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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

„Es muß aber ein Jäger, der ein Schwein fangen und stechen will, also stehen, daß er mit der linken Hand den Spieß regiere, und mit der rechten nachdrucke; so muß er die Füße auch also setzen, daß der linke Schenkel unter der linken Hand und der rechte unter der rechten Hand fest und unbeweglich stehe. Man muß fein nach der linken Hand zum Schweine gehen und dann nach Gelegenheit, wann es die Noth erfordert, wiederum ein wenig zurücke treten und gute Achtung auf des Schweines Kopff oder Stirne geben, wie es denselbigen wendet, und ein vorsichtig Treffen mit dem Thier thun, daß man es nicht auf den Kopfs treffe, sonst schlägt es einem den Spieß aus, und wann dies geschieht, so muß der Jäger vor sich mit dem Bauch und Angesicht auf die Erde fallen, so kann ihme der Hauer keinen Schaden zufügen. Wann er aber stehen bliebe, so thäte es ihm gewißlich einen großen Schaden. – Eine Bache aber, obwohl sie mit ihren Zähnen nicht sehr schaden kann, so beißet sie ihn doch und machet ihme auf dem Rucken ein Hoff-Recht mit den Füßen, daß ihme nicht wohlgefällt. Darum soll ein Jäger allezeit Gesellschaft bei ihme haben, die ihn im Nothfall entsetzen können, dann da muß einer balden dem Schwein einen andern Spieß für die Nasen halten.“

Ziemlich verbreitet ist die Annahme, daß man in früherer Zeit die Hatzhunde dahin dressirt habe, die Sauen kreuzweise bei den Gehören zu packen, sodaß der links gehende Hund das rechte Gehör, der rechte Hund aber das linke Gehör ergreift. – Referent hat sich vergebens bei den ältesten Jägern nach einer Bestätigung dieser Fangmethode umgesehen. Es mag vorkommen, daß ein einzelner großer Hund eine Sau über Kreuz packt, allein es ist nicht abzusehen, wie alsdann der zweite Hund über den ersten hinweg zu dem andern Gehör gelangen soll. Im Naturtrieb der Hunde liegt dies sonderbare Experiment durchaus nicht, denn auf der Streifhatze z. B. sieht man die Hunde rings um die gedeckte Sau stehen, die Köpfe niedrig und die Ruthen hoch – sie haben zunächst die Hinter- und Vorderläufe, als die bewegenden Theile, ferner besonders den Bart unter den Kinnbacken und das lange borstige Haar an den Bauchseiten gefaßt. Erst die später ankommenden Hunde ergreifen die Gehöre und zwar von derselben Seite, von welcher sie herankommen, sodaß eine derartig gedeckte Sau unten kranzförmig von den Hunden umgeben ist, während der ganze obere Körper frei ist.




Ein Deutscher

Roman aus der amerikanischen Gesellschaft.
Von Otto Ruppius.
(Fortsetzung.)


Als Harriet Reichardt auf der Piazza von Congreßhall verlassen, hatte er wie in einem halben Rausche die nöthigen Schritte für seine Umwandlung zum Gentleman gethan. Schwer war ihm dies aber geworden, als er, aus der „Office“ tretend, den kleinen Dirigenten mit rothem Gesichte auf sich zukommen sah. „Der Donner, wo stecken Sie denn? es geht los! rasch!“ – Reichardt mochte den treuherzigen Alten nicht mit der Lüge narren, daß er nur „aus einer tollen Laune“ mit hierhergegangen sei. Er sagte ihm, daß er hier plötzlich Bekannte gefunden, die ihm helfen wollten, aber sein ferneres Zumtanzespielen nicht dulden möchten, und daß die Musiker sich jetzt ohne ihn behelfen müßten. Das erschrockene Gesicht des Mannes, der so etwas für „absolut unmöglich“ erklärte, wenn er nicht halb ruinirt sein solle, that ihm fast weh – zum Glück aber erschien einer der Aufwärter, welcher „den Gentleman nach seinem Zimmer führen wollte“, und so hatte Reichardt kurzen Abschied genommen und den Alten mit aufgerissenen Augen und halboffenem Munde stehen lassen.

Als er aber in dem ihm angewiesenen Zimmer eine Viertelstunde lang auf- und abgeschritten und das erregte Blut zur Ruhe gekommen war, hatten sich unangenehm nüchterne Betrachtungen eingestellt, denen er selbst dann kaum begegnen konnte, wenn er sich auf’s Neue Harriet’s ganzes Wesen, dessen eigenthümliche Energie ihn zu seinem jetzigen Entschlusse getrieben, wieder vor die Augen stellte. Sie hatte ihm die Aussicht zu einer Existenz in Tennessee eröffnet – wo aber sollte er das Geld zu der Reise hernehmen? Das war der Gedanke, der jeden andern zu verdrängen begann. Was er besaß, reichte wohl nicht zum dritten Theile hin, und sie, wenn sie ihn nach seinem Aeußern beurtheilt hatte, konnte kaum vermuthen, daß er so arm sei, als er wirklich war.

Er begriff fast nicht, wie er seine eigenen Verhältnisse so hatte vergessen können, und erst als Harriet’s leuchtender Blick und der warme Ton, mit welchem sie ihm entgegengetreten war, vor ihm wieder auftauchten, fand er eine Erklärung. „Abwarten!“ sagte er vor sich hin, „abwarten, bis man Näheres erfährt; im schlimmsten Falle ist nur ein augenblicklicher Verdienst verloren!“ Er entkleidete sich halb, warf sich auf das Bett und ließ die letzten Scenen des Abends noch einmal an sich vorüberziehen. Er konnte die Aufregung, welche ihn überkommen gehabt, verstehen. Dennoch trieb jetzt die Erinnerung seinen Puls nicht um einen Schlag rascher, und als er endlich einschlief, waren es Margaret’s blaue Augen, die zuletzt noch vor ihm standen, er wußte nicht, wann, noch wie sie gekommen.

Als er am andern Morgen zeitig nach dem Frühstück hinabging, nahm er sich vor, in möglichster Schnelle die Entscheidung seines nächsten Schicksals herbeizuführen. Er war nicht in der Lage, lange den Badegast zu spielen. Als er aber die Office des Hotels betrat, reichte ihm der Buchhalter einen sorgfältig geschlossenen Brief über das Schreibepult. Reichardt las etwas überrascht seine correcte Adresse in feinen Schriftzügen, und mit einer halben Ahnung von der Person des Absenders zog er sich nach einem Fenster zurück, dort das Couvert öffnend. Eine Banknote von hundert Dollars fiel in seine Hand, als er die Zuschrift entfaltete, und mit sonderbar gemischten Gefühlen las er:

„Max Reichardt, Esq.

Jetzt ist es doch wenigstens möglich, Ihnen einige Zeilen zugehen zu lassen. Sie sehen, ich kann bereits Ihren Namen richtig schreiben und werde ihn auch bald aussprechen lernen. Margaret hat mir versprochen, ihn mir jeden Tag zwei Dutzend Mal vorzusagen. Eitel brauchen Sie indessen nicht darauf zu werden, denn es ist nur die Nothwendigkeit, welche die Maßregel veranlaßt. Da es verabredet ist, daß ich mit Margaret und ihrem Vater einen längeren Ausflug unternehme, um dann in New-York mit meinem Vater, der sich bereits dort befindet, zusammenzutreffen, so werden wir uns in der ersten Zeit nicht wiedersehen, und da Ihnen das langweilige Saratoga jetzt kaum viel bieten kann, so nehme ich jetzt Ihr Versprechen, meinem Rathe zu folgen, in Anspruch. Untenstehend finden Sie die genaue Bezeichnung unserer Tennessee-Heimath, welche Sie auch zu der Ihrigen machen sollen, mit der Angabe des Weges, den Sie am besten wählen, und da ich mir denken kann, daß Ihr heutiges Nigger-Debut nicht stattgefunden hätte, wenn Sie Ueberfluß an Mitteln besaßen, so lege ich Ihnen das Reisegeld bei, das ich mir, sobald Ihre Existenz gesichert ist, an der betreffenden Stelle zurückerstatten lassen werde. Sie nehmen also nichts von mir geliehen, sondern ich mache den Vorschuß für Leute, die mir dadurch auf’s Aeußerste verbunden sein werden, und Ihr Zartgefühl oder Stolz hat wenigstens nichts mit mir zu thun.

Sobald Sie in unserm Städtchen ankommen, fragen Sie nach Rev. Mr. Ellis, dem Prediger der Episkopalkirche. Unsere schöne, neue Orgel ist bereits zwei Monate fertig, noch immer aber ist kein Organist da, und Jeder pfuscht darauf herum, der ein Bischen Piano klimpern kann. Ebenso ist es ein Jammer um unser Chor, und wenn die Methodisten nicht noch um die Hälfte schlechter sängen, hätten wir uns schon längst schämen müssen. Ich habe soeben an Mr. Ellis geschrieben, und da Sie sich der Ordnung Ihrer Angelegenheiten halber doch wohl noch einen oder zwei Tage in New-York auszuhalten haben, so werden Sie jedenfalls erst nach Ankunft meines Briefes bei ihm eintreffen. Wegen Ihres Gehalts, das von der Gemeinde bestritten werden muß, erwähnen Sie nichts, das macht sich Alles besser, wenn ich selbst wieder da

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 238. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_238.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)