. Zufall oder überschätzende Freunde haben es verursacht, daß ich mit Anfang November als Commissär in die obern 13 sächsischen Ortschaften des Comitats von Sr. Excellenz dem commandirenden Generale geschickt wurde.“

Daß Roth in diesen neuen Aemtern sehr bemüht war für die Aufrechthaltung der gesetzlichen Ordnung, bemüht für Freund

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 408. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_408.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)