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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

sonst in zehn Minuten bei einem denkenden guten Freunde von selbst anwandelt, oft auch bei einem vortrefflichen Buche oder unter offenem Himmel.“

Trotz alledem war er so fleißig als möglich, namentlich überarbeitete er nochmals seine „Louise Millerin“ und bot sie – vergebens – dem Buchhändler Wergand in Leipzig an. Dies neue Mißlingen würde ihn sicherlich noch tiefer verstimmt haben, wäre nicht gleichzeitig, ganz unerwartet, ein Brief von Talberg aus Mannheim eingegangen, der wohl endlich fühlen mochte, wie sehr er sich an Schiller vergangen, wie sehr er aber auch zugleich sich und seiner Bühne dadurch geschadet, daß er versäumt hatte, einen so hochbegabten Geist, wie den jungen Dichter, der sich ihm vertrauensvoll die Arme geworfen, fest an sich zu binden, nun wieder gut zu machen suchte und um Zusendung des neuen Stückes bat.

Reinwald’s Gartenhaus.

Schiller war klug genug, die ihm dargebotene Hand nicht hastig zu ergreifen, sie aber auch nicht von sich zu stoßen. Das letztere um so weniger, als eine Mittheilung der Frau von Wolzogen ihn von Neuem in die Besorgniß versetzte, er werde nicht lange mehr in Bauerbach bleiben können. Sie schrieb ihm nämlich, ein Herr von Winckelmann (aus Meiningen gebürtig und Officier der Nobelgarde des Herzogs von Würtemberg) wolle sie auf ihrer nächsten Frühjahrsreise nach der Heimath durchaus begleiten. Schiller kannte jenen Herrn recht wohl von Stuttgart her, und der wunderbare Instinct der Eifersucht ließ ihm überdies – mit Recht – in demselben einen Nebenbuhler um das Herz Charlottens ahnen. Er schrieb deshalb an seine mütterliche Freundin einen Brief, in welchem sich der ganze Schmerz seiner Seele offenbart: „Wenn sich Herr von W. mit Ihnen in Meiningen einfinden sollte, so ist es durchaus unmöglich, daß ich Ihre Ankunft erwarten kann. Ganz Meiningen weiß, daß sich ein Würtemberger in Bauerbach aufhält, daß dieser ein sehr guter Freund von Ihnen ist und daß er sich mit Schriften beschäftiget. Ganz Meiningen vermuthet, daß dieser „Ritter“ nicht der ist, für den er sich ausgibt; daß er vielleicht Verdruß in seinem Vaterlande gehabt hat und darum seinen Namen verschweigen muß. Man war schon lange begierig, diesem verkappten Ritter auf die Spur zu kommen, man hat sogar auf den Wahren gerathen. Lassen Sie nun besagten Herrn nach Meiningen kommen. Wird man nicht die erste Gelegenheit ergreifen, nach mir zu forschen? Zweifeln Sie, daß W., wenn ihm alle jene Umstände, mit meiner Figur verbunden, gesagt werden, den Augenblick auf mich fallen wird? Ich gebe Ihnen zu bedenken, ob eine Person, die so wie jener Herr von unserem Thun und lassen unterrichtet, die mehr als tausend Andere neugierig und vorzüglich neugierig auf mein Schicksal ist, bei der ausgestreuten Erdichtung stehen bleiben werde? Ob Sie selbst Gewalt genug über sich haben, das Gegentheil auf seine zudringlichen Fragen mit unveränderter Stirn zu behaupten? Ob er der Mann ist, der in das Geheimniß gezogen werden darf? Ich erkläre Ihnen entschlossen und offenherzig, daß ich das letztere niemals zugeben werde. Ich will ihm duchaus nichts von seinem Werthe nehmen, denn er hat wirklich einige schätzbare Seiten, aber mein Freund wird er nicht mehr, oder gewisse zwei Personen müßten mir gleichgültig werden, die mir so theuer als mein Leben sind. Weil ich also eine Entdeckung auf dieser Seite unmöglich Gefahr laufen kann, so muß ich einen Schritt thun, der mir von allen meines Lebens der schmerzlichste ist, – ich muß Sie verlassen; ich muß Sie zum letzten Male gesehen haben. Es kostet mich viel, es Ihnen zu sagen. Ich kann nicht bergen, daß ich dadurch manche schöne, herrliche Hoffnung aufgeben muß, daß es vielleicht einen Riß in mein ganzes künftiges Schicksal zurückläßt; aber die Beruhigung meiner Ehre geht vor und mein Stolz hat meiner Tugend schon soviel Dienste gethan, daß ich ihm auch einmal eine Tugend preisgeben muß. Es wäre eine unverzeihliche Eitelkeit von mir, wenn ich verlangen könnte, daß Sie um meinetwillen einen Menschen, der sich durch Bande der Verwandtschaft und Liebe an Sie attachirt bat, verstoßen sollten. Nein, es wäre ein ungerechtes Zumuthen, wenn ich prätendirte, daß Sie mir, der kein Verdienst um Sie hat, als Freundschaft, eine Person

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 748. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_748.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)