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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

ihnen standen im Zusammenhange, einige traten einzeln als Zeichen der Zeitstimmung hervor.

Außer einzelnen anderen Unternehmungen hatte Eugen v. Hirschfeld, ein preußischer Husaren-Lieutenant, mit mehreren preußischen Offizieren den kühnen Entschluß gefaßt, der König Jerome selbst in seiner Hauptstadt Cassel auszuheben und dann das Land zu befreien. Im Februar 1809 sollte der Plan ausgeführt werden; Graf Chassot verhinderte es, indem er dem allzu kühnen Hirschfeld zu jener Zeit Stadtarrest in Berlin gab, weil er den rechten Augenblick noch nicht gekommen glaubte. Diesem Plane schloß sich der Major von Dörenberg an, der in Hessen das Landvolk zu einem Handstreiche auf Cassel gewonnen hatte. Ehe dieser dazu kam, wirkte der preußische Hauptmann von Katte in der Altmark, gewann viele alte Officiere und Soldaten für sich, um Magdeburg, zu dessen Thor er schon die Schlüssel besaß, zu nehmen und von dort aus die Bewegung weiter zu pflanzen. Wie dieser Plan endigte, erzählen wir unten ausführlich. Auch Dörenberg’s Handstreich auf Cassel am 21. April mißlang. Sieben Tage später zog Ferdinand v. Schill mit seinem Regimente aus Berlin aus, zu einem gleichen Unternehmen, zur Erhebung des Volkes in Westphalen. Sein Unternehmen schien anfangs vom Glück begünstigt zu sein, tragisch endete es, wie er selbst, am 31. Mai zu Stralsund.

Sein Unglück konnte Männer von edlem, entschlossenem Charakter nicht entmuthigen – es galt der Freiheit des ganzen deutschen Vaterlandes. Zwei preußische Officiere, v. Wersebe und v. Hake, hatten eine Volkserhebung von der Weser bis zum Harze vorbereitet. Anfang Juli gingen sie mit Geld, Gewehren und Munition die Weser hinauf. England hielt noch Geld und Waffen bereit. Am 8. Juli sollte von Emden und Hannover bis auf den Harz Alles gleichzeitig in Flammen stehen. In Hannover, Braunschweig und Hildesheim war Alles bereit – da schickte Graf Münster, der in all die Unternehmungen eingeweiht war, den Gegenbefehl, und das Unternehmen unterblieb.

Gleichzeitig war der Herzog Friedrich Wilhelm von Braunschweig-Oels, der bei Nachod in Böhmen ein kleines Heer gesammelt hatte, um damit nach Westphalen zu ziehen und den Aufstand des Volkes zu unterstützen, aufgebrochen. Bekanntlich mußte er sich tapfer kämpfend durchschlagen, bis es ihm gelang, sich mit seiner muthigen schwarzen Schaar nach England einzuschiffen.

Es ist nicht zu leugnen, daß all diese Unternehmungen daran scheiterten, daß sie zu ungenügend vorbereitet und vereinzelt auftraten. Aber sie zeigten, welche Stimmung herrschte, und diese Stimmung war in der That damals eine allgemeine, es war ein fast fieberhaftes Sehnen nach Freiheit. Unter dem Schutze der höchsten Personen, der Königin Louise, des Grafen Münster, Tauentzien’s, von Grabow’s, Blücher’s, Gneisenau’s u. s. w. hatte sich der sogenannte Tugendbund gebildet. In Preußen war ein gegen das Franzosenthum gerichteter Verein entstanden, dessen Comité in Berlin war. Graf Chassot stand an der Spitze desselben. England, dem viel daran gelegen war, in dem nordwestlichen Deutschland einen Aufstand hervorzurufen oder das Land zum wenigsten in fortwährender Aufregung zu erhalten, stand mir dem Comité in Verbindung und unterstützte es durch Geld. Graf Münster’s treuer Freund, Eduard Nicolas, weilte in England und war der fortwährende Vermittler. Unter dem Schutze jener Personen war auch das von Katte gegen Magdeburg gerichtete Unternehmen entstanden und herangereift, und sie blieben bis zum letzten Augenblicke damit in Verbindung.

Karl Friedrich von Katte, Hauptmann a. D., aus dem Hause Zellchow, nach welchem das ganze gegen Magdeburg gerichtete Unternehmen später genannt wurde, war früher Lieutenant in dem lange Zeit in der Altmark stationirten Regimente Tschammer gewesen. Er war nicht der erste Urheber des Unternehmens. Der Plan war von dem Comité in Berlin, namentlich von Tauentzien, Gneisenau und Blücher ausgegangen. Schon im Herbste 1808 hatte der Lieutenant von Lobenthal von demselben Regimente Tschammer Katte in den Plan eingeweiht, und dieser hatte ihn mit glühender Begeisterung erfaßt. Er wohnte in Stendal (beim Zinngießer Bilang in dem Eckhause der Breiten Straße nach dem Alten Dorfe zu, wo jetzt der Kaufmann Köppen wohnt), war in der Altmark und namentlich mit vielen der alten Soldaten genau bekannt.

Die Bauern in der Altmark sollten nämlich nach dem Plane des Comité’s zu einer Erhebung vorbereitet werden. Durch einen Handstreich wollte man sich der Festung Magdeburg bemächtigen, wo der im Ganzen wenig entschlossene Divisionsgeneral Michaud Gouverneur war und des spanischen Krieges wegen nur eine geringe Besatzung lag, welche zum größten Theile aus früheren preußischen Soldaten bestand. Auf die Festung gestützt, wollte man dann den Aufstand weiter nach dem Harz, nach Hessen und Westphalen verpflanzen, wo mehrere frühere preußische Officiere und eine Anzahl geheimer Agenten thätig waren, von dortigen Patrioten unterstützt, das Volk zu einer Erhebung vorzubereiten und dieselbe zu organisiren. Es betheiligten sich vorzugsweise folgende preußische Officiere, die von Anfang an in den Plan eingeweiht waren, an dem Unternehmen: die beiden Lieutenants Eugen und Moritz von Hirschfeld, beide früher in dem preußischen Husarenregiment von Köhler, der Lieutenant von Tempski, der als Agent unter dem Namen Thilau umherreiste und außerordentlich thätig war, Katte’s Schwager, der Lieutenant Karl Adam von Gagern von dem Regimente Tschammer, der in Gardelegen wohnte (Beider Frauen waren geborene von Alvensleben aus Ziethau, eine Stunde von Gardelegen entfernt), und der Lieutenant von Lobenthal von demselben Regimente.

Katte, ein mittelgroßer Mann, untersetzt und zu Strapazen geeignet, war ein entschlossener Soldat, mit einem lustigen, aber zugleich wilden und oft heftigen Sinne. Seine schwarzbraunen Haare, ein starker Backenbart, ein paar graue, scharf fixirende Augen gaben ihm ein finsteres Aussehen. Schon längere Zeit inactiv, von Haß gegen die Franzosen erfüllt, begrüßte er das Unternehmen mit Freude. Wie seine Cameraden war er entschlossen, Blut und Leben an die Freiheit zu setzen. In der Altmark war er genau bekannt und schon gegen Ende des Jahres 1808 unablässig thätig, dort Verbindungen anzuknüpfen und vertraute, patriotisch gesinnte Männer zu gewinnen. Alle früheren Soldaten kamen ihm mit offenen Armen entgegen, und aus dem Bürger- und Bauernstande konnte er auf manchen kräftigen Arm rechnen.

Ebenso thätig war Tempski, der während der ganzen Zeit unterwegs war, um in jedem Orte Männer zu gewinnen, auf die man sich verlassen konnte und welche im Stillen weiter wirkten. In Stendal, Tangermünde, Gardelegen und in der Umgegend knüpfte er mit Verschiedenen Verbindungen an.

Am meisten nützte dem Unternehmen vielleicht Eugen v. Hirschfeld, dessen tollkühner Plan, den König Jerôme inmitten seiner Hauptstadt auszuheben und nach einem alten Schlosse am Harze zu führen, nicht zur Ausführung gekommen war. Ein kleiner, rüstiger, ewig beweglicher Mann von ungefähr dreißig Jahren, fiel er schon durch sein entschiedenes tollkühnes Aussehen auf, durch seinen trotzigen Blick und durch den weißen Ueberrock, den er immer trug. Trotzdem bewegte er sich in der kühnsten Weise inmitten von Polizeispionen und Gensd’armen, denen er längst verdächtig war, doch mit größter Gewandtheit stets zu entkommen wußte. Bald war er in Cassel, um mit Wilhelm v. Dörenberg sich zu besprechen, bald in Homburg in Hessen, um von Steins Schwester, der Aebtissin des dortigen Klosters Wallerstein, über die dortigen Verhältnisse unterrichtet zu werden, bald auf dem Harze, dort unter den Bergbewohnern das Feuer zu schüren, bald in Halle, um seine Verbindung mit dem Professor Steffens zum Nutzen des Unternehmens auszubeuten, bald wieder in Berlin, um mit Schill und den Mitgliedern des Comité’s und des geheimen Bundes zu berathen. Dann durchstreifte er die Altmark, um mit verwegenem Muthe sich nach Magdeburg zu begeben und dort unter den Bürgern und der Garnison Vertraute zu erwerben. Er liebte das Rastlose und Abenteuerliche, und selten zu Verkleidungen seine Zuflucht nehmend, trat er überall in seinem weißen Ueberrocke auf und war jedesmal verschwunden, wenn die Polizei ihn zu verhaften kam.

Er kannte die Stärke der westphälischen und französischen Truppen in der ganzen Gegend, wußte um ihre Märsche und Bewegungen und kannte die Eigenschaften ihrer Anführer. In Magdeburg wagte er sich sogar wiederholt in die Restauration und Delicatessenhandlung von Moses Decourt in der Münzstraße, wo die französischen Officiere viel verkehrten. Er knüpfte mit einigen von ihnen, selbst mit dem General-Commissair der Polizei, Moïsez, Bekanntschaft an und bewegte sich in ihrem Kreise auf das Ungenirteste.

Unterstützt wurde er in Magdeburg durch einen früheren Unterofficier beim Regiment von Knobelsdorf, welchem auch Katte früher angehört hatte, mit Namen Johann Wulff aus Lüderitz,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 829. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_829.jpg&oldid=- (Version vom 24.12.2022)