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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)


Die Enthüllung des Lutherdenkmals zu Möhra.


Das Lutherdenkmal zu Möhra.





und pflegt, hat mir alle Freud’ verdorben! Dein Willen, Vater, Dein Segen hat mir dabei gefehlt … d’rum hab’ ich nit geruht, bis wir unsere Sachen zusammenpackt haben und sind heraus zu Dir …“

„Vesi,“ rief der Holzgraf, der seine Bewegung immer vergeblicher zu bemeistern strebte, „Vesi – sag’ mir die Wahrheit … Das hättet Ihr … das hätt’st Du gethan? Aber warum denn? – Hilf mir d’rauf, damit ich’s begreif’ … warum solltest Du das Alles gethan haben?“

„O Vater,“ schluchzte Vesi, „wie kannst Du so fragen? – Warum sonst, als weil ich Deine Tochter sein und bleiben will – weil ich Dich gern hab’ von Herzensgrund und so wenig von Dir lassen kann, als von mein’ guten Domin. …“

Der Holzgraf richtete sich hoch auf und hob die Arme zum Himmel – „Sie hat mich gern!“ rief er erschüttert. „Es giebt doch noch Jemand auf der Welt, der mich gern hat …“ Damit brach ihm die Stimme und unter stürzenden Thränen hob er Vesi empor, drückte sie an die Brust und verbarg das Gesicht an Ihrer Schulter.

Während der Umarmung trat Domini hinzu, der inzwischen, des Ausgangs gewärtig, vor der Thüre gestanden hatte. Er trug einen schlafenden, etwa vierjährigen Knaben auf dem Arm. „Grüß Gott, Schwiegervater,“ sagte er, indem er dem erstaunt empor Blickenden die Hand hinstreckte, „der kleine Korby da auf meinem Arm, Euer Enkel, kann Euch jetzt nicht Grüßgott sagen, er ist eingeschlafen vor Müdigkeit!“

„Wie ist mir denn?“ rief Korby. „Es ist mir ja auf einmal ganz leicht und warm um’s Herz! Ich glaube gar, ich hab’ das Weinen wieder gelernt …“

Er fuhr sich mit beiden Händen an die strömenden Augen.

„Ja,“ rief er, indem er ans Vesi’s Umarmung in die Kniee zusammensank … „ja – ich Hab’ das Weinen wieder gelernt … und das Beten auch … o Du gnädiger Herrgott im Himmel droben … ich dank’ Dir!“

- – – Am andern Tage verließ die wiedervereinigte Familie das Thurmgemach und den Durnerhof. In Oberammergau wurde eine kleine hübsche Wohnung gemiethet, denn Domini hatte ein schönes Stück Geld verdient und konnte sich bequem und behaglich einrichten, um als Bildschnitzer wieder fortzuarbeiten, wie vorher. Mit neuer Rührigkeit ging er daran, Vesi begann als Hausfrau zu schalten und zu walten im Hause; der Holzgraf wollte dem gegenüber nicht müßig erscheinen und hatte sich in der Nachbarschaft als Knecht verdungen. So konnte es nicht fehlen, daß in dem kleinen Hause mit den neuen Bewohnern auch die Freude einzog und die Zufriedenheit. Abends fehlte fast nie Pater Ottmar, der sowohl wegen seines Zöglings kam, als wegen des Holzgrafen, der ihm durch das bewiesene Vertrauen und die eingetretene Sinnesänderung werth geworden war. Seelenvergnügt schlug Korby in die Hand des Paters ein, wenn dieser sie ihm zu Gruße entgegen strecke und ihm vertraulich und halb heimlich zuflüsterte: „So ist’s recht, Korby, jetzt seid Ihr auf dem rechten Wege! Arbeit ist das einzige Mittel, welches das Gleichgewicht herstellt zwischen Leib und Seele, und mit dem Gebet der einzige Balsam, der sie kräftig und geschmeidig erhält alle Beide!“ – Dann wandte er sich wohl auch an Domini und wollte wissen, ob er seine frühern Träume, als Bildhauer Ehre und Ruhm erwerben zu wollen, wirklich so ganz aufgegeben haben. Dieser lachte dann und sagte: „Ich habe sie aufgegeben und bin froh, daß es so gekommen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 485. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_485.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)