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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

     Tenor-Solo.
O naht der Männer Kreise, holde Frau’n,
Ihr ernstes Ringen huldvoll anzuschaun,
Zu wallen bei des droh’nden Kampfs Gebahrung
In heil’ger Sitte, höhern Rechtes Wahrung.
Ja, Frauensinn kann nimmer fehlen,
Mit dem ihr seid, der wird das Rechte wählen,
Zu dem ihr steht, der muß das Feld behalten,
Im Banne kämpft er höherer Gewalten.

     Chor.
Laßt die Feier denn beginnen,
Schalle, deutscher Männer Chor,
Und als heil’ge Priesterinnen,
Tretet, holde Frau’n, hervor!
Neu die Gluthen anzufachen
Auf des Vaterlandes Heerd,
Treu die Keime zu bewachen,
Die der Frühling uns bescheert.

Schaut ihr den Himmel in Flammen?
Alle zum Schwure schließt euch zusammen:
Zu halten am Vaterlande,
Zu sprengen des Wahnes Bande,
Wieder zu lösen den alten Ruhm,
Den Volkes Heiligthum
Neu zu erbauen!
Das Banner Schwarz-Roth-Gold voran,
Bald bricht der Sieges-Morgen an –
Und sollt’ unser Blut ihn bethauen!

 Baß-Solo mit Chor.

Solo.  Gedenkt der Todten!
Die in den Kämpfen dieser Zeit
Mit ihrem Blut genetzt den Boden.
Chor.       Die Todten! Gedenkt der Todten!
Solo. Umweht’s euch nicht wie Geistergrauen?
Seht sie, gleich Eideshelfern, auf euch schauen,
(Chor.   Die Todten, die Todten!)
Solo. Die Finger in den Wundenmalen,
Sie mahnen euch, die Schuld zu zahlen:
(Chor.   Die Todten!)
Solo. Ja, ob’s auch spät und heiß errungen werde,
Ein Land, ein Volk, so weit die deutsche Erde!
Chor. Ein Land, ein Volk, so weil dir deutsche Erde!

 Schluß-Chor.
Und jetzt, den Lenz zu verkünden,
Zieht rings durch das deutsche Land,
Von Gau zu Gau soll zünden
Der heil’ge Völkerbrand.

 S.




Der große Brand in Glarus.

Als vor neunzehn Jahren die Schreckenskunde vom Brande Hamburgs durch alle Lande flog, erzitterten die Herzen der Menschen vor dem großen, nie geahnten Unglück, welches die blühende, reiche, in der ganzen Welt bekannte Handelsstadt getroffen, und von Nah und Fern strömten Gaben mildherziger Liebe herbei, um die Noth der Betroffenen nach besten Kräften zu lindern. Ein verhältnismäßig weit größeres Unglück hat jedoch vor wenigen Wochen den rührigen und wohlhabenden Hauptort des Schweizer-Kantons Glarus heimgesucht, denn er ist in einer einzigen Nacht fast vollständig ein Raub der Flammen geworden; von seinen 4000 Einwohnern haben gegen 3000 nur das nackte Leben zu retten vermocht, während der eigentliche Flecken selbst, der größte, schönste, werthvollste Theil desselben, durch das furchtbare Element vollständig zerstört worden ist.

Der Flecken Glarus – wir hoffen nächstens eine gute Abbildung zu geben – liegt ungemein schön. Durch ein großartiges Gebirgsthor tritt man vom Norden her in das etwa eine Viertelstunde breite Linth- oder Großthal ein, in welchem am Fuße himmelhoher Bergriesen der genannte Hauptort des Kantons gelegen ist. In der Thaltiefe (südlich) erhebt sich der Kärpf in schneeigem Gewande, rechts (westlich) steigt die Felsenpyramide des Glärnisch empor, links (östlich) der drohende Schilt (über 7000 Fuß hoch), nach Norden scheint das Thal vom mächtigen Wiggis abgeschlossen. Unmittelbar am Fuße der düstern Pyramide des Glärnisch (Vorderglärnisch), der sich mehr als 6500 Fuß über das Meer und über 5000 Fuß über die Thalsohle erhebt, erblickt man den Flecken Glarus mit den anschließenden, aber selbstständigen Nebenorten Ennenda und Ennetbühl, die sich gegen den Rücken des Schilt hinaufziehen. Die Bergriesen scheinen den Flecken in nächster Nähe im Kreise zu umschließen und keinen Ausgang zu lassen. Als wollten sie die Ortschaft, welche nicht einer günstigen Lage, sondern einzig menschlichem Fleiß ihr Entstehen verdankt, als treue Wächter vor aller Unbill schützen, stehen sie da, die Zeugen der frühesten Zeiten der Erde. Nachdem sie Jahrtausende nur düstern Wald unter sich gesehen, scheinen sie sich jetzt am fröhlichen Treiben behäbiger Menschen zu ergötzen. In ihrem Schooße aber tragen die gewaltigen Recken böse Tücken, und so treu besorgt für das Thal sie aussehen, so schlimm spielen sie zuweilen den Thalbewohnern durch Wasserstürze und Lawinen, vor allem aber durch Sturmwinde mit, von deren Gewalt man außerhalb des Thales keine Vorstellung hat. In Minuten übler Laune lassen die südlichen Riesen den wilden Föhn aus mächtigen Lungen über das blühende Thal los, als wollten sie die Ortschaften zu ihren Füßen in einem Zuge vom Erdboden wegblasen. Da auch in der Schreckensnacht vom 10. auf den 11. Mai, in welcher Glarus ein Raub der Flammen wurde, der Föhn losbrach und dadurch es der Menschengewalt unmöglich machte, dem furchtbar entfesselten Elemente nachhaltigen Widerstand zu leisten, so möge hier für Leser, welche die Gewalt des Föhns noch nicht kennen, eine kurze Schilderung desselben, wie wir sie in dem so eben erschienenen Schriftchen des Schweizerhauptmanns Senn lesen, folgen.

Zehn bis zwölf Mal des Jahres braust von den südlichen Bergriesen herab ein wüthender Orkan, der sich schon aus weiter Ferne durch ein unheimliches Tosen in den Bergen und durch ein wildes Rauschen in den Wäldern ankündigt. Bald durchstürmt er dann mit furchtbarer Gewalt das Thal, deckt nicht selten Häuser und Stämme ab, entwurzelt Bäume, schmettert Felsen von den kahlen Berggipfeln nieder und versetzt die ganze Natur in grausigen Aufruhr. Plötzlich verstummt der Orkan, als wäre er über sein eigenes Wüthen erschrocken, um nach einigen Minuten mit erneuter Gewalt loszubrechen. Das ist der „wilde Föhn“, eine der furchtbarsten Erscheinungen der Gebirgswelt.

Der wilde Gast kündigt sich immer durch Wolken an, welche sich um die südlichen Berggruppen lagern. Am Abend und Morgen ist der Himmel dann stark geröthet, die höheren Wolken zeigen prächtiges Farbenspiel, während die untern grau und düster herabdrohen. Bleich, als wäre sie wegen des tückischen Gesellen im Schrecken, der auf den Moment des Losbrechens lauert, steigt die Sonne Morgens am Himmel auf. – Ist der Föhn einmal losgebrochen, so stürmt er in der Regel ein paar Tage hindurch, oft nur im Hinterland, andere Male das ganze Land entlang, über den Wallensee bis Zürich hin. Nicht immer ist er verderblich, oft zahm und dann im Frühjahr segensreich. Ist er aber im Grimme, so wird er zur Landesgeißel. Gegen die Tücken des Föhnsturms, der bei einem Brande besonders verderblich wird, haben sich die Glarner seit alter Zeit durch strenge Verordnungen in Sachen der Feuerpolizei möglichst zu schützen gesucht. Während der Föhn geht, sind besondere Wächter in den Ortschaften bestellt; alle Feuerarbeiter müssen ihre Arbeiten einstellen, es darf kein Brod gebacken, in Mollis nicht einmal gekocht werden. – Daß diese Anordnungen nicht überflüssig sind, hat das Unglück vom 10. Mai bewiesen. Bricht während des Föhnsturms in einer Ortschaft Feuer aus, so ist es um dieselbe geschehen. Mit rasender Gier, vom wilden Orkan gepeitscht, verschlingt der Brand dann Haus um Haus und ruht nicht, bis Alles in Asche liegt.

Am vergangenen 9. Mai hatte sich das Glarner Volk zur Landesgemeinde in Glarus versammelt und unter anderen auch einen Antrag auf theilweise Revision des oben erwähnten strengen Feuerpolizeigesetzes verhandelt und zurückgewiesen. Der Ehrentag des Glarner Volkes verlief in würdiger Ruhe. Der folgende Tag (Freitag) kündigte den Besuch des Föhn an. Niemand fürchtete Arges von ihm. Wurden ja doch die allgemein vorgeschriebenen Vorsichtsmaßregeln für Verwahrung von Feuer und Licht wie sonst getroffen, und war der Föhnwind doch lange nicht mehr im Bunde mit Feuerflammen erschienen.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 366. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_366.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)