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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

gleich bleibt, ob man die Abklärung durch Abfluß nach unten, oder mittelst hydrostatischen Druckes nach oben zu erreichen sucht. Die Klärung geht so schnell vor sich, daß der geregelte Zufluß der trüben Flüssigkeit den unverweilten Abfluß der geklärten bedingt. – Der Werth dieses Fortschritts ist um so mehr unschätzbar, als man ja den größern Maßstab anlegen kann und das Klärmittel sich fast gar nicht abnutzt und immer wieder, auch von einer Art Flüssigkeit zur andern, zu brauchen ist. Apparate dieser Art, welche in der Stunde 30–60 Quart klären, kosten 5 Thaler. Sie können für Wasser, Wein, Cider, Bier, Essig, Spirituosen, Säfte etc. benutzt werden, weshalb die Sache von größtem Interesse für Geschäftsleute aller Branchen und für jede Haushaltung ist. R.




Crinoline von unten und oben. Bei der rastlos fortschreitenden Cultur-Entwicklung der Menschheit in allem Guten und Schönen, in Militär- und Armensteuer-Budgets, durfte auch das weibliche Geschlecht, „der Unterrock in der Weltgeschichte“, wie Wehl einst schrieb, nicht zurückbleiben: die schöne Crinolinen-Glocke muß auch ’ne schöne „Knuppe“ haben. Auch über Kopf und Büste muß Crinoline getragen werden; nicht Crinoline von Stoffen, aus denen Hufeisen und Grobschmiedehämmer gemacht werden, das Stück von zehn Silbergroschen an und doch weit genug für zehn starke Dragoner; nein, Kopf-, Wangen-, Nacken-, Hals und Busen-Crinoline von den feinsten Stoffen à 20 Guineen oder beinahe anderthalbhundert Thalern, dann aber echt.

Diese feine, vollkommenste aller Crinolinen von oben ist neueste, fashionabelste, bezauberndste, kostspieligste Mode in Paris, besonders aber in London, wo sich die Damen höchsten Ranges ohnehin besonders dazu eignen. Die Crinoline von oben schließt ganz eng an und ist zugleich eine Art den ganzen sichtbaren Oberkörper bedeckende, idealisirende Maske mit ungemein wohlthätig wirkenden Eigenschaften für Moral, Manieren und majestätische Junonik (womit wir die berühmte Haltung der Göttin Juno bezeichnen). Doch lernen wir sie kennen und würdigen auf demselben Wege, der den Verfasser dieses Aufsatzes in das Geheimniß einweihte, durch eine in London öffentlich verhandelte Schuldklage.

Die einundzwanzigjährige Professorin der Emaillir-, Glasir- oder Schmelzkunst auf weiblichen Oberhälften, Madame Levison, Directorin des betreffenden Ateliers in New-Bondstreet, der aristokratischen Einkaufsstraße, steht vor Gericht, angeklagt, gewisse Rechnungen nicht bezahlen zu können. Oder nein. Es war vielmehr ein Bankerott-Proceß. Madame Rachel Levison (Firma: „Rachel, Emaillirerin von Damengesichtern“) hatte sich selbst für bankerott erklärt und gebeten, daß das Gericht ihre finanziellen Angelegenheiten und vielen Forderungen an Damen, die sich auf Credit à 20 Guineen von ihr Gesichter hatten machen lassen, in Richtigkeit bringe. Dabei stellte es sich denn klar heraus, wie in Madame Rachel’s „Schönheitstempel“ die crinolinirten Reize der untergeordneten schönen Hälften durch Emaillirung der obern erhöht werden. Wir bewundern Stirnen von Alabaster, glänzende Fülle des Haares, die Milch der Unschuld um die Rosen der Wangen, Schwanenhälse und reizende Rundung, und empfängliche Jünglinge jagen nicht selten hinter solchen erscheinenden Wundern her mit Liebeserklärung- oder wohl gar Heirathsgedanken.

Halt, tollkühner Liebes-Nimrod oder Heirathscandidat! Gebiete Deinen beflügelten Freiersfüßen Umkehr, wie Stahl der preußischen Wissenschaft, ehe es zu spät ist! Willst Du Wickeln von Watte und Baumwolle, eingenähten Stahlreifen, gekauftem oder geborgtem Haar und einem emaillirten, gefärbten, dünnen, ungemein zerbrechlichen, aufgeschmolzenen Puppenkopfe, hinter welchem ungeahnte Schrecken lauern mögen, Dein Herz ausschütten? Auch wenn ein Herz dahinter schlägt, es darf Dir nicht schlagen; auch wenn reizende Wangengrübchen unter dem Aufgusse lauern, sie darf nicht lachen; auch wenn sie sich in reizender Wendung nach Dir umsehen will, sie darf den Kopf nicht wenden; auch wenn sie in Leid und Schmerz an Deinem Halse weinen möchte, sie darf keine Thräne vergießen. Jede Gemüthsbewegung ist lebensgefährlich für den reizenden Ueberguß, die Maske, die Büsten-Crinoline.

Die Sache ist, daß sich in der Gesichts-Emaillir-Professorin Rachel die feinsten Ergebnisse der Chemie und Färbekunst, des Anstreichens, Tünchens und Lackirens vereinigt haben, um den vernachlässigten Büsten des schönen Geschlechts über der hohlen Aufgeblasenheit der Crinoline wieder Reiz und Schönheit zu geben, daß sie von ihren hohen Kundinnen und Beschützerinnen oft noch durch Extravergütigungen bestochen ward, um der einen vor der andern in Ueberlackirung des Kopfes, Halses, Nackens und Busens à 20 Guineen den Vorzug zu geben.

Die Meinungen über den moralischen und ästhetischen Werth dieser kosmetischen Kunst sind sehr getheilt. Die Tugendhaften und Verehrer ungeschminkter Schönheit sprechen von Ehrlichkeit und Offenheit und erklären sich mit Entrüstung gegen diese Lackir-Waare. Modernere und höher gebildete, künstlerische Naturen stellen den Schein des Schönen über unscheinbare, oft häßliche Wirklichkeit. Die überlackirten, unten crinolinirten Damen müssen als Kunstwerke gewürdigt werden, als Bilder in Fett, statt in Oel, als lebendiger Alabaster, als athmende, organische Bildhauerkunstschöpfungen. Kunstwerke haben einen hohen Preis: jedes lackirte Gesicht kostet 20 Guineen. Kunstwerke steigen, wie Wein, mit dem Alter: nur ältere Jungfrauen und Damen lassen sich wegen der Falten und Flecke übertünchen. Die jungen und ärmeren begnügen sich mit Natur und Waschwasser. Kunstwerke werden in der Regel desto höher geschätzt, je zerbrechlicher und vergänglicher sie sind: die lackirten lebendigen Büsten sind sehr zerbrechlich und bekommen ungemein leicht „Risse“. Die zartesten Meißner, Sèvres- oder Peking-Porcellanwaaren erfordern kaum eine zartere Behandlung, als die lebendigen, gerachelten Büsten, in deren Nacken bei der geringsten Wendung Risse oder Sprünge kommen, so daß sie gehen müssen, als litten sie am „Hexenschuß“. Die von Madame Rachel fabricirten Damen müssen vor Staub und Gefühlen, vor Leidenschaft und äußerer, wie innerer Bewegung sorgfältig geschützt und nach jedem Gebrauche in Gesellschaft oder zum Spazierfahren fein säuberlich abgestäubt und aufbewahrt werden, weil die zu oft wiederholte Ausbesserung oder Erneuerung des Ueberzugs mit Deckfarben auch dem Reichen auf die Dauer zu kostspielig werden würde. Die Wirkungen in moralischer Beziehung sind entschieden wohlthätig. So eine überlackirte Dame ist sanft und ruhig. Lachen würde ihre Wangen brechen, eine salzige Thräne sie furchen, ein Zank und Streit das ganze Kunstwerk zerstören. Sie ist conservativ, ewig jung und schön. Wir werden verschont mit dem Anblick der Vergänglichkeit alles Irdischen. Reparaturen in der untern Etage der weiblichen Architektur besorgt billig der Faßbinder oder Grobschmied, in der obern bald jeder Anstreicher, Stubenmaler oder Lackirer von Lederzeug.




Des Dichters Gattin.

Der Krankheit Fessel um die starken Glieder
Liegt dort der Dichter, ein gefang’ner Aar:
Das Aug’ zur Sonne, mit gelähmter Schwinge,
Seit manchem langen, schweren Prüfungsjahr.

5
Der Frühling kommt, es kommen Herbst und Winter,

Und wieder Lenz, mit Duft und Blüthenschnee,
Zieh’n weg den Vorhang, ach! und schau’n dahinter,
Bei’m Kommen wie bei’m Geh’n, das alte Weh.

Wohl fordert’s Kraft, ein solches Loos zu tragen,

10
Wie Gott nur sie dem Erdensohne leiht,

Indem er Engel ihm zur Seite sendet,
Zu stärken ihn in hartbedrängter Zeit.
Gethsemane war nicht die einz’ge Stätte,
Vom Flügelschlag der Engel mild umweht –

15
An Julius Mosen’s schwerem Krankenbette

Schon sechszehn Jahr ein Engel Wache steht!

Der fliegt auf seinen Wink nach allen Winden,
Am Morgen, Abend, und wenn’s wieder tagt;
Er ist ihm Arzt und Priester, Stab und Stütze,

20
Und wieder Schüler und demüth’ge Magd!

Flicht ihm um’s Haupt des Lenzes Blumenglocken –
Speist, sorgsam waltend, täglich Seel’ und Leib –
Und schirmt ihn vor des Winters eis’gen Flocken:
Es ist des deutschen Dichters deutsches Weib.

25
„Was ist die Liebe?“ fragt’ er einst die Runde;[1]

Und Erde, Luft und Meer – sie jauchzten auf!
Und was da athmet, was da lebt und webet,
Es regte sich und gab ihm Antwort drauf.
Doch hatt’ die volle Lösung er nicht funden

30
Des schönsten Räthsels bis zu jener Frist,

Seit welcher Jahr auf Jahr, zu allen Stunden,
Sein Engel offenbart, was Liebe ist.

Louise H…




Kleiner Briefkasten.

A. L. ∞ in Berlin. Ueber Ihren „offenen Brief“ möchten wir Ihnen direct schreiben. Ueber den inliegenden Thaler ist unten quittirt.

Für W. Bauer’s „deutsches Taucherwerk“ sind bis 31. März eingegangen: Vom Gewerbeverein zu Waldheim 5 Thlr., von Gutsbesitzer Weyl auf Paulshofs bei Angerburg 1 Thlr., ein Leser der Gartenl. 3 Sgr., Pf. u. SuP. Stern in Marggrabow (Ostpreußen) 1 Thlr., Frl. Lina Schäfer am Theater zu Mannheim 2 Thlr., G. R. daselbst 3 Sgr., H. Ohm zu Hochwald b. Gottesberg 2 Thlr., Rasch 1 Thlr., A. L. ∞ in Berlin 1 Thlr., Dr. Asch in Breslau 1 Thl., A. K. in Bamberg 2 Thlr., Schwabbaner in Kuhnsdorf „G. m. n.“ 1 Thlr., E. E. Bock in Leipzig 2 Thlr, Findeisen in Korpitsch 15 Sgr., durch W. H. in Schwarzwald (Posen) 1 Thlr., vom Comite für Kunst und Wissenschaft zu Ottersberg 2 Thlr. 15 Sgr., von Past. Dr. Spiegel in Osnabrück 1 Thlr., durch Gebr. Nübling in Ulm von A. R. W. 1 Thlr. 10 Sgr., G. N. 1 Thlr., A. N. D. 20 Sgr., F. in L. 1 Thlr., durch die Pfeffer’sche Buchhdlg. in Calbe v. F. H. S. 3 Thlr., durch F. Beyme zu Rudnik bei Buk (Posen) von Mitgl. des deutschen Nationalvereins 10 Thlr., durch Carl Fromme (Tendler u. C.) in Wien von Mitgl. des österr. Ingenieur-Vereins 10 fl. 90 Xr., von einem Leser d. Gartenl. 30 Xr., von neun Lesern der Gartenl. 1 fl. 80 Xr., von A. B. in Pforte 1 Thlr., durch M. in Cosw. v. Lesern d. Gartenl. 2 Thlr., von einigen Deutschen in Petersburg die noch Deutsche sind, 1/2 Imperial, durch Posterp. H. Hinrichs in Berka a. d. Ilm 20 Sgr., von S. u. W. 1 Thlr. 10 Sgr., aus Lucka bei Altenburg 1 Thlr. 15 Sgr., 13 Thlr. 7 1/2 Rgr., gesammelt beim Rechnungsschmause des Bürgervereins in Leipzig, abgeliefert durch Herrn Hausen.

P. R. u. K. D. in O. Das Quittiren für die Beisteuern zu W. Bauer’s Taucherwerk kann durch uns nur in der Gartenlaube, nicht zugleich in der Weserzeitung oder im Courier geschehen.

H. O. und viele Andere. Viele unserer Leser und Correspondenten sprechen die Ansicht aus, daß ein Aufschlag der Gartenl. um 2–3 Sgr. der kürzeste Weg sei zur Sicherung des W. Bauer’schen Unternehmens. Dagegen ist ein für allemal zu erwidern, daß nur die freie Gabe den Mann ehrt und die Gartenlaube ihre Freunde viel zu hoch achtet, um sich gegen sie bei solcher Gelegenheit den geringsten Zwang zu erlauben, auch wenn sie sich ein Recht dazu anmaßen dürfte.

Expedition des A. Kreisblatts. Sie irren; die Redaction d. Gartenl. hat durchaus nicht erklärt, Beiträge für W. Bauer’s Taucherwerk nur bis Ende März d. J. anzunehmen Im Gegentheil: die Beiträge sollen nun, so hoffen wir, erst recht in Fluß kommen. Der Schluß der Sammlung wird öffentlich durch das Central-Comité erklärt, sobald

sie vollendet ist.


  1. „Offenbarung der Liebe“, von Mosen.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_240.jpg&oldid=- (Version vom 18.4.2023)